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Die Ständige Impfkommission, kurz STIKO, wird bei ihrer nächsten Sitzung am 12. und 13. März einen Restart hinlegen.[1] Zwölf der bisherigen 17 Mitglieder werden ausgetauscht, die Kommission verjüngt und personell um zwei zusätzliche Fachleute aufgestockt – aus den bis dato nicht vertretenen Disziplinen des Modellierens und der Kommunikation.

Die STIKO ist die Kommission, die Nutzen und Risiken von Impfstoffen sowohl für die geimpfte Person als auch für die gesamte Bevölkerung in Deutschland nach wissenschaftlichen Kriterien bewertet und entsprechende Empfehlungen für die Ärzte ausgibt, die letztlich die Spritze geben. Das Expertengremium sichtet Informationen hochwertiger Studien, die rund um einen meist neuen Impfstoff bekannt sind. Oft handelt es sich um Impfstoffe für Kinder, aber auch für ältere Erwachsene und Risikogruppen. Der Einfluss der STIKO auf das Krankheitsgeschehen ist mithin groß. Das hat sich bei der Corona-Pandemie deutlich gezeigt.

Mit Prof. Dr. Constanze Rossmann wurde erstmals eine Kommunikationsexpertin in die STIKO berufen

Mit Prof. Dr. Constanze Rossmann wurde erstmals eine Kommunikationsexpertin in die STIKO berufen

Unabhängig vom Druck aus Politik und Industrie

Gerade in der Pandemie geriet das Gremium aber immer wieder in die Kritik, als es sich zum Beispiel mit einer Empfehlung der Corona-Impfstoffe für Kinder überaus lange Zeit ließ. Schwerfällig wie ein Tanker sei die Kommission. Ein Vorwurf, den Prof. Dr. Ulrike Protzer so nicht nachvollziehen kann. Die Direktorin des Instituts für Virologie an der Technischen Universität München und bei Helmholtz Munich ist kein Mitglied der STIKO. Sie attestiert dem Gremium, „dass es sich nicht von Politik und Industrie hat unter Druck setzen lassen, wenn es noch keine Infos zu bestimmten Impfungen gab, sondern abgewartet hat, bis die entsprechenden Daten und damit die Evidenz da war. Dann hat sie aber auch sehr klare Empfehlungen gegeben.“ Derlei unabhängige Arbeit erwarte sie auch von der neuen Besetzung.

Den Restart sieht sie mit gemischten Gefühlen. Einerseits sei mit den Wechseln „viel Erfahrung verlorengegangen.“ Die Virologin beklagt vor allem, dass weniger praktisch tätige Ärzte im Gremium vertreten seien, „die halt viel impfen, sei es Kinder, sei es Erwachsene. Das ist vielleicht nicht ganz so gut repräsentiert, wie es sein sollte, weil diese Kolleginnen und Kollegen ja ihre wertvollen Erfahrungen mit den Patienten beziehungsweise mit den Eltern von Kindern in die Entscheidungsfindung der Kommission einbringen.“

Prof. Dr. med. Ulrike Protzer leitet das Institut für Virologie an der Technischen Universität München.

Prof. Dr. med. Ulrike Protzer leitet das Institut für Virologie an der Technischen Universität München.

Andererseits, sagt Protzer, „ist die Neubesetzung der STIKO schon gut – man hat neue Experten gefunden, die neue Aspekte hineinbringen.“ Wie zum Beispiel das Modellieren. Es sei allerdings nicht einfach, Expertinnen und Experten dafür zu gewinnen. Denn das Dasein als Kommissionsmitglied ist ein Ehrenamt, das nicht vergütet wird und in dem man gerne noch beschimpft werde für seine Arbeit. „Ein wahnsinnig attraktiver Job ist das nicht“, sagt die Münchner Virologin.

Bald eine Impf-Empfehlungen zum Schutz vor RSV

Prof. Dr. Stefan Flasche von der Berliner Charité hat die Berufung in das Gremium dennoch gerne angenommen. Er hofft, dass seine künftige STIKO-Arbeit eine „belohnende Erfahrung“ sein wird. Der Mathematiker vertritt eine im Gremium neue Disziplin: die computergestützte Modellierung von Impfeffekten. „Wir erstellen digitale Modelle, wie sich ein direkter individueller Impfschutz zum Beispiel auf die Übertragungswahrscheinlichkeit eines Erregers in der gesamten Bevölkerung auswirken kann“, sagt Flasche.

Der Mathematiker Prof. Dr. Stefan Flasche errechnet am Charité Center for Global Health in Berlin, wie Infektionen sich in der Bevölkerung unter verschiedenen Bedingungen in der Bevölkerung verbreiten.

Der Mathematiker Prof. Dr. Stefan Flasche errechnet am Charité Center for Global Health in Berlin, wie Infektionen sich in der Bevölkerung unter verschiedenen Bedingungen in der Bevölkerung verbreiten.

Ziel: Das Vertrauen in die STIKO wieder herstellen

Die zweite Neu-Expertise in der Kommission: die Kommunikationswissenschaft, vertreten durch Prof. Dr. Constanze Rossmann von der LMU München. Mit ihrer Berufung soll die Kommunikation der STIKO ein noch stärkeres Gewicht bekommen als bisher. Denn im Medienzeitalter nutzt die beste Impfempfehlung nichts, wenn sie nicht professionell und vertrauenswürdig an die Frau und an den Mann gebracht wird.

„Man konnte während der Pandemie feststellen, dass das Vertrauen in Gesundheitsinstitutionen wie die STIKO gesunken ist“, sagt Rossmann, „daher sollten wir künftig noch mehr so kommunizieren, dass die STIKO als vertrauensvolle Institution wahrgenommen wird. Das heißt, transparent zu machen: Wie arbeitet die STIKO? Wer sind die Mitglieder? Auch, dass sie unabhängig sind – und das so zu erklären, dass es die Bevölkerung gut versteht und den Prozessen vertrauen kann.“

Das Vertrauen in Empfehlungen stärken

Die STIKO beschäftigt sich neben der Bewertung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu Nutzen und Risiken von Impfstoffen auch mit der Akzeptanz von Impfstoffen in der Bevölkerung. „Durch die Pandemie hat die Akzeptanz von Impfungen generell abgenommen“, sagt Rossmann, „gute Kommunikation ist für die Akzeptanz von Impfungen entscheidend. Daher ist es mein Anliegen, die STIKO in Bezug auf effektive und evidenzbasierte Kommunikation zu unterstützen.“ Die Kommunikationswissenschaftlerin wünscht sich mittelfristig im Gremium noch mehr Personen aus sozialwissenschaftlichen und psychologischen Fächern.

Wie für alle Mitglieder, gilt auch für Rossmann die neue Regel, dass jedes STIKO-Mitglied maximal drei Berufungsperioden à drei Jahren absolvieren darf. Dann ist Schluss.


Quellen:

  • [1] Ständige Impfkommission (STIKO): Ständige Impfkommission (STIKO). https://www.rki.de/... (Abgerufen am 08.03.2024)
  • [2] Koltai M, Krauer F, Hodgson D et al.: Determinants of RSV epidemiology following suppression through pandemic contact restrictions. Epidemics: https://doi.org/... (Abgerufen am 08.03.2024)
  • [3] Robert Koch-Institut: RSV-Infektionen, RKI-Ratgeber. https://www.rki.de/... (Abgerufen am 08.03.2024)