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Eine umstrittene ARD-Doku mit dem bekannten Fernsehmoderator und Arzt Dr. Eckart von Hirschhausen hat vor einiger Zeit heftige Diskussionen um die Blutwäsche ausgelöst. Die Doku zeigt eine Ärztin, die mit Hilfe der Blutwäsche Long-Covid-Patienten behandelt – angeblich mit großem Erfolg.

Doch Fachleute warnen vor unseriösen Heilsversprechungen und Geschäftemacherei. Denn die hohen Kosten für die Behandlung – in der Regel Tausende von Euro – müssen die Betroffenen selbst tragen, gute Belege für die Wirksamkeit fehlen jedoch. Ein Vorwurf der Kritiker: Mit solch fragwürdigen Therapien werde das Leid der Erkrankten ausgenutzt, die chronisch erschöpft sind, an Atemnot, Schwindel oder kognitiven Störungen leiden. Was bringt die Blutwäsche also?

Was passiert bei der Blutwäsche (Apherese)?

Bei einer Blutwäsche (Apherese) werden krankmachende oder überzählige Bestandteile des Blutes wie etwa bestimmte Eiweiße aus dem Blut entfernt. Die Patientinnen und Patienten liegen wie beim Blutspenden auf einer Liege. Das Blut fließt durch einen Schlauch aus der Armvene heraus, läuft durch einen Apparat und fließt dann gereinigt am anderen Arm wieder in den Körper hinein.

Zum Hören:

Umstrittener Einsatz bei Long Covid

Es gibt verschiedene Formen der Blutwäsche. Bei der Variante, die in der TV-Doku zum Einsatz kommt, handelt es sich um die sogenannte Lipidapherese, auch H.E.L.P.-Apherese genannt (Heparin-induzierte extrakorporale LDL-Präzipitation). Dabei werden Blutfette wie etwa das LDL-Cholesterin – oft auch als „böses“ Cholesterin bezeichnet, da zu viel davon Gefäßverkalkungen fördert – und andere Stoffe wie Gerinnungs- und Entzündungsfaktoren (Fibrinogen, Akute-Phase-Protein CRP) aus dem Blut entfernt. Ausgewaschen werden zudem kleine Blutgerinnsel.

„Allerdings ist keineswegs gesichert, dass Blutfette oder kleine Blutgerinnsel tatsächlich die Ursache von Long-Covid-Symptomen sind“, sagt Professor Jan T. Kielstein, Chefarzt für Innere Medizin und Blutreinigungsverfahren am Städtischen Klinikum Braunschweig. „Es erscheint daher bisher nicht sinnvoll, eine solch teure Therapie, die zudem nicht komplett ungefährlich ist, durchzuführen und auf Selbstzahlerbasis anzubieten", erklärt Kielstein. Zu den Nebenwirkungen gehören etwa allergische Reaktionen, Blutungen und Blutdruckabfälle.

Zweites Verfahren: Autoantikörper aus dem Blut waschen

Es gibt allerdings noch ein weiteres Blutwäsche-Verfahren, das einige Zentren zur Therapie von Long Covid anbieten: die sogenannte Immunapherese. Hierbei werden bestimmte Antikörper aus dem Blut entfernt. „Die Idee dahinter ist, dass eine Viruserkrankung wie Covid-19 Autoimmunreaktionen auslöst", erklärt Professor Dr. Julia Weinmann-Menke, Leiterin des Schwerpunkts Nephrologie an der Universitätsmedizin Mainz. Das bedeutet: Das Immunsystem sieht Bestandteile des eigenen Körpers fälschlicherweise als fremd an und startet eine Abwehrreaktion. „Es bilden sich dann spezielle Antikörper, sogenannte Autoantikörper, die sich gegen eigene Organsysteme richten", erklärt die Expertin. Die Immunapherese würde dann genau solche Antikörper aus dem Blut waschen.

Allerdings sei auch hier unklar, ob die Entfernung von Antikörpern bei Long Covid tatsächlich hilft, sagt Weinmann-Menke. Zwar deutete 2021 eine kleine Pilotstudie mit drei Long-Covid-Erkrankten darauf hin, dass das Verfahren die Zahl der Autoantikörper reduzierte und sich ihre Symptome besserten. Andere ebenfalls recht kleine Studien konnten zwar eine Verringerung der Autoantikörper durch die Immunapherese feststellen, aber die Gesundheit der behandelten Personen besserte sich nicht merklich. „Aber es gibt keine kontrollierten klinischen Studien“, betont die Nephrologin. Bei den Ergebnissen der kleinen Pilotstudie könne es sich auch um einen Placebo-Effekt handeln.

