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Etwa 40 Prozent aller pflanzlichen Arzneimittel, die in der Apotheke gekauft werden, sollen gegen erkältungsbedingte Atemwegserkrankungen wie Husten helfen.

Was versteht man unter pflanzlichen Arzneien?

Pflanzliche Arzneimittel (Phytopharmaka) enthalten als Wirkstoffe verarbeitete Pflanzenteile wie ätherische Öle, Extrakte oder Pulver. „Die Pflanzen müssen eine pharmazeutische Qualität vorweisen. Das ist ein riesiger Unterschied zu Nahrungsergänzungsmitteln, wie es sie etwa in der Drogerie gibt“, erklärt Robert Fürst, Professor für Pharmazeutische Biologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

Das bedeutet, es ist geregelt, wie Arzneipflanzen angebaut und verarbeitet werden. Nach der Ernte werden die Pflanzenteile unter anderem auf ihre Wirkstoffe, Haltbarkeit und auf Bakterien und Pestizide geprüft. Fachapothekerin Margit Schlenk aus Nürnberg erklärt: „In der Apotheke geht die Patientin oder der Patient sicher, dass beispielsweise jedes Dragee in jeder Packung immer die gleiche Menge Wirkstoff enthält.“ Außerdem ist sichergestellt, dass die Produkte nicht verunreinigt sind.

Wann werden pflanzliche Arzneien zugelassen?

Bevor ein pflanzliches Arzneimittel zugelassen wird, muss es sich in Studien als wirksam erweisen. „Und außerdem als nebenwirkungsarm und unbedenklich“, weiß Margit Schlenk. Für chemisch-synthetische Wirkstoffe muss ein Hersteller dafür eine große klinische Studie durchführen. Nur dann kann eine sogenannte Vollzulassung folgen. Unter Hustenmitteln gibt es kein einziges pflanzliches Produkt mit einer solchen Vollzulassung. „Bei pflanzlichen Arzneimitteln haben wir in Europa eine Besonderheit“, erklärt Fürst. „Es gibt einen weiteren Weg der Zulassung. Und zwar über die Kategorie Well-Established Use (WEU).“ Das bedeutet so viel wie „anerkannte medizinische Verwendung“.

Auch für eine WEU-Zulassung braucht es wissenschaftliche Belege. Fürst weiß: „Meist gibt es nicht eine große, sondern mehrere kleinere Studien und Nachweise aus der Literatur, die man zusammenfassen kann. Sagt das zuständige europäische Komitee, dass diese Studienlage ausreicht, dann hat man genug Evidenz“ – also genügend wissenschaftliche Belege. Ist das Produkt außerdem schon zehn Jahre auf dem Markt, kann beides zusammen für die WEU-Zulassung reichen.

Eine solche Zulassung hat in Deutschland unter anderem ein bestimmtes Thymian-Primelwurzel-Gemisch, das als Schleim­löser bei Husten eingesetzt wird. Eine Studie belegte, dass Personen, die das Arzneimittel einnahmen, nach zehn Tagen weniger und schwächere Hustenbeschwerden hatten als solche, die kein Mittel genommen hatten. „Generell kann man sagen, dass man sich mit zugelassenen pflanzlichen Hustenmitteln etwa ein bis drei Tage Husten spart“, erklärt Fürst.

Was ist ein „traditionelles Mittel“ – und wie wirksam ist es?

Wenn die wissenschaftlichen Belege nicht für eine Voll- oder WEU-Zulassung ausreichen, kann eine pflanzliche Arznei unter bestimmten Voraussetzungen als traditionelles Mittel registriert werden. „Bei den traditionellen Anwendungen gibt es meist nur Studien oder eben Daten, die nicht den moderneren klinischen Anforderungen entsprechen“, erklärt Schlenk. Dann kann man nicht von strenger Evidenz sprechen. Das ist zum Beispiel bei Kamille der Fall. Trotzdem, erklärt Fürst, könne Kamille durchaus entzündungshemmend und antibakteriell wirken: „Jeder erfahrene Arzt wird das bestätigen.“ Robert Fürst nennt das „Erfahrungsevidenz“: „Die Mehrzahl der Arzneipflanzen ist nicht in ausreichend guten klinischen Studien untersucht. Es geht hier nicht darum, dass diese Mittel keine Evidenz haben, sondern dass die Evidenz eben auf einem niedrigeren Niveau ist.“

Wann werden „traditionelle Mittel“ als Arznei registriert?

Für eine Registrierung zur traditionellen Anwendung muss eine Arznei unter anderem nachweislich seit über 30 Jahren verwendet werden.

Worauf man sich sowohl bei zugelassenen als auch bei registrierten Produkten verlassen kann, ist die pharmazeutische Qualität der Inhaltsstoffe. Wer ganz sichergehen will, ein Präparat mit belegter Wirksamkeit zu erhalten, lässt sich am besten in der Apotheke beraten.


Quellen:

  • ABDA: Evidenz bei pflanzlichen Arzneimitteln. Online: https://www.abda.de/... (Abgerufen am 07.12.2023)
  • European Medicines Agency: Frequently asked questions. Online: https://www.ema.europa.eu/... (Abgerufen am 07.12.2023)
  • Pharmazeutische Zeitung: Monographien als Richtschnur, Pflanzliche Arzneimittel. Online: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/... (Abgerufen am 07.12.2023)
  • Kemmerich B.; Practice for Internal Medicine and Pneumology, Munich, Germany;: Evaluation of Efficacy and Tolerability of a Fixed Combination of Dry Extracts of Thyme Herb and Primrose Root in Adults Suffering from Acute Bronchitis with Productive Cough. Online: https://www.thieme-connect.com/... (Abgerufen am 07.12.2023)