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Ein Schnitt, ein wund gescheuerter Knöchel oder die Blase am Fuß: ­Kleine Wunden sind für den menschlichen Körper eigentlich kein Problem. Blutgerinnung, Blutplättchen, Immunsystem und die Bildung neuer Zellen schließen solche Beschädigungen der Haut meist innerhalb von Tagen. Zurück bleibt im schlimmsten Fall eine Narbe. Es gibt jedoch Fälle, in denen sich eine Wunde über Wochen eben nicht schließen will. Dann gilt es zunächst, die Ursache zu finden und zu behandeln, zum Beispiel verengte Beinarterien mit einem Kathetereingriff zu weiten.

Viele Wunden schließen sich nicht, trotz Behandlung

Besonders oft betroffen von chronischen Wunden sind Menschen mit Diabetes. Dabei spielen zum Beispiel Nervenschäden infolge des erhöhten Blut­zuckers eine Rolle, der Fokus liegt auf den Füßen: So wird etwa eine Blase aufgrund der verminderten Empfindung nicht bemerkt. Sie erweitert sich daraufhin zur tiefen Wunde. Die oft ebenfalls verschlech­terte Durchblutung kann aber nicht genug Zellen und Stoffe herbeischaffen, um die Wunde zu schließen. Bis zu 30 Prozent der Erkrankten leiden im Laufe ihres Lebens an einem diabetischen Fußsyndrom, also chronischen Wunden am Fuß.

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Ersatz für kaputte Zellen

Weltweit tüfteln Forscher an neuen Methoden, um insulinproduzierende Zellen in den Körper von Menschen mit Typ-1-Diabetes zu bringen. Wie weit ist die Wissenschaft? zum Artikel

Die Behandlung von chronischen Wunden ist schon deshalb schwierig, weil die zugrunde liegende Erkrankung sehr häufig Bestand hat. Außerdem stellt eine offene Wunde stets ein Einfallstor für Krankheitserreger dar, zu denen nicht selten antibio­tikaresistente Bakterien gehören. Trotz aufwendiger Versorgung mit Reinigungen, Wundauf­lagen und Verbänden, ist die Zahl der Wunden, die nicht geschlossen werden können, entsprechend hoch.

Kaum gute Studien

Wegen dieses hohen Bedarfs ist auch die Zahl an Forschungsansätzen zur Heilung chronischer Wunden fast unüberschaubar. „Einige dieser Ansätze werden in der Klinik angewendet, obwohl es kaum hochwertige Studien gibt“, sagt Dr. Berthold Amann, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Franziskus-Krankenhaus Berlin. Der Gefäßspezialist sieht in den neuen Therapien bislang keinen Ersatz für die Wundversorgung, wie sie in den aktuellen Leitlinien beschrieben wird. „Unverzichtbar ist zudem die Behandlung der Grund­erkrankung“, so der Experte. Ohne eine generell verbesserte Durchblutung helfe ­etwa auch die Bildung neuer Blutgefäße in der Wunde nicht.

Amann warnt deshalb davor, Wunder von den neuen Methoden zu erwarten – die zudem selten von der Krankenkasse bezahlt werden. Im Fokus stehen zum Beispiel diese drei Methoden:

Zentrifugieren

plättchenreiches Blutplasma

Oberhaut Lederhaut Unterhaut

1 120 ml eigenes Blut.

2 Plasma mit Blutplättchen.

3 Die Blutplättchen werden aufgelöst (Lyse).

4 Substanzen werden konzentriert.

5 Konzentrat wird auf die Wunde gestrichen.

6 Fördert Wachstum von Bindegewebe.

7 Regt eventuell Bildung von Gefäßen an.

8 Hautzellen wachsen, Wunde schließt sich.

kaltes Plasma

Bakterien Elektrode Oberhaut Lederhaut Unterhaut

1 Energie schlägt Elektronen frei

2 Es entsteht ein Gemisch aus reaktiven Teilchen und Elektronen

3 Reaktive Teilchen im Plasma töten Keime

4 Die Entzündung kann abklingen, Heilung setzt ein

5 Neue Zellen und Gefäße bilden sich

Stammzelltherapie

Boten-stoffe defekteBlutgefäße Entzündungs-förderndeImmunzellen Oberhaut Lederhaut Unterhaut

1 Spendergewebe enthält Stammzellen

2 MethoZellen werden aus dem Gemisch isoliert

3 Stammzellen werden im Labor vermehrt

4 Lösung mit den Zellen wird aufgetropft.

5 Stammzellen regen die Bildung heilungsfördernder Immunzellen im Gewebe an

6 Fördern die Neubildung von Blutgefäßen

Plättchenreiches Blutplasma

Plättchenreiches Blutplasma wird aus Eigenblut gewonnen. Die Methode wird schon lange in der Faltenkosmetik angewendet – mit fraglichem Erfolg. Sie scheint jedoch ­einen positiven Effekt auf die Heilung flächiger Wunden zu haben, auch wenn die exakten Wirkmechanismen unverstanden sind und Effekt nicht gut belegt sind.

