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Eine Gesprächsrunde mit Männern aus drei Generationen: Wie hat sich die Rolle des Mannes über die Zeit geändert? Es unterhalten sich:

  • Dieter Baum, 75. Er konnte mit seinem Vater kaum über ­Gefühle sprechen
  • Arnaud Bordage, 59. Er glaubt, ohne Männer wäre die Welt ein besserer Ort
  • Matthias Schrag, 25. Er wollte ­seiner Kindergärtnerin die Handwerksarbeit abnehmen

Matthias: Dieter, Arnaud, wer ist für euch der klassische Mann?

Dieter: Im negativen Sinne Donald Trump.

Arnaud: Man muss an Trump denken, weil man Männlichkeit zuerst mit Rücksichtslosigkeit und Narzissmus assoziiert.

Dieter: Wir setzen Männlichkeit automatisch mit Machismus gleich.

Matthias: Obwohl sich viel getan hat in den letzten Jahrzehnten.

Arnaud: Ich glaube, die Geschlechter unterscheiden sich heute nicht mehr so stark wie früher.

Dieter: Den physischen Unterschied wird es immer geben. Und viele Männer tragen nach wie vor ihre Männlichkeit zur Schau vor sich her.

Matthias: Bei uns jüngeren Männern sehe ich zwei Pole. Die einen erkennen, dass das traditionelle Rollenverständnis nicht mehr zeitgemäß ist. Und die anderen halten an Traditionellem fest: Ich muss erfolgreich sein, ich muss stark sein.

Dieter: So war das früher, der Mann als Hausvorstand. Er hatte grundsätzlich das Sagen. Die Frau sorgt für Kinder und Küche, der Mann bringt das Geld nach Hause.

Matthias: War das bei dir so?

Dieter: Meine Frau war nicht berufstätig, das Klischee erfüllen wir. Es wäre im Nachhinein nicht schlecht gewesen, wenn sie zumindest in Teilzeit gearbeitet hätte. Das hätte sie unabhängiger gemacht und ihr ein neues Umfeld eröffnet.

Arnaud: Bei uns bin ich für den Haushalt zuständig, weil ich von zu Hause arbeite. Ich koche und bringe unser Kind zum Kindergarten. Ich würde mich eher als unmännlichen Typ bezeichnen.

Matthias: Wie meinst du das?

Arnaud: Typisch männliche Tätigkeiten führe ich nicht aus: Reifen wechseln, Umzug organisieren – da bin ich unbegabt. Ich habe nicht mal einen Führerschein.

Wenn es die Frauen nicht gegeben hätte, wären die Männer verhungert

Matthias: Mit welchem Männlichkeitsbild wurdet ihr erzogen?

Arnaud: Ich bin in der französischen Provinz aufgewachsen. Wenn es die Frauen nicht gegeben hätte, wären die Männer verhungert. Der Mann war total abhängig von der Frau.

Dieter: In meiner Jugend in Düsseldorf war es ähnlich: Mutter zu Hause, Vater auf Arbeit. Aber im Vergleich zu mir hat mein Vater noch viel weniger im Haushalt getan. Er hat immer Zigarre geraucht, das ist für mich auch typisch männlich.

Matthias: Bei mir gibt es eine nette Geschichte aus der Kindheit: Als eine Kindergärtnerin ein Bild mit einem Nagel an der Wand befestigen wollte, habe ich sie gefragt, ob das nicht lieber ein Mann machen soll.

Dieter: Als mein Enkel vier Jahre alt wurde, wollte er, dass nur Jungs zu seinem Geburtstag kommen. Denn er wollte Baustelle spielen und das könnten Mädchen nicht. Dann habe ich ihn gefragt, wieso nicht. Und er meinte, er habe noch nie eine Frau auf einer Baustelle gesehen.

Arnaud: Viele Kinder wachsen nach wie vor mit einem sehr traditionellen Mann-Frau-Bild auf. Meine Frau spürt das als Lehrerin jeden Tag, wenn sich Jungs nichts von ihr sagen lassen.

Matthias: Auch, weil Frauen in vielen Bereichen unterrepräsentiert sind. Aber das kann man ändern: Als Olaf Scholz Kanzler wurde, musste man sich an „den Kanzler“ gewöhnen, weil Angela Merkel die Rolle so geprägt hat.

In den Führungspositionen landen die Männer

Dieter: Es gibt ja auch gute Nachrichten: Mehr Frauen wagen den Schritt in Männerdomänen wie die Bundeswehr. In München gibt es mehr Medizin-Studentinnen als Studenten.

Matthias: Schön und gut, aber wer ist am Ende Chefarzt? Oh, ich verwende schon die männliche Form …

Dieter: In den Führungspositionen landen die Männer.

Matthias: Wie war es mit eurem Vater, konntet ihr gut mit ihm reden?

Arnaud: Nein. Es fällt mir heute noch schwer, mit meinem Vater ein Gespräch zu führen. Er ist für mich eigentlich ein fremder Mensch.

Dieter: Mein Vater war im Grunde auch eine fremde Person. Er ist 88 geworden. Erst in den letzten Jahren, als er alleine war, haben wir mehr gesprochen. Da ging es aber selten um Gefühle.

Arnaud: Typisch männlich: die Unfähigkeit, Gefühle zu zeigen.

Matthias: Über Gefühle reden kann ich mit meinem Vater super, aber meine Mutter möchte mehr erfahren.

Dieter: Da merkt man, was sich über die Jahre getan hat. Ich habe mehr Zeit mit meinem Sohn verbracht als mein Vater mit mir. Auch bei der Geburt war ich dabei, das wäre bei meinem Vater undenkbar gewesen – ein Mann im Kreißsaal.

Arnaud: Ich war leider nur die letzten Stunden dabei, wegen der Corona-Verordnungen. Unser Kind kam während der Pandemie auf die Welt.

Matthias: Ich habe das noch nie erlebt. Wie fühlt man sich da?

Dieter: Ich habe mich völlig hilflos gefühlt. Man kann ja nur Händchen halten und gut zusprechen. Ich fühlte mich ohnmächtig.

Matthias: Ungewohnt für Männer, die sonst gerne die Macht haben. Wäre die Welt ohne uns besser?

Arnaud: Eine Welt mit weniger oder anderen Männern wäre besser, davon bin ich überzeugt.

Dieter: An den entscheidenden Hebeln sitzen Männer. Ich glaube, dass wir stärker zu Aggressionen neigen als Frauen.

Matthias: Männlichkeit ist ja auch ein Gesundheitsrisiko. Wir rauchen und trinken mehr, gehen selten zum Arzt.

Dieter: Ich bin in der Hinsicht kein Vorbild. Meistens, zumindest früher, bin ich nur zum Arzt gegangen, wenn meine Frau mich da hingeschickt hat.

Arnaud: Ich war noch nie bei einem Vorsorgetermin, weil ich keine Beschwerden habe. Das hat bei mir viel mit Faulheit zu tun.

Matthias: Und es geht nicht nur darum. Welcher Mann gesteht sich ein, psychologische Hilfe zu brauchen?

Dieter: Ich glaube, das ist für Männer und Frauen eine Hürde.

Arnaud: Aber Frauen bekommen vielleicht eher Hilfe aus dem Umfeld. Ein Mann würde nie zu einem anderen sagen: Du hast ein Alkoholproblem. Männer fressen das in sich hinein. Wir müssen endlich lernen, unsere Schwächen zuzulassen.