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Die Oberschenkel brennen, die Zeit vergeht quälend langsam, während die Position gehalten wird. Wer schon einmal isometrische Übungen gemacht hat, weiß, wie anstrengend sie sein können. Für eine Studie verharrten Teilnehmerinnen und Teilnehmer zwei Minuten lang im Wandsitz. Weitere Testpersonen führten ähnliche Aufgaben aus. Bei diesen isometrischen Übungen spannt man bestimmte Muskeln an, ­ohne sie zu bewegen. Die Muskulatur wird also weder verkürzt noch gedehnt.

Wofür sind isometrische Übungen gut?

Zum Beispiel für den Blutdruck. So wollte die erwähnte Studie zeigen, wie effektiv isometrische Übungen hier unterstützen können. Denn laut Daten des Robert Koch-Instituts hat jeder und jede dritte Erwach­sene in Deutschland Bluthochdruck. Das bedeutet: Die Werte liegen in der Regel bei 140/90 mmHg oder darüber. Als normal beziehungsweise hochnormal gelten Werte bis 139/89 mmHg, optimal wären Werte unter 120/80 mmHg. Das Problem: Ist der Druck in den Gefäßen dauerhaft zu hoch, altern und verkalken die Gefäße früher und schneller. Zudem werden das Herz und andere Organe stark belastet und können Schaden nehmen. Das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall steigt. Nicht umsonst wird Bluthochdruck auch als „leiser Killer“ bezeichnet, da er oft lange Zeit unbemerkt und damit unbehandelt bleibt.

Die gute Nachricht: Man kann etwas dagegen tun. Zum einen mit Medikamenten, zum anderen durch Bewegung. Werden Muskeln beansprucht, wird mehr Blut durch den Körper gepumpt, die Gefäße erweitern sich, der Druck auf sie sinkt. Schon seit Langem ist bekannt, dass regelmäßige Bewegung helfen kann, Bluthochdruck vorzubeugen oder die Werte zu senken, sofern der Druck bereits zu hoch ist.

Bei der Messung des Blutdrucks werden zwei Werte ermittelt. Was bedeuten sie?

Das Blut fließt nicht gleichmäßig, das Herz pumpt es stoßweise durch den Körper. Daher werden zwei Werte gemessen:

Der höhere gibt den systolischen Druck an. Er baut sich im Herzen auf, während sich dieses anspannt und pumpt. ­Bei Gesunden liegt der Wert meist zwischen 110 und 130 mmHg.

Der niedrigere Wert zeigt den diastolischen Druck, während sich das Herz entspannt und weitet. Er sollte zwischen 80 und 89 mmHg liegen.

Welche Art von Bewegung wirkt am besten?

Mit genau dieser Fragestellung befasste sich ein britisches Forschungsteam und stellte dazu insgesamt 270 Studien auf den Prüfstand, darunter auch die bereits erwähnte. Nicht alle der fast 16.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Studienanalyse hatten Bluthochdruck, bei manchen war der Blutdruck nur leicht oder auch gar nicht erhöht. Alle trieben für mindestens zwei Wochen regelmäßig Sport – aber auf unterschiedliche Art und Weise. Anstatt isometrische Übungen zu machen, trainierten manche ihre Ausdauer mit Walken, Laufen oder Radfahren, andere absolvierten ein Krafttraining und wieder andere hochintensives Intervalltraining, kurz HIIT. Hierbei wechseln sich kurze Phasen (20 bis 60 Sekunden) intensiver Belastung und Pausen von 10 bis 30 Sekunden ab.

Das Ergebnis der Studienanalyse: Alle ­Arten von Bewegung helfen, den Blutdruck zu senken. Bei jenen Personen, die isome­trische Übungen gemacht hatten, fiel der Effekt jedoch am stärksten aus. Ihr systo­lischer Wert sank im Schnitt um etwa 8 mmHg, der diasto­lische um 4 mmHg. „Das ist relativ viel“, resümiert Prof. Dr. Torben Pottgießer, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie in Kirchzarten bei Freiburg.