Wissenschaftliche Belege für Wirksamkeit fehlen

Auch die aktuelle ärztliche Leitlinie zur Behandlung von Long Covid rät „von einer generellen Anwendung“ von nicht evidenzgesicherten Therapieverfahren wie der Lipidapherese und Immunapherese „dringend ab“.[1] Ähnlich äußert sich die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie in ihrer Stellungnahme im August 2022: „Ohne fundierte wissenschaftliche Daten kann keine Empfehlung für die Durchführung diese Therapieverfahren ausgesprochen werden, auch da es bei ihrer unsachgemäßen Anwendung zu schweren Komplikationen[2] kommen kann.“ Ende April 2023 bewertete auch der IGeL-Monitor den Nutzen der Blutwäsche – in diesem Fall der H.E.L.P.-Apherese – als „unklar“. Zur Anwendung bei Post- oder Long-Covid wurden keine Studiendaten gefunden.

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Erfolgreicher Einsatz bei anderen Erkrankungen

Während bei Long Covid seriöse Belege für die Wirksamkeit der Blutwäsche fehlen, kommt diese bei anderen Krankheitsbildern bereits seit Langem erfolgreich zum Einsatz.

Fettstoffwechselstörungen

So wird die Lipidapharese zum Beispiel bei schweren Fettstoffwechselstörungen angewendet – wenn bestimmte Blutfette durch eine Diät oder Medikamente nicht gesenkt werden können. Betroffene erleiden ohne Therapie teilweise bereits im Alter von 30 bis 40 Jahren Herzinfarkte – selbst dann, wenn sie nicht übergewichtig sind und nicht rauchen.

„Hier ist die Lipidapharese das gängige und als effektiv nachgewiesene Verfahren", sagt Julia Weinmann-Menke. Für die Patientinnen und Patienten ist dieses jedoch sehr aufwändig: „Sie müssen lebenslang einmal die Woche zur Blutwäsche", erklärt die Expertin. Aktuell liefen jedoch Studien zu Medikamenten, die die Lipidapherese in Zukunft überflüssig machen könnten.

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Die Immunapherese hingegen setzt man beispielsweise ein, wenn Chirurginnen und Chirurgen ein Organ transplantieren wollen, obwohl bei Spender und Empfänger die Blutgruppe oder sogenannte Gewebeverträglichkeitsmerkmale (HLA-Merkmale) nicht übereinstimmen.

Man kann beispielsweise eine Niere von einer Person mit der Blutgruppe A in einen Menschen verpflanzen, der die Blutgruppe B hat. "Die Immunapherese ist in der Lage, beim Empfänger Antikörper aus dem Blut auszuwaschen, die sich gegen die fremde Blutgruppe wehren würden", sagt Kielstein.

Neurologische Erkrankungen

Auch bei verschiedenen neurologischen Störungen ist man auf die Immunapherese angewiesen, etwa bei Multipler Sklerose (MS). Bei der Autoimmunerkrankung greift das Immunsystem Nerven des eigenen Körpers an und schädigt diese. Um das Immunsystem zu bremsen, nehmen die Betroffenen hochdosiert Cortison ein. Doch bei schweren Schüben sprechen sie teilweise auf die Medikation nicht an. Durch die Blutwäsche werden daher die Antikörper, die sich gegen den eigenen Körper richten, aus dem Blutkreislauf entfernt. Bei schweren Schüben sei die Immunapherese etabliert, heißt es in der Leitlinie zu MS.[3] Allerdings sei die Studienlage zur Wirksamkeit noch dünn.

Mehr Informationen zu der Therapie bei MS und dem Einsatz einer Blutwäsche, finden Sie in unserem Ratgeber.

Ein weiteres Einsatzgebiet der Immunapherese sind Entzündungen des Gehirns bei Autoimmun-Enzephalitis. „Ein berühmtes Beispiel, wer an einer Enzephalitis gestorben ist, ist der Eisbär Knut“, sagt Kielstein. „Den hätte man mit einer Immunapherese retten können.“

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Quellen:

  • [1] Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie: AWMF S1-Leitlinie Long/ Post-COVID. Leitlinie: 2022. AWMF: https://www.awmf.org/... (Abgerufen am 27.10.2022)

  • [2] Deutsche Gesellschaft für Nephrologie: Apheresetherapie bei Patientinnen und Patienten mit Long-/Post-COVID-Syndrom (aktualisiert), 11.08.2022: Aktualisierte Stellungnahme der Kommission Apherese der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie.. https://www.dgfn.eu/... (Abgerufen am 27.10.2022)
  • [3] Kommission Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie: Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica- Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen. Leitlinie: 2021. AWMF: https://www.awmf.org/... (Abgerufen am 27.10.2022)