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Die alten Fotos! Augenblicklich sehe ich mich wacklige Runden auf einem ausrangierten Herrenrad drehen. Sause auf blau-gelben Disco-Rollern einen Hügel hinunter. Röhre mit frisiertem Mofa zur ersten Tanzstunde, küsse an Karneval meine erste Liebe. Ein herrliches halbes Leben ist das her. Vor drei Jahren habe ich meinen 50. Geburtstag gefeiert. Zum Kater nach der Party gesellte sich das flaue Gefühl: Jetzt geht es bergab! Stimmt das wirklich?

Menschen in meinem Alter sind die Youngster unter den Babyboomern – den geburtenstarken Jahrgängen, geboren zwischen 1962 und 1972. Wir stellen die zahlenmäßig bedeutendste Altersgruppe in Deutschland. 13 Millionen Menschen oder 16,5 Prozent der Bevölkerung sind zwischen 50 und 60 Jahre alt, auch 51 Prozent der Leserinnen und Leser der Apotheken Umschau fallen in diese Altersgruppe.

Aufgewachsen in einer Wohlstandsperiode

Besonders die Menschen im Westen der damals noch geteilten Republik sind in einer ausgesprochenen Wohlstandsperiode aufgewachsen. Wir spielten an der frischen Luft, bis die Mütter uns zum Abendessen riefen. Hunger litten wir nie. Wir überlebten dank des medizinischen Fortschritts schadlos Masern, Mumps und andere Infektionskrankheiten, genossen ­eine lückenlose Ausbildung, wählten Beruf und Partner selbst und entschieden uns frei für oder gegen eigene Familien.

Heute stehen wir am oberen Ende der Erwerbstätigkeit, oft in verantwortungsvollen Positionen, am Horizont winkt der Ruhe­stand. Finanziell sind wir gut gestellt. 51- bis 60-Jährige verfügen im Schnitt über ein Nettovermögen von 140 000 Euro pro Person (inklusive Immobilien), das sogar noch wächst: Kredite sind abbezahlt, Chancen auf eine Erbschaft steigen. Es geht uns gut – und das sieht man.

„Nie war eine Generation 50 + fitter und gesünder als die heutige“, sagt Lenhard Rudolph, Professor für Molekulare Medizin an der Universität Jena, Wissenschaftler am Jenaer Leibniz Institut für ­Alternsforschung und mit 54 Jahren selbst Babyboomer. Vor etwas mehr als einem Jahrhundert wäre man mit durchschnittlich 50 Jahren tot gewesen. Heute stehen die meisten Babyboomer mitten im Leben. Wenn auch mit Wohlstandsbauch. 83 Prozent der 45- bis 64-Jährigen hierzulande sind übergewichtig oder haben Adipositas. Damit steigt das Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf-Leiden und Krebs, beobachtet die Altersmedizinerin Professorin M. Cristina Polidori, die den Schwerpunkt Klinische Altersforschung an der Universitätsklinik Köln leitet.

Gesund altern: Entscheidend ist der Lebensstil

Die gute Nachricht: Mit 50 bleibt uns genügend Zeit, um etwas zu verändern. „Ob wir gesund altern, hängt zu mehr als 70 Prozent von unserem Lebenswandel ab. Die Gene spielen eine geringe Rolle“, sagt Rudolph. Doch gesundes Leben hin oder her: Ab 50 machen sich erste Anzeichen des Alterns bemerkbar.

Dabei verfügt unser Körper über großartige Reparaturmechanismen. Jeden Tag repariert er rund 55 000 Einzelstrangbrüche der DNA und 12 000 Bausteinverluste der Erbsubstanz. Binnen sieben Lebensjahren werden rund 90 Prozent unserer Körperbestandteile ersetzt. Wir leisten uns regel­mäßige Überholungen vieler Zellarten im Körper. Theoretisch ist das ein Prinzip, mit dem Menschen ewig leben könnten.

Doch die Evolution hat andere Ziele. „Unser Körper ist darauf selektioniert, dass wir uns vermehren und den Nachwuchs aufziehen“, erklärt Lenhard Rudolph. Danach hat er seine Schuldigkeit getan. Die meisten Körperfunktionen erreichen kurz vor dem 30. Lebensjahr ihren Höhepunkt. Anschließend „verschwendet“ der Organismus weniger Energie auf die Reparatur von Zellschäden. In der Folge verlieren Gewebe und Organe nach und nach ihre Funktionsfähigkeit.

Ab 45 Jahren nimmt der Alterungsprozess Fahrt auf. Die ersten Zeichen betreffen oft den Bewegungsapparat, die Augen und ­Ohren. Lesen Sie hier, wie sich Ihr Körper verändert, wie Sie lange fit bleiben und warum es guttut, sich jetzt wieder mit eigenen Träumen und Wünschen zu beschäftigen.

Das passiert mit 50 im Körper

Sie können viel tun, um lange fit und gesund zu bleiben. Ein Überblick:

Alternde Zellen

Sie sind die kleinsten Bausteine des Kör­pers: die Zellen. Geht es ihnen gut, sind auch Gewebe und Organe gesund. Un­sere Zellen erneuern sich, produzieren Energie und beseitigen Stoffwechsel­abfälle, etwa freie Radikale. Diese Funk­tionen nehmen ab dem 25. Lebensjahr ab. Schäden am Erbgut werden nicht mehr so effektiv repariert und häufen sich. Nahrung wird nicht mehr so gut in Energie umgewandelt. Wir nehmen ­leichter zu. Zellgifte wie Nikotin und Alkohol beschleunigen den Abbau. Es gibt ­Möglichkeiten, Zellfunktionen anzukurbeln und den Alterungsprozess zu verlang­samen, sagt Alternsforscher Lenhard Rudolph.