Reicht isometrisches Training alleine aus?

Ob eine Person Medikamente gegen Bluthochdruck benötigt oder ob Bewegung – zum Beispiel isometrisches Training – ­alleine ausreichen kann, sei individuell verschieden, sagt Pottgießer. Sei jemand übergewichtig und bewege sich bislang wenig, könne eine Umstellung des Lebensstils, also mehr Bewegung und eine gesündere Ernährung, viel bewirken. Denn jedes Kilogramm weniger senkt den Blutdruck im Schnitt um 1 bis 2 mmHg (systolisch und diastolisch). Lebe die Person aber ohnehin schon so gesund wie möglich und habe trotzdem ­einen dauerhaft erhöhten Blutdruck, müsse man eher medikamentös eingreifen, erklärt Kardiologe Pottgießer. Natürlich kommt es auch auf die Höhe der Werte sowie auf weitere Risikofaktoren an. Bewegung kann aber in vielen Fällen helfen, die Dosis der Medikamente nach und nach zu verringern oder sie gar überflüssig zu machen.

Prof. Dr. Torben Pottgießer
aus Kirchzarten bei Freiburg ist Sprecher der Arbeitsgruppe Sport und Prävention im Bundesverband Niedergelassener Kardiologen.

Prof. Dr. Torben Pottgießer aus Kirchzarten bei Freiburg ist Sprecher der Arbeitsgruppe Sport und Prävention im Bundesverband Niedergelassener Kardiologen.

Isometrische Übungen sind aber kein alleiniges Heilmittel. Zumal es auf die Art der Übungen ankommt. So wirkten sich solche, bei denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lediglich mit ihren Händen etwas zusammendrücken mussten, weniger auf den Blutdruck aus als etwa der Wandsitz. Für Sportkardiologe Pottgießer ist das ­logisch: „Die beteiligten Muskelgruppen sind viel kleiner.“ Am besten bezieht man also einen möglichst großen Teil des Körpers in das Training mit ein.

Wie wirkt isometrisches Training?

Wie genau der Effekt zustande kommt, ist nicht geklärt. Das Autorenteam vermutet, dass es mit dem Widerstand der Gefäße zu tun hat. Während einer isometrischen Übung spannt man den Muskel – und damit die Blutgefäße, die ihn versorgen – für eine gewisse Zeit an. Entspannt man ihn wieder, strömt plötzlich eine große Menge Blut hinein. Dieser Wechsel trainiert womöglich die Gefäße, macht sie elastischer.

In den meisten Studien hielten die Probanden ihre Position für zwei Minuten, dann pausierten sie eine bis vier Minuten. Das Ganze viermal, an drei Tagen pro Woche. Ob auch weniger genügt, lässt sich anhand der Studienanalyse nicht beantworten. Insgesamt sind isometrische Übungen noch nicht so gründlich untersucht wie andere Trainingsformen. Das zeigt sich auch daran, dass die Anzahl der Studien zum isometrischen Training deutlich geringer war als ­die jener, in welchen die Teilnehmenden Kraft- oder Ausdauersport beziehungsweise Kombinationen davon absolvierten. Zudem unterschieden sich die Personengruppen zum Teil stark, etwa in Alter und Geschlecht.

Welche Übungen eignen sich am besten?

Im Patientenblatt der Nationalen Versorgungsleitlinie zum Bluthochdruck heißt es: „Sie sollten sich die Sportart aussuchen, die Ihnen Spaß macht. Wichtig ist, Sie bewegen sich überhaupt.“ Das ist sowohl für Pottgießer als auch seine Kollegin Dr. Susanne Berrisch-Rahmel aus Düsseldorf die Hauptbotschaft aus der neuen Studie. „Dinge, die man dauerhaft machen soll, müssen einfach Spaß machen und ins Leben passen“, sagt die Sportkardiologin. Isometrische Übungen sind den Ergebnissen zufolge zwar die Trainingsform mit dem größten Effekt.

