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Die Verbände von Praxisärzten, Kliniken und Apotheken haben den Kurs der Bundesregierung scharf kritisiert und warnen vor negativen Folgen für Gesundheitsangebote vor Ort. Es sei zu beobachten, dass die Versorgung „in allen Bereichen den Bach runtergeht“, sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Andreas Gassen, am Donnerstag in Berlin.

Reformen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) würden am Reißbrett und ohne Rücksicht auf die Realität konstruiert. So werde etwa eine vorgesehene Pauschale für Hausarztpraxen an Sprechstunden samstags und abends geknüpft, was angesichts eines schon jetzt bestehenden Personalmangels nicht umsetzbar sei. „Unter solchen Voraussetzungen werden wir die Versorgung in ihrer jetzigen Form künftig nicht mehr sicherstellen können“, so Gassen. Die Ampel-Regierung müsse daher endlich umdenken.

Einschränkungen in jeder zweiten Klinik

Es war bereits der zweite Appell dieser Art in nur wenigen Monaten. Zuletzt hatten Apotheker, Ärzte und Zahnärzte im Oktober gemeinsam eine Art „Notruf“ mit Blick auf die ambulante Versorgung abgesetzt. Dieses Mal schloss sich nun auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) an.

DKG-Chef Dr. Gerald Gaß wies auf akute Finanznöte in vielen Krankenhäusern hin. Sie müssten wegen mangelnder Erlöse derzeit Geld mitbringen, um die Versorgung sicherzustellen. Um Insolvenzen abzuwenden, planten mehr als die Hälfte der Kliniken in den kommende zwölf Monaten Einschränkungen wie Stellenstreichungen oder die Schließung ganzer Stationen. Zu befürchten sei eine schleichende Entwicklung, mit der Menschen gerade auf dem Land spürten, dass die soziale Daseinsfürsorge schlechter werde. Die Branche werde nicht mit Krankenhausbetten Autobahnauffahrten blockieren, machte Gaß in Anspielung auf Traktorenproteste deutlich. Es laufe nun aber eine Protestaktion mit Plakaten an.

Auch in der Arzneimittelversorgung habe sich zuletzt „nichts zum Guten gewandelt“, beklagte die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Gabriele Regina Overwiening. Im Gegenteil: Die Zahl der Lieferengpässe sei ungebrochen hoch. Bürokratische Vorgaben erschwerten zudem den Austausch von Medikamenten in der Apotheke, wenn ein Mittel nicht verfügbar ist. „Damit steigt die Gefahr, dass wir Menschen ohne ein passendes Arzneimittel nach Hause schicken müssen.“

Weite Wege bis zur nächsten Apotheke

Eine technisch holprige Einführung des elektronischen Rezepts zehre darüber hinaus an der Geduld von Patientinnen und Patienten. Hinzu kämen angesichts von Apothekenschließungen zum Teil weitere Wege zur nächsten Offizin. Allein 2023 seien rund 500 Apotheken in Deutschland weggefallen. „Ein absoluter Minusrekord“, so Overwiening

Der Chef der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Martin Hendges, kritisierte, die „Kostendämpfungspolitik“ Lauterbachs hinterlasse tiefe Einschnitte. Er nannte als Beispiel die Therapie von Parodontitis, hier seien die Behandlungszahlen zuletzt deutlich zurückgegangen.

In der Ampel-Koaltion reageierte man zunächst gelassen auf die Kritik der Verbände. Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte: „Es scheint inzwischen zum üblichen Ton einiger gesundheitspolitischer Funktionäre zu gehören, stets den unmittelbar bevorstehenden Untergang des gesamten Gesundheitswesens heraufzubeschwören und mit erhobenem Zeigefinger die Politik zu finanzieller Hilfe aufzufordern.“ Man könne aber nicht eine Politik fortsetzen, die weiter nur Symptombekämpfung durch Finanzhilfen betreibe, anstatt Probleme bei der Wurzel anzugehen.

Nach Gesetzen zur Digitalisierung würden noch vor dem Sommer weitere Reformen auf den Weg gebracht. Dabei gehe es darum, mit dem zur Verfügung stehenden Geld effizienter umzugehen, Bürokratie abzubauen und die Versorgung stärker an tatsächlichen Patientinnen- und Patientenbedürfnissen auszurichten.