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Das Transkript zur Folge 239 mit Dr. Bernward Siegmund:

Ein Interview über Burnout mit...

Mein Name ist Bernward Siegmund. Ich bin Arzt und stellvertretender ärztlicher Direktor an der LWL-Klinik in Lengerich.

Was ist Burnout?

Burnout bedeutet ja übersetzt "ausgebrannt sein". Und ich glaube, das beschreibt eigentlich dieses Gefühl, was Menschen dann haben, recht gut. Symptome sind durchaus auch vergleichbar mit denen einer Depression. In die ein Burnout auch einmünden kann.

Und die meisten Menschen, die unter Burnout leiden, beschreiben so was wie eine beginnende Konzentrationsstörung. Vielleicht auch, dass die Motivation, die Arbeit betreffend oder soziale Kontakte betreffend, reduziert ist.

Oft bemerkt das Umfeld, dass Menschen empfindlicher reagieren. Dünnhäutiger, gereizter werden. Unruhig werden, angespannt sind. Und letztlich kann es zum sozialen Rückzug kommen. Subjektiv, die Menschen selber, erleben so einen Energieverlust. Körperlich erschöpft, träge. Aber auch mental, dass man sagt, ich bin psychisch erschöpft. Emotional, auch von den Gefühlen her, erschöpft.

Und ja, woher kommt das? Das ist wahrscheinlich eine... vielleicht eine Anpassungsstörung an eine Berufsrealität. Und vielleicht den eigenen Ansprüchen auch an diese Arbeit. Und wenn das in einem unguten Verhältnis zueinander steht, können Menschen mit einem Burnout reagieren. Und wenn das fortlaufend immer weiter geht, können weitere Erkrankungen, auch eine Depression, entstehen.

Wie äußert sich Burnout?

In der Regel ist es so, dass es am Anfang eine Phase gibt, wo es Warnsymptome gibt. Man ist... Man investiert viel Energie, man versucht, die viele Arbeit wegzuschaffen. Ihr gerecht zu werden. Man bemerkt am Ende eines Arbeitstages eine starke Erschöpfung. Das ist eine allererste Phase. Und das an sich ist vielleicht auch gar nicht gefährlich.

Wenn man dann bemerkt, dass das weitergeht und dass man nicht nur bei der Arbeit, sondern auch im Familien- oder Freundeskreis sein Engagement reduziert, sollte man vorsichtiger werden. Das ist zum Teil sogar so, dass man erhöhte Ansprüche an dieses Umfeld stellt. Man verlangt mehr von seinen Arbeitskollegen. Von seiner Familie, von den Kindern. Dass man sagt: "Mensch, das musst du machen. Ich schaffe das nicht." Das ist zum Teil so, dass diese Ansprüche auch wenig empathisch vermittelt werden, auch sehr fordernd.

Es gibt dann auch immer mehr negative Emotionen. Eine dritte Phase. Man sagt, die Stimmung ist auch anhaltender gedrückt. Oder es gibt aggressive Impulse, die einem sonst fremd waren. Es bilden sich Schuldgefühle oder es gibt Schuldzuweisungen. Wo man sagt: "Das ist gar nicht typisch für mich. Bevor ich so gestresst oder überarbeitet war."

Wenn man weiterschaut, ist es bei vielen im Burnout-Prozess so, dass sie irgendwann bemerken, und der Punkt kommt erstaunlicherweise sehr plötzlich, dass man auf einmal die kognitive Leistungsfähigkeit nicht mehr hat. Dass es auf einen Schlag richtig reduziert ist. Das kann eine Nacht sein mit wenig Schlaf. Dass man sagt, ich kann mich gar nicht mehr konzentrieren. Und man bemerkt diese Konzentrationsstörung als sehr fremd. Oder Menschen, die kreativ tätig sind, erleben sich als nicht mehr so kreativ. Die Motivation für alles, auch für die Arbeit, bricht irgendwann weg.

