Logo der Apotheken Umschau

Sie ist beileibe keine Seltenheit und wird trotzdem immer noch unterschätzt. 35 Millionen Menschen leiden in Deutschland an Parodontitis. Zusammen mit ihrer Vorstufe Gingivitis, auch Zahnfleisch­entzündung genannt, ist sie damit die häufigste Krankheit überhaupt, so Prof. Dr. Søren Jepsen, Direktor der Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde an der Uniklinik Bonn.

Übeltäter sind Bakterien, die sich auf den Zähnen ablagern. Sie lösen die Befestigung des Zahnfleisches am Zahn und führen zum Abbau des Kieferknochens, bis sich Zähne lockern und schließlich ausfallen.

Ausgelöst wird Parodontitis durch Bak­terien in Zahnbelägen. Sie bilden sich auf den Zahnoberflächen und in den Zahn­zwischenräumen, zum Beispiel infolge schlechter Mundhygiene.

Ausgelöst wird Parodontitis durch Bak­terien in Zahnbelägen. Sie bilden sich auf den Zahnoberflächen und in den Zahn­zwischenräumen, zum Beispiel infolge schlechter Mundhygiene.

Doch damit nicht genug: Mit dem Blutstrom dringen die Bakterien tiefer in den Körper ein und richten dort Unheil an. So steigt etwa das Risiko für Diabetes samt dessen Folgen. Umgekehrt erhöht schlecht eingestellter Diabetes das ­Risiko für Parodontitis. Wer die eine Volkskrankheit behandeln lässt, mindert deshalb auch das Risiko für die andere. Lernen Sie hier die wichtigsten Fakten kennen.

Parodontitis und Diabetes

Die Entzündung beeinflusst auch die Allgemeingesundheit. „Über die Zahnfleischtaschen gelangen Mundbakterien und Entzündungsstoffe in den Blutkreislauf und können so auch Probleme in anderen Regionen des Körpers auslösen“, so Prof. Dr. Petra-Maria Schumm-Draeger, Fachärztin für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie sowie Ärztliche Direktorin des Zentrums Innere Medizin in München. Studien zeigen, dass Parodontitis andere Leiden begünstigt und ihr Fortschreiten beschleunigt. Dazu gehören Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes und Begleiterkrankungen, chronische Atemwegserkrankungen wie COPD und Schlafapnoe und sogar Demenz. In der Schwangerschaft erhöht Parodontitis das Risiko einer Frühgeburt. Misst man Krankheiten anhand der Lebensjahre, in denen sie eine Beeinträchtigung verursachen, steht schwere Parodontitis zusammen mit Karies an vorderster Stelle, erklärt die European Federation of Periodontology.

Sie stehen in direkter Wechselwirkung. „Diabetes verstärkt Parodontitis – und umgekehrt“, sagt Schumm-Draeger. Menschen mit einem schlecht eingestellten Typ-2-Diabetes erkranken bis zu dreimal häufiger an Parodontitis als der Bevölkerungsdurchschnitt. Bei ihnen verläuft die Parodontitis zudem schwerer. Die gute Nachricht, so Schumm-Draeger: „Bei norm­nahen Blutzuckerwerten besteht kein erhöhtes Parodontitis-Risiko.“ Parodontitis wiederum erhöht langfristig den Blutzuckerspiegel. Menschen mit schwerer Parodontitis haben deshalb ein erhöhtes Risiko, auch an Diabetes Typ 2 zu erkranken. Bei bestehendem Diabetes vom Typ 1 wie 2 wächst mit der Schwere der Parodontitis die Gefahr für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, das diabetische Fußsyndrom, Netzhautschäden sowie Nieren- und
Nervenkrankheiten.

