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Frau Dr. Bunz, können psychische Störungen mit dem Klimawandel zusammenhängen?

Ja, durch den Klimawandel werden Wetterextreme, etwa Dürren, Hitzewellen oder Überschwemmungen wie im Ahrtal, häufiger. Das selbst zu erleben, kann Folgen für die Psyche haben – beispielsweise bei Betroffenen und Helfenden eine posttraumatische Belastungsstörung, Depression oder Angststörung hervorrufen. Ob das passiert, hängt aber von vielen Faktoren ab: den individuellen Folgen des Ereignisses, ob man körperlich verletzt oder in seiner Existenz bedroht wurde. Entscheidend sind auch eigene Möglichkeiten, sich anzupassen, und welchen sozialen Zusammenhalt man in der Situation erfahren hat.

Die Sommer werden heißer. Das schlägt auch auf die Psyche, oder?

Wenn wir die Hitze unangenehm finden, steigt die Aggression: Wir leben Anspannungen und Konflikte eher aus. So haben viele Studien gezeigt, dass tätliche Angriffe, sexuelle Übergriffe und körperliche oder verbale Gewalt bei Hitze zunehmen. Wenn die Anzahl der Hitzewellen in Zukunft steigt, wird es tendenziell mehr ­aggressives Verhalten geben. Wetter­ex­treme sind aber nicht alles, was die Psyche im Zusammenhang mit dem Klimawandel belastet. Die Bedrohung durch den Klimawandel ist allgegenwärtig, sie hält an und wird in Zukunft noch größer werden.

Was macht diese anhaltende Bedrohung mit uns?

Angst ist ein häufiges Gefühl und zunächst eine sinnvolle Reaktion. Denn Angst signalisiert Gefahr und auch, dass wir handeln müssen. Sie kann also auch ein Katalysator dafür sein, in Aktion zu treten. Wenn wir uns jedoch dauerhaft durch etwas bedroht und zugleich hilflos fühlen, kann es sein, dass wir erstarren. Dann sehen wir uns außerstande zu handeln.

Kann das Erstarren ein Grund dafür sein, warum wir weniger Klimaschutz betreiben, als wir sollten?

Das kann dazu beitragen. Der Klimawandel bedroht jeden von uns in seiner Existenz, gleichzeitig haben wir das Gefühl, keine Kontrolle darüber zu haben und dem nur wenig entgegensetzen zu können. Daher kann es sein, dass ein psychologischer Mechanismus greift: In diesem Moment kapseln wir uns von dem, was in der Realität passiert, ab. Dieser Mechanismus greift sowohl auf persönlicher Ebene als auch gesamtgesellschaftlich. Und das kann wiederum dazu führen, dass wir nicht genügend Klimaschutz betreiben. Obwohl – oder gerade weil – wir alle seit Jahrzehnten wissen: Es wird gefährlich für uns.

Oft wird von Klimaangst geredet. Was versteht man darunter?

Es ist Angst vor dem, was durch den Klimawandel noch kommen wird. Sie tritt nicht in bestimmten Situationen auf, sondern ist unterschwellig immer da. Das liegt daran, dass sich die Situation nicht ändert, weil der Klimawandel nicht verschwindet. Menschen empfinden dann, als Reaktion auf die Veränderung des Klimasystems, vermehrt negativen Stress. Klimaangst ist aber keine psychische Störung. Angst kann – je nach Ausmaß – eine normale Reaktion sein. Wenn man solche Gefühle hat, sollte man nicht gleich denken, man sei krank.

Wie geht man denn mit Gefühlen wie Angst idealerweise um?

Zunächst wahrnehmen und anerkennen. Gefühle werden immer kleiner, wenn man ihnen Raum gibt. Es hilft auch, Kontakt zu Menschen zu suchen, denen es ähnlich geht, und sich mit ihnen auszutauschen. Gemeinschaft ist grundsätzlich wichtig und wirkt stützend. Wenn die Angst sehr belastend ist und die eigene Lebensqualität stark beeinträchtigt, kann man sich professionelle Hilfe suchen.

Kann man noch mehr tun?

Die Selbstwirksamkeit stärken, indem ich ins Handeln komme: Vielleicht lege ich keinen Steingarten an, sondern entscheide mich für eine Blumen- wiese. Dann habe ich das Gefühl, dass ich etwas tue. Diese kleinen Taten sollte man dann würdigen und wert- schätzen: Der persönliche Umstieg aufs Rad wird den Klimawandel nicht aufhalten. Aber es ist ein Beitrag, etwas, das wir in der Hand haben. Und das brauchen wir, um aus dem Gefühl der Hilflosigkeit herauszukommen. Zudem kann man überlegen, was ­einem Halt und Sinn im Leben gibt, und mehr davon machen.

Schon alleine die Berichte über den Klimawandel und seine Folgen können belasten.

Hier ist Selbstfürsorge wichtig: Wie viel kann ich überhaupt verarbeiten? Und dann sollten wir milde zu uns sein. Denn ich muss nicht rund um die Uhr Nachrichten schauen, um ausreichend informiert zu sein. Zwar haben wir eine persönliche Verantwortung, aber wir sollten darauf achten, wo unsere Grenzen liegen. Auch der Austausch mit anderen ist sehr wichtig, damit wir nicht das Gefühl bekommen, wir müssten die Last der Welt alleine auf unseren Schultern tragen.