Dann kommt der Punkt, dass man emotional, sozial verflacht. Man hat für Menschen, die einem lieb und teuer sind, Familie, Freunde, Lebensgefährtin oder Lebensgefährte, auf einmal wenig Gefühl. Ist affektiv verflacht. Und zieht sich letztlich auch aus dem sozialen und familiären Leben zurück.

Dann ist eigentlich so der Punkt, wenn es dann weiter fortschreitet, dann beginnen auch Erkrankungen. Zum Teil psychosomatische Erkrankungen, wo Menschen zunächst körperliche Symptome bemerken, die sich aber durch die Psyche erklären. Oder eben auch oft münden... Dann mündet der Burnout ein in die Entwicklung einer Depression. Einer leichten oder mittelgradig bis schweren Depressionen. Und das sind die Phasen, wo es wirklich erforderlich ist, dass man sich professionelle Hilfe und Unterstützung holt.

Wie behandelt man ein Burnout?

Da ist es gar nicht so sehr, dass man es behandelt. Sondern dass man durch Aufklärung versucht, sowohl den Arbeitgeber, das Arbeitsumfeld, zu informieren. Und mitzunehmen in dem Bestreben, den weiteren Prozess zu beenden. Aber auch den Betroffenen oder die Betroffene selbst. Und, ähm... Ja, das ist so, dass man im Prinzip... Es gibt ja auch Faktoren, die ein Burnout möglicherweise verhindern können. Die prophylaktisch wirken.

Wir alle in der Gesellschaft tun gut daran, wenn wir Faktoren, die protektiv wirken, berücksichtigen. Und versuchen zu fördern. Es kann sein, dass man sagt, eine Tagesstruktur zu haben ist ja nichts Schlechtes. Dass es feste Zeiten gibt für Mahlzeiten, für Pausen, aber eben auch für die Arbeit. Und es gibt Zeiten, wann die Arbeit am Tag beendet wird. Das ist schon sinnvoll.

Es gibt aber auch andere Sachen, die protektiv wirken. Wenn man sagt, jemand macht eine Arbeit und erlebt eine Selbstwertsteigerung. Oder identifiziert sich mit einer sinnvollen Arbeit. Das ist gut und kann ein Burnout verhindern. Weil negativ gesagt, wenn man etwas Sinnfreies tut, anhaltend, und dann viel zu viel davon tun soll, ist das eben auch ein Risiko fürs Burnout.

Das heißt, auch wenn man gelegentlich ein Erfolgserlebnis hat bei der Arbeit, ist das hilfreich. Wertschätzung, Austausch mit Kollegen... können protektiv sinnvoll sein. Oder eben auch, dass man keine monotone Arbeit macht, sondern auch... manchmal die Arbeit wechselt.

Das ist vielleicht etwas, dass aus dem Menschen selbst oder dem Betrieb kommt, es gibt aber auch Unterstützung von außen. Arbeitskollegen empathisch zuhören, so wie Sie mir zuhören. Vielleicht geduldig sind. Auch wenn Menschen nicht schnell auf den Punkt kommen. Oder auch den Eindruck zurückmelden, und sagen: "Mir fällt auf, dass du dich verändert hast." Das selber ist auch schon hilfreich.

Hilfreich ist auch, wenn man Menschen, die überlastet sind, die Unterstützung zusichert. Sofern einem das selber möglich ist. Oder letztendlich, wenn man an den Punkt kommt, wo man sagt, ich kann ihm oder ihr nicht weiterhelfen, dass man sagt, vielleicht ist es eine Vorstufe dieser Erkrankung. Vielleicht ist es eine Depression und man vermittelt professionelle Hilfe.

Das heißt... eine Depression sollte, wenn es dazu gekommen ist, schon auch von Fachfrauen und -männern behandelt werden. Das ist eine klare Empfehlung, sich spätestens dann professionelle Hilfe zu holen. Und nicht mit dem Arbeitgeber oder sich selbst auszumachen.

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