Dr. Susanne Berrisch-Rahmel ist Fachärztin für ­Innere Medizin, ­Kardiologie und Sportmedizin. Sie leitet eine kardiologische Praxis in Düsseldorf.

Dr. Susanne Berrisch-Rahmel ist Fachärztin für ­Innere Medizin, ­Kardiologie und Sportmedizin. Sie leitet eine kardiologische Praxis in Düsseldorf.

Menschen mit Bluthochdruck haben jedoch oft weitere Probleme, die in der Analyse nicht berücksichtigt wurden. Hat der hohe Blutdruck bereits Schäden verursacht oder liegen andere Grunderkrankungen wie Diabetes vor, empfiehlt es sich, sport­liche Aktivitäten genau mit Ärztin oder Arzt abzustimmen. Die ungewohnte Anstrengung kann den Blutdruck zunächst ansteigen lassen. Wichtig: während der Übungen ruhig und tief weiteratmen. Also nicht in eine Art Press­atmung verfallen. Die sollte man bei Bluthochdruck oder vorgeschädigtem Herz-Kreislauf-System unbedingt vermeiden.

Was bringt eine Kombination aus isometrischen Übungen und Ausdauersport?

„Isometrische Übungen sind sicher nicht für alle das richtige und das einzige Mittel“, folgert Pottgießer. Zumal Ausdauersport weitere positive Effekte auf Stoffwechsel und Psyche hat. Pottgießer empfiehlt daher meist eine Kombination aus moderatem Kraft- und Ausdauersport. Oft scheitere es an der Regelmäßigkeit, sagt der Experte. „Die Leitlinien sagen: an den meisten Tagen der Woche.“ Ein- bis zweimal pro Woche ins Fitnessstudio zu gehen, sei zwar viel besser als nichts. Um seinen Blutdruck messbar zu senken, sollte man aber an vier bis fünf Wochentagen etwas tun. „Das kann an zwei oder drei Tagen ein isometrisches Training sein, dann gehe ich noch einmal ins Fitnessstudio und eine lockere Runde laufen oder mache anderen Ausdauersport“, schlägt er vor.

Wie finde ich den richtigen Trainingsplan?

Für jede Person individuell die richtige Empfehlung zu finden, sei schwierig, sagt Sportkardiologin Berrisch-Rahmel. Dafür sei im Praxisalltag leider zu wenig Zeit. Sie versucht es dennoch. Nachdem sie den Patienten oder die Patientin untersucht und über Sporterfahrung und aktuelles Pensum befragt hat, stellt sie häufig ein „Rezept für Bewegung“ aus, angelehnt an das „normale“ Rezept für Medikamente. Die Ärztin empfiehlt darin eine bestimmte Art von und Dosis an Bewegung, manchmal sogar konkrete Übungen. Man kann damit in Fitness­studios oder Sportvereine gehen. Zum Teil bezuschussen die Krankenkassen deren Angebote. Für Berrisch-Rahmel ist klar: „Körperliche Aktivität kann und sollte wie ein Medikament eingesetzt werden.“

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Quellen:

  • Edwards J J, Deenmamode A H P, Griffiths M et al. : Exercise training and resting blood pressure, A large-scale pairwise and network meta-analysis of randomised controlled trials. In: British Journal of Sports Medicine 25.07.2023, 57: 1317-1326
  • Robert Koch-Institut, Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e.V.: Blutdruck in Deutschland, Daten und Fakten. Leitlinie: 2014. Online: https://www.rki.de/... (Abgerufen am 09.11.2023)

  • Deutsche Hochdruckliga e.V.: Moderater Sport ist ähnlich wirksam wie ein Blutdrucksenker. In: Online 25.02.2019, 1: 1
  • Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien: Bluthochdruck, Warum ist Bewegung gut für mich?. Leitlinie: 2023. AWMF online: https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 09.11.2023)

  • Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (Deutscher Sportärztebund) e.V.: Rezept für Bewegung. Leitlinie: 2023. Online: https://www.dgsp.de/... (Abgerufen am 09.11.2023)