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Das Transkript zur Folge 210 mit Georg Baum:

Ein Interview über wirtschaftlicheEngpässe in Kliniken mit...

Baum, Georg. Volkswirt. Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft seit 15 Jahren. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft ist der Dachverband aller Trägerverbände von Krankenhäusern.

Trägerverband heißt, der Deutsche Städtetag für städtische Krankenhäuser, der Deutsche Landkreistag für Kreiskrankenhäuser. Die Caritas für die katholischen Krankenhäuser. Die Diakonie für die evangelischen Krankenhäuser. Universitätskliniken haben einen Verband, der bei uns Mitglied ist. Und die privaten Krankenhäuser und der private Krankenhausverband.

Alle und noch einige mehr, die Arbeiterwohlfahrt, das Deutsche Rote Kreuz, alle die Krankenhäuser haben und einer Organisation angehören, sind unter dem Dach der Deutschen Krankenhausgesellschaft vertreten. Sodass wir offizieller Vertreter der Krankenhäuser in Deutschland sind.

Wieso entstanden in der Pandemie finanzielle Engpässe in Kliniken?

Die Krankenhäuser stehen bei der Bewältigung der Pandemie im Mittelpunkt. Die Politik hat ja zur zentralen Zielsetzung bei der Bekämpfung der Pandemie erklärt, dass das Gesundheitswesen gesichert sein muss, weil nur so die Pandemie bewältigt werden kann. Das spielen die Krankenhäuser, die Intensivstationen... Alle schweren Patienten kommen in die Krankenhäuser.

Die wirtschaftlichen Folgen für die Krankenhäuser durch die Pandemie sind natürlich beträchtlich. Weil wir finanziert werden wie ein Unternehmen. Wir müssen Leistung erbringen und erhalten dafür Geld, Erlöse.

Und in dem Moment, wo wir nur pandemiebedingt arbeiten können... Das fing damit an, dass wir... Abteilungen, Stationen freihalten mussten räumen mussten. In den Patientenzimmern konnten nur noch wenige Betten belegt werden. Aus Infektionsschutzgründen. Die Intensivstationen mussten freigehalten werden. Insgesamt musste das medizinische Leistungsspektrum auf das möglichst Notwendigste reduziert werden.

Und das führt dann bei den Krankenhäusern zu Erlösverlusten. Zu weniger Einnahmen. Und gleichzeitig, und das ist das schwierige, sind die Kosten enorm gestiegen. Die Krankenhäuser mussten Infektionsvorkehrungen betreiben, bis hin zu deutlich höheren Kosten für persönliche Schutzausrüstung für das Personal.

Das heißt, wir haben Erlösreduzierungen durch die Corona-Krise. Und wir haben mehr Kosten. Und das macht sich bei den Krankenhäusern bemerkbar. Das weiß natürlich auch die Bundesregierung. Hat Hilfsmaßnahmen, hat einen Rettungsschirm für das Jahr 2020 konstituiert, der Teile dieser Kosten ausgleicht. Aber wie wir am Ende des Jahres sehen, natürlich nicht reicht.

Wie kann die Politik diese Situation verbessern?

Der Rettungsschirm sah vor, dass wenn Krankenhäuser im Vergleich zum Vorjahr weniger Patienten hatten, weniger Erlöse hatten, dass es dafür tageweise entsprechende Ausgleichssätze gab. Das war die Regelung im Jahr 2020. Zusätzlich gab es eine Regelung, dass man am Ende des Jahres  insgesamt bilanziert. Und wenn ein Differenzbetrag ab einer bestimmten Höhe  dann übrig bleibt,  gibt es noch mal Ausgleiche. Wir nennen das Jahres-Spitzabrechnung.

Die ist aber erst im März nächsten Jahres möglich.  Sodass man erst im März nächsten Jahres sieht,  wie die tatsächlichen, auch nicht finanzierten Lasten der Krankenhäuser waren. Viele Komponenten gehen aber in diese Rechnung nicht ein.

