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Die Apothekerinnen und Apotheker erwarten heute beim Deutschen Apothekertag in Düsseldorf Antworten auf ihre Fragen an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Doch noch bevor sie sich am Mittag zur Eröffnung versammeln, um anschließend dem abwesenden Minister per Videoschalte zu lauschen, macht Lauterbach deutlich, dass er über die Apotheken sprechen wird, nicht mit ihnen.

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) platziert der Minister seine Vorschläge für eine umfassende Reform des Apothekenmarkts, die es in sich haben: Künftig soll es Filialen ohne anwesende Apothekerin oder Apotheker geben[1]. Die Zweigstellen benötigten dann auch kein Labor mehr, um individuell verordnete Arzneimittel herstellen zu können. Und sie dürften dann auch deutlich seltener offen sein, als es eine vollwertige Apotheke heute leisten muss.

Dr. Dennis Ballwieser, Arzt und Chefredakteur der Apotheken Umschau

Dr. Dennis Ballwieser, Arzt und Chefredakteur der Apotheken Umschau

Verkaufen wird der Minister die Vorschläge als Förderung des flächendeckenden Apothekennetzes. Das klingt erst einmal gut, geht aber auf mehreren Ebenen an den vielfältigen Problemen der Apotheken vorbei.

Genauso, wie es zu wenig Apothekerinnen und Apotheker gibt, die bereit sind, Apotheken zu übernehmen, gibt es auch nicht ausreichend Pharmazeutisch-Technischen Assistentinnen (PTA), die in diesen Filialen Medikamente abgeben könnten – die auch dann in vielen Fällen nicht lieferbar wären. Denn die vom Minister vorgeschlagenen Änderungen am Sozialgesetzbuch und der Apothekenbetriebsordnung beheben weder den Fachkräftemangel noch die Lieferkettenprobleme.

Beratung: Bald nur noch Nebensache?

Das alleine ist schon ärgerlich genug, aber nicht das eigentliche Problem. Gefährlicher ist die Öffnung der Ketten-Filialen durch die Hintertür, die in diesem Vorschlag zumindest angelegt ist. Denn von einer Filiale, die kein approbiertes Personal mehr benötigt, ist es nicht mehr so weit zum Medikamententresen im Supermarkt, an dem notdürftig geschultes Personal aus dem Kommissionierautomaten Packungen abgibt.

Auf den ersten Blick wäre dann das Flächenversorgungsproblem nicht nur formal, sondern auch tatsächlich gelöst, weil man das lästige und teure Fachpersonal komplett abgeschafft hätte. Allerdings hätte der Minister dann das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, zu Lasten der Patientinnen und Patienten: Die Menschen würden dann ihre wichtigste niederschwellige Beratungsmöglichkeit im Gesundheitswesen unwiederbringlich verlieren.

Es gibt keine andere Kontaktstelle im deutschen Gesundheitswesen, an die Menschen sich bei Fragen wenden können, ohne zuvor einen Termin vereinbart zu haben, sich ausgewiesen zu haben, die Kostenübernahme geklärt zu haben. Nur in der Apotheke werden zu Öffnungszeiten Gesundheitsfragen fachkundig beantwortet, wozu in vielen Fällen auch gehört, dass Menschen an die richtigen weiteren Stellen im Gesundheitswesen weitergeschickt werden.

Dieses gewachsene System droht der Minister mit seinen übereilten und unabgestimmten Vorschlägen gerade zu zerschlagen. Und das in einer Situation, in der Studien seit Jahren belegen, wie schlecht die Gesundheitskompetenz in Deutschland ist und wie wichtig damit gerade die niederschwelligen Kontaktangebote sind.

Politik verweigert sich dem Dialog

Man kann politisch die Meinung vertreten, dass es das bewährte deutsche Apothekensystem nicht bräuchte. Dann müsste man allerdings erklären, wer an Stelle der Apothekenteams diese Beratung der Patientinnen und Patienten übernehmen soll. Es kann dagegen kein gesundheitspolitisches Konzept sein, die Bürgerinnen und Bürger in einem überforderten System ohne kompetente Hilfe alleine zu lassen. Das Ziel der Politik müsste deshalb sein, gemeinsam mit den Apotheken an der Lösung zu arbeiten. Dazu würde gehören, sich wie alle bisherigen Gesundheitsminister auf den Weg zum Apothekertag zu machen, als sich zum wiederholten Mal nur zuschalten zu lassen.

Aber deshalb sind die Vorschläge auch für die ABDA, die politische Interessenvertretung der Apotheken, katastrophal. Denn augenscheinlich hat auch die ABDA-Spitze von den Vorschlägen aus der Zeitung erfahren. Es wird deutlich, dass die Apothekerinnen und Apotheker keinen Zugang zum Bundesgesundheitsministerium haben. Ansonsten wäre über die Pläne im Vorfeld des Deutschen Apothekertags mehr bekannt gewesen und das Treffen in Düsseldorf könnte zur inhaltlichen Auseinandersetzung genutzt werden. So bleibt der ABDA nur der maximale Protest.


Quellen:

  • [1] Geinitz, Christian: Gibt es bald Apothekenfilialen ohne Pharmazeuten?. Frankfurter Allgemeine Zeitung: https://www.faz.net/... (Abgerufen am 27.09.2023)