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Bestimmte Achterbahnen können Nierensteine zum Abgehen bringen. Für diese Erkenntnis gewann der US- Amerikaner Professor David Wartinger 2018 den Spaß-Nobelpreis „lg nobels“. Der Wissenschaftler setzte sich mit einer selbst gebauten Attrappe von Niere und Nierenstein in eine Achterbahn, nachdem ihm ein Patient von einem ungewöhnlichen Ferienerlebnis berichtet hatte: Nach einem Besuch einer Achterbahn in „Disney World“ in Florida ging bei ihm ein Nierenstein von selbst ab. Der Urlauber wurde bei weiteren Fahrten mit der Achterbahn alle Steine los.

Also besuchte Wartinger mit seiner Nierenattrappe ebenfalls den Freizeitpark. Besonders effektiv war übrigens die Fahrt mit „Big Thunder Mountain“, unter anderem wegen der Rüttelbewegungen, vermutet Wartinger. Doch es gibt bessere Therapien als Achterbahnfahrten – und viele Möglichkeiten, Nierensteinen vorzubeugen.

Aber wie entstehen die Steine überhaupt? Im Urin finden sich Mineralien wie Kalzium, Oxalat oder Harnsäure. In der Niere können sie zu Kristallen verklumpen und Harn- oder Nierensteine bilden. Vor allem, wenn die Niere nicht gut durchgespült ist. „Je besser diese Teilchen auf viel Flüssigkeit verteilt sind, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Steine bilden“, erklärt der Hamburger Urologe Professor Thorsten Bach. „Und je besser der ‚Durchfluss‘ in der Niere, desto wahrscheinlicher ist es, dass diese Substanzen ausgeschieden werden.“

Eine ausreichende Verdünnung des Urins ist die wichtigste Maßnahme, um Nierensteinen vorzubeugen oder ihre erneute Entstehung zu verhindern. Dr. Marie-Claire
Rassweiler-Seyfried, Urologin an der universitätsmedizinischen Klinik Mannheim, rät: „Schauen Sie sich Ihren Urin an. Je dunkler die Farbe, desto dringender sollten Sie mehr trinken.“ Gut geeignet sind stilles Wasser, ungesüßter Früchte- oder Kräutertee sowie verdünnte Saftschorlen.

Den Tag über ausreichend zu trinken klingt einfacher, als es ist. Rassweiler-Seyfried hat einen Ort, an dem sie immer trinkt: ihren Schreibtisch. Ihr Ziel: Eine große Flasche Wasser muss am Abend leer sein. Auch Thorsten Bach hat immer eine Wasser- flasche dabei – und ebenfalls ein Glas Wasser oder Tee neben sich auf dem Schreibtisch. Wer weiß, dass er zu wenig Flüssigkeit zu sich nimmt, kann sich von einer App regelmäßig daran erinnern lassen.

Stein ist nicht gleich Stein. Die Zusammensetzung von Nierensteinen unterscheidet sich stark. Das ist entscheidend für die Behandlung. „Je nachdem welche Steine man hatte, ist das Risiko erhöht, dass sich erneut welche bilden“, sagt Urologe Bach. Manche Ursachen lassen sich beheben, das Risiko sinkt. Die meisten Steine entstehen bedingt durch Ernährung und Lebensführung: also durch zu viel ungesundes Essen, zu wenig Flüssigkeit und mangelnde Bewegung. Vieles davon lässt sich beeinflussen.

Eines haben die Klümpchen aber alle gemeinsam: Sie können sehr schmerzhaft werden. Vor allem, wenn der Harnleiter versucht, den Stein weiterzubefördern. Auch die Beschaffenheit der Steine ist verantwortlich für die Schmerzen: Nierensteine sind nicht glatt wie Kiesel, sondern spitz und gezackt, wie Kristalle eben. „Viele meiner Patientinnen beschreiben das Gefühl einer akuten Nierenkolik schlimmer als Wehen“, erklärt Bach. Diese heftigen Schmerzen strahlen häufig in die Leiste, den Genitalbereich und den Rücken aus. Mit verschiedenen Verfahren können Nierensteine entfernt werden, etwa einer Operation oder der Stoßwellentherapie, auch ESWL genannt. Schallwellen, die von außen in das Gewebe vordringen, zertrümmern die Nierensteine in kleine Brösel, ohne Haut und Organe zu schädigen. Anschließend können die Steine schmerzfrei ausgeschieden werden.

Wer eine Kolik überstanden hat und weiß, dass sich ein Nierenstein auf den Weg aus dem Körper macht, solle den abgehenden Stein mit einem Sieb auf der Toilette abfangen, so der Urologe Thorsten Bach. Sein Tipp, um Nierensteine zu Hause auf der Toilette zu erwischen: mit einem Kaffeefilter aus Papier: „Dann kann man den Stein und seine Zusammensetzung analysieren, feststellen, wie groß das Risiko für weitere Steine ist, und gegebenenfalls gezielte Tipps zur Vorbeugung geben. Bei einem erneuten Stein kann man die Steinanalyse wiederholen.“ Das garantiert zwar nicht, dass keine Nierensteine mehr entstehen. Aber immerhin lässt sich das Intervall verlängern, in dem ein Nierenstein auftritt.

Eine gesunde Ernährung hat einen großen Anteil daran, Nierensteine zu verhindern. Doch manche Ernährungsempfehlungen können stressen: Keine Rote Bete, kein Salz, kein Rhabarber, kein Mangold. Stimmt das? Wer schon einmal einen sogenannten Kalciumoxalstein hatte, sollte Lebensmittel meiden, die Oxalsäure enthalten – diese kann sich sonst im Urin anreichern und zu einem neuen Stein führen. Daher kommt die Empfehlung, Rote Bete und Rhabarber zu meiden, die eben Oxalsäure enthalten.

Lassen Sie sich davon nicht verunsichern und besprechen Sie alle Fragen mit Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt, mit Ihrer Urologin oder Ihrem Urologen. Falls Sie gerne Achterbahn fahren: Vielleicht machen sich die Nierensteine ja beim nächsten Besuch im Freizeitpark von alleine auf den Weg.


Quellen:

  • Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU): Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis. Online: https://www.awmf.org/... (Abgerufen am 25.10.2022)
  • Wartiner, D: Validation of a Functional Pyelocalyceal Renal Model for the Evaluation of Renal Calculi Passage While Riding a Roller Coaster. In: Online: 01.10.2016, https://doi.org/...