Zum Beispiel wenn die Krankenhäuser weniger ambulante Patienten hatten. Es werden nur die stationären gezählt. Und auch andere Leistungen der Krankenhäuser werden nicht berücksichtigt, sodass wir davon ausgehen, dass viele Lasten gleichwohl, obwohl es einen Rettungsschirm gibt, nicht getragen werden.

Neu ist die Situation ab diesem Jahr, ab Januar. Da ist es so, dass nur noch bestimmte Kliniken diese Ausgleichszahlung bekommen. Nur Kliniken, die in Gebieten sind, wo wir einen Inzidenzwert von über 70 haben. Und auch nur, wenn die Intensivstationen zu 75 Prozent voll sind. Erst dann bekommen Kliniken Ausgleichszahlungen. Und das geht nur noch 14 Tage, bis zum 31. Januar.

Da brauchen wir unbedingt in den nächsten Tagen politische Entscheidungen über eine sinnvolle Anschlussregelung. Die viel mehr Krankenhäuser in den Ausgleich mit einbezieht. Und die den Krankenhäusern auch Sicherheit gibt, wie am Jahresende abgerechnet und bilanziert wird.

Das muss alles schnellstens festgelegt werden. Ansonsten hängt über den Krankenhäusern ein hohes Maß an wirtschaftlicher Unsicherheit. Nichts ist schädlicher in diesen Tagen als diejenigen, die im Mittelpunkt der Rettung stehen, mit wirtschaftlichen Problemen  zu belasten. Krankenhäuser abzusichern heißt, die Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens in dieser schwierigen Phase absichern. Deshalb muss das schnell entschieden werden.

Was kann man aus dieser Krise lernen?

Die ist natürlich außergewöhnlich. Was man besser machen muss... was aber immer noch nicht funktioniert, dass man rechtzeitig die  Rahmenbedingungen für die Krankenhäuser an die Situation anpasst.

Jetzt ist wieder ein Zustand, der eigentlich... Wir haben, man könnte sagen, aus der Vergangenheit nichts gelernt. Wenn wir nur noch 14 Tage eine Finanzierungsnotregelung haben, dann ist es falsch, es ist höchste Zeit, dass die Krankenhäuser wissen, wie es am 01. Februar weitergeht.

Das heißt, schnell, vorrausschauend Regelungen treffen. Damit alle Planungssicherheit haben, dass sie sich drauf einstellen können. Das ist etwas, was man schon daraus hätte lernen müssen. Und das ist eben die Konsequenz, die man ziehen muss.

Ansonsten muss man darüber nachdenken, was wir ja auch insgesamt tun, über unser Finanzierungssystem.  Dass Krankenhäuser wie Wirtschaftsunternehmen bezahlt werden. Kommen viele Patienten, geht es auf am Jahresende. Komm weniger Patienten, macht man Verluste.

Dass man sagt, Krankenhausfinanzierung muss stärker als Vorhaltefinanzierung gesehen werden. Die sind da, sichern medizinische Versorgung ab, sodass der Jahresgeldbedarf eines Krankenhauses nicht nur alleine von der Zahl der Patienten abhängt. Sondern eine stärkere, ich will nicht sagen, totale Komponente in eine Bestandsfinanzierung, eine Jahresbudgetfinanzierung reinkommen.

Die zu verstärken, die Komponente, darüber muss man nachdenken. Das tun wir seit Längerem in den Krankenhausverbänden in Diskussionen mit der Politik. Aber das ist wie überall im Gesundheitswesen ein zäher Prozess. Aber ich denke, das ist eine Konsequenz aus der Pandemie, dass man stärker stabile Finanzierungskomponenten ins System muss.

Und die Erkenntnis ist hoffentlich auch die, dass es gut ist, wenn man im ganzen Land verstreut viele Krankenhäuser hat. Lieber ein paar mehr Bettenkapazitäten als zu wenig. Weil wenn es drauf ankommt, sind Krankenhäuser medizinische Daseinsvorsorge. Da sollte man Kapazitäten nicht auf Kante nehmen. Sondern lieber großzügig denken. Das sind auch die positiven Konsequenzen, die sich für die Krankenhäuser aus der Pandemie ergeben.

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