Wird die Parodontitis behandelt, bessern sich die Blutzuckerwerte. Umgekehrt gilt: Wer gute Blut­zuckerwerte hat, senkt damit das Risiko für Parodontitis. Deshalb sollten beide Krankheiten therapiert werden. Menschen mit Diabetes sollten sich auf Parodontitis regelmäßig in der Zahnarztpraxis untersuchen lassen. Wer wiede­rum an Parodontitis leidet, sollte regelmäßig bei der Haus­ärztin oder dem Hausarzt die Blutzuckerwerte testen lassen: Diabetes verursacht oft lange keine Symptome.

Symptome und Diagnose

Parodontitis ist eine „stille“ Krankheit: Sie entwickelt sich meist schleichend, schmerzlos und unbemerkt. „Blut beim Zähneputzen oder bei der Zahnzwischenraumreinigung ist nie normal – das muss zahnärztlich abgeklärt werden“, betont Zahnarzt Jepsen. Auch Mundgeruch, geschwollenes und gerötetes Zahnfleisch sowie verlängerte Zahnhälse können auf Parodontitis hinweisen. „Letztlich kann nur die Zahnärztin oder der Zahnarzt die Erkrankung sicher feststellen. Deshalb regelmäßig kontrollieren lassen“, so Jepsen.

Alle zwei Jahre können gesetzlich Versicherte in der Zahnarztpraxis einen sogenannten Parodontalen Screening-Index (PSI) erstellen lassen. Dazu wird mit einer Sonde die Taschentiefe an jedem Zahn gemessen. Der PSI gibt Auskunft darüber, ob eine Patientin oder ein Patient an Gingivitis oder Parodontitis leidet und wie schwer die Erkrankung ist. Außerdem zeigt der Index die notwendigen Therapiemaßnahmen an. Zusätzlich sind eventuell Röntgenaufnahmen nötig, um Knochenabbau zu erkennen und andere Ursachen für lockere Zähne – wie Wurzelentzündungen – sicher aus­zuschließen.

Behandlung

Eine Parodontitis mit einer Zahnfleischtaschentiefe von vier Millimetern und mehr ist laut Leitlinie behandlungsbedürftig. Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt die Kosten für die Behandlung einer Parodontitis. Dazu gehören die ursächliche Therapie und die Nachsorge. „Mit guter Mundhygiene allein ist es hier nicht getan: Die Zahnbürste erreicht die Bakterienbeläge in den Taschen nicht“, erläutert Jepsen.

Die Parodontitis-Therapie folgt einem Stufenplan. Das Ziel: akute Entzündungen zum Abklingen zu bringen und damit zu verhindern, dass die Krankheit fortschreitet. Im Therapiegespräch werden Betroffene über Parodontitis, Mundhygiene, gesunde Lebensweise, Risikofaktoren wie Rauchen sowie über die einzelnen Therapieschritte aufgeklärt. Bei der eigentlichen Behandlung entfernt die Ärztin oder der Arzt alle erreichbaren weichen und harten Beläge oberhalb des Zahn-
fleisches und in den Zahnfleischtaschen, bei Bedarf unter örtlicher Betäubung. An die gesäuberte Zahnober­fläche kann sich das Zahnfleisch wieder anlagern und damit den Zugangsweg für die Bakterien ins Gewebe versperren.

Der Erfolg wird drei bis sechs Monate später geprüft. Dann beginnt die zunächst zweijährige kassenfinanzierte Nachsorgephase, unterstützende Parodontitis-Therapie (UPT) genannt. „Wer besonders anfällig ist, sollte alle drei Monate zur Kontrolle kommen, bei mäßigem Risiko halbjährlich und bei geringer Gefahr einmal pro Jahr“, rät Zahnexperte Jepsen. Dabei wird etwa geprüft, ob die Mundhygiene ausreichend war. Mehr als vier Millimeter tiefe Zahnfleischtaschen werden erneut gereinigt.