Kaltes Plasma

Kaltes Plasma ist eine physika­lische Methode, durch die reaktive Sauerstoff- und Stickstoffspezies sowie verschiedene Formen von Strahlung über der Wunde erzeugt werden. Die Temperatur dieses Plasmas übersteigt kaum die Körpertemperatur, daher heißt es „kalt“. Die Methode soll die Wundheilung fördern. Der ­Effekt ist ansatzweise belegt, erst im September erschien eine weitere Untersuchung, die eine Wirksamkeit nachweisen soll. Amann gibt aber zu bedenken, dass die Patientinnen und Patienten, die im Rahmen solcher Studien behandelt werden, sehr viel häufiger einen Verbandswechsel und ärztliche Betreuung erhalten als beim Standardverfahren. Der Gemeinsame Bundesausschuss ­G-BA hat im Februar 2023 eine Erprobung in Auftrag gegeben, die zeigen soll, ob eine Kostenerstattung sinnvoll ist.

Stammzelltherapie

Eine Zulassung als „somatische Zelltherapie“ hat schließlich ein Produkt aus Stammzellen erhalten. Hier ist nach Studien zumindest nachvollziehbar, welche Faktoren aus den Stammzellen die Wundheilung anregen könnten. Vor allem eine Umstellung der Immunzellen von entzündlichen auf heilungsfördernde Fresszellen, Makrophagen genannt, scheint wichtig zu sein. Tiefere Einblicke in diese Mechanismen könnten künftig die Heilung chronischer Wunden unterstützen. Bis dahin wird wohl noch vieles ausprobiert.

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Füsse

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Quellen:

  • IQWIG: Chronische Wunden. https://www.gesundheitsinformation.de/... (Abgerufen am 18.09.2023)
  • IQWIG: Diabetischer Fuß: Vorbeugung von Wunden. https://www.gesundheitsinformation.de/... (Abgerufen am 18.09.2023)
  • Paul Ehrlich Institut: Somatische Zelltherapeutika. https://www.pei.de/... (Abgerufen am 18.09.2023)
  • Cochrane Library Cochrane Database; Martinez-Zapata MJ et al: Autologous platelet-rich plasma for treating chronic wounds (Review). In: Cochrane Library 25.05.2016, 5: 1-56
  • Stratmann B. et al: Effect of Cold Atmospheric Plasma Therapy vs Standard Therapy Placebo on Wound Healing in Patients With Diabetic Foot Ulcers , A Randomized Clinical Trial. https://jamanetwork.com/... (Abgerufen am 18.09.2023)
  • Rached NA et al: Citation: Abu Rached, N.; Kley, S.; Storck, M.; Meyer, T.; Stücker, M. Cold Plasma Therapy in Chronic Wounds—A Multicenter, Randomized Controlled Clinical Trial (Plasma on Chronic Wounds for Epidermal Regeneration Study): Preliminary Results. J. Clin. Med. 2023, 12, 5121. https://doi.org/ 10.3390/jcm12155121 Academic Editor: Erwin S. Schultz Received: 13 June 2023 Revised: 27 July 2023 Accepted: 2 August 2023 Published: 4 August 2023 Copyright: © 2023 by the authors. Licensee MDPI, Basel, Switzerland. This article is an open access article distributed under the terms and conditions of the Creative Commons Attribution (CC BY) license (https:// creativecommons.org/licenses/by/ 4.0/).Journal of Clinical Medicine Article Cold Plasma Therapy in Chronic Wounds—A Multicenter, Randomized Controlled Clinical Trial (Plasma on Chronic Wounds for Epidermal Regeneration Study): Preliminary Results. In: Journal of Clinical Medicine 04.08.2023, 12: 1-17
  • Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie: Rationaler therapeutischer Einsatz von kaltem physikalischem Plasma. Leitlinie: 2022. (Abgerufen am 18.09.2023)

  • Kerstan A. et al: Allogeneic ABCB5D Mesenchymal Stem Cells for Treatment-Refractory Chronic Venous Ulcers: A Phase I/IIa Clinical Trial. In: JID Innovations 02.01.2022, 2: 1-16