Ja, denn Parodontitis ist eine chronische Erkrankung und derzeit nicht heilbar. Sie muss lebenslang kontrolliert werden, damit die Entzündung nicht wieder aufflammt. Endet die zweijährige kassenfinanzierte UPT, haben Patientinnen und Patienten es selbst in der Hand, Zähne und Zahnfleisch gesund zu halten: zum einen durch tägliche, gewissenhafte Mundhygiene mit Zahnbürste oder Zahnseide, zum anderen, indem sie alle sechs Monate – bei Beschwerden sofort! – zur zahnärztlichen Kontrolle gehen. Das ist auch der beste Weg, um eine Parodontitis gar nicht erst entstehen zu lassen. Sinnvoll ist oft eine professionelle Zahnreinigung, für die viele Kassen einen Teil der Kosten übernehmen.

Haben sich die Zahnfleischtaschen nach drei bis sechs Monaten nicht geschlossen und sind sie mehr als sechs Millimeter tief, kann eine kleine Operation unter örtlicher Betäubung nötig sein. Etwa, um Bakterien und Zahnsteinreste aus tiefen Zahnfleischtaschen oder schwer zugänglichen Zahnwurzelgabelungen zu entfernen. In fortgeschrittenen Fällen, insbesondere bei jungen und hoch anfälligen Menschen, kann eine unterstützende Therapie mit Antibiotika nötig sein.


Quellen:

  • KZBV: Parodontitis, Erkrankungen des Zahnhalteapparates vermeiden, erkennen, behandeln. https://www.kzbv.de/... (Abgerufen am 16.01.2024)
  • Deutsche Gesellschaft für Parodontologie; weitere Fachgesellschaften: Die Behandlung von Parodontitis Stadium I bis III, S3_Leitlinie. Leitlinie: 2020. https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 16.01.2024)

  • Redaktion: Parodontitis - Symptome, Diagnose, Therapie, Vorbeugen. https://www.apotheken-umschau.de/... (Abgerufen am 16.01.2024)
  • Deutsche Diabetes Gesellschaft; Deutsche Diabetes-Hilfe: Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2024, Die Bestandsaufnahme. https://www.ddg.info/... (Abgerufen am 16.01.2024)
  • Herrera D et al.: Association between periodontal diseases and cardiovascular diseases, diabetes and respiratory diseases: Consensus report of the Joint Workshop by the European Federation of Periodontology (EFP) and the European arm of the World Organization of Family Doctors (WONCA Europe). In: J Clin Periodontol 01.06.2023, 50: 819-841
  • Bundeszahnörztekammer: Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Parodontitis. https://www.bzaek.de/... (Abgerufen am 16.01.2024)
  • Institut der Deutschen Zahnärzte: Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V)), Kurzfassung. https://www.bzaek.de/... (Abgerufen am 16.01.2024)
  • KZBV: GKV-Finanzstabilisierungsgesetz - Auswirkungen auf die Parodontitisversorgung, Stellungnahme KZBV. https://www.kzbv.de/... (Abgerufen am 16.01.2024)
  • Uniklinikum Heidelberg: Integrierte Versorgung von Diabetes und Parodontitis. https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/... (Abgerufen am 16.01.2024)
  • Verbraucherzentralen: Welche Zuschüsse zahlen die Kassen zur professionellen Zahnreinigung?. https://www.verbraucherzentrale.de/... (Abgerufen am 16.01.2024)
  • Verbraucherzentralen: Welche Zahnvorsorge zahlt die Krankenkasse?. https://www.verbraucherzentrale.de/... (Abgerufen am 16.01.2024)
  • Gesellschaft für Zahngesundheit, Funktion und Ästhetik: Diagnostik der Parodontitis: Sondierung Zahnfleischtaschen. https://www.gzfa.de/... (Abgerufen am 16.01.2024)
  • Verbraucherzentrale NRW: Parodontitis: Selbstzahlerleistungen in der Regel nicht mehr notwendig. https://www.verbraucherzentrale.nrw/... (Abgerufen am 16.01.2024)
  • Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayern: PAR-Richtlinie. https://www.kzvb.de/... (Abgerufen am 16.01.2024)
  • Hezel L: S3-Leitlinie Parodontitis – Von der Klassifikation zur Therapie. https://www.zwp-online.info/... (Abgerufen am 16.01.2024)