So bleiben Sie jetzt gesund: „Ein effektives Mittel könnte Diätreduk­tion sein“, so Rudolph. Im Tierversuch lebten Mäuse, die 20 bis 40 Prozent weniger Nahrung erhielten, bis zu 40 Prozent länger und waren im Alter gesünder. Auch bei Menschen wirkt sich Diätre­striktion laut Studien positiv auf Zellen und Organe aus. Isst man weniger, gerät der Körper unter Stress und arbeitet effizienter. Er baut verstärkt Zellmüll ab und zieht daraus Energie. So funktionieren Zellen besser und werden verjüngt.

Ohren

Altersschwerhörigkeit beginnt im Innenohr, in der Hörschnecke. Das mit Flüssigkeit gefüllte Organ enthält feine Haar­zellen. Im Alter verkümmern sie und übertragen den Schall nicht mehr so gut. Lärm, Alkohol und Nikotin verstärken den Prozess. „Schwerhörigkeit gilt unter Experten als größter beeinflussbarer Risikofaktor für Demenz“, sagt der Neuro­loge Professor Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung.

So bleiben Sie jetzt gesund: Sie stellen den Fernseher immer lauter? Zeit für einen Hörtest. Falls dabei herauskommt, dass Sie ein Hörgerät brauchen, zögern Sie nicht zu lang. Je länger die Schwerhörigkeit besteht, desto schwieriger ist die Anpassung eines Hörgeräts.

Vorsorge: Das ist wichtig

Männer

  • Ab 45: Untersuchung der Prostata und der äußeren Genitalien. Jährliche Tastuntersuchung
  • Ab 50: Darmkrebs-Früherkennung
  • 50 bis 55: Jährlicher Test auf Blut im Stuhl, dann alle zwei Jahre. Männer bekommen zwei Darmspiegelungen im Abstand von zehn Jahren. Wer daran teilnimmt, braucht keinen Test auf Blut im Stuhl

Frauen

  • Ab 50: Mammographie-Screening
  • Bis 69: Brustkrebs-Früherkennung, alle zwei Jahre
  • Ab 55: Darmkrebs-Früherkennung: Zwei Darmspiegelungen im Abstand von zehn Jahren. Alternativ wird alle zwei Jahre ein Test auf Blut im Stuhl bezahlt.

Gehirn & Gedächtnis

Die Angst vor Demenz ist groß, aber das Risiko ist noch gering. Weniger als zwei Prozent der Demenzerkrankungen treten bei Menschen unter 65 Jahren auf. Viel häufiger lässt das Gedächtnis wegen Schlafmangels oder Durchblutungs­störungen nach. „Mit 50 ist das Gehirn voll funktionsfähig“, so Neurologe Frank Erbguth. Zwar altern die Gehirnfunk­tionen wie der Rest des Körpers: So lässt etwa die fluide Intelligenz nach, die uns hilft, Informationen schnell zu verarbeiten. Die Folge: Wir können uns schlechter anpassen und lernen langsamer. Da­für steigt die kristalline Intelligenz, also das Fakten- und Erfahrungswissen. Ältere Menschen sind tendenziell besser in Sprachkompetenz, Wortgedächtnis und können aus komplexen Situationen leichter Schlüsse ziehen. „Jüngere sind schneller, Ältere machen weniger ­Fehler“, bringt es Erbguth auf den Punkt.

So bleiben Sie jetzt gesund: Lernen Sie etwas Neues! Dadurch bilden sich Synapsen, also Verbindungen ­zwischen Nervenzellen, neu aus oder verstärken sich. So werden Hirnregionen selbst im Alter aktiver. Reisen, soziale Kontakte, das Lernen einer Fremd­sprache oder eines Instruments feuern die grauen Zellen an ebenso wie Sport. „Regelmäßige Aktivität lässt neue Nervenverbindungen entstehen, steigert die Durchblutung im Gehirn und kurbelt die Produktion der Glückshormone Dopamin, Serotonin und Endorphin an, von denen wir im Alter oft zu wenig haben“, erklärt Erbguth. Besonders wichtig, so der Neurologe: „Lassen Sie Schwerhörigkeit und Bluthochdruck jetzt behandeln, meiden Sie Alkohol und Nikotin, reduzieren Sie Ihr Übergewicht. Dadurch mindern Sie das Risiko für eine Demenz im Alter.“

Dr. Markus Wettstein sagt, das gefühlte Alter kann im Tagesverlauf um plus/minus drei Jahre schwanken.

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Zähne

Entzündetes Zahnfleisch betrifft fast jede und jeden Zweiten über 50. Parodontitis ist eine der Hauptquellen für Zahnverlust, fördert Entzündungsprozesse im Körper und sogar die Entstehung von Diabetes.

So bleiben Sie jetzt gesund: Gute Zahnpflege allein kann Parodontose nicht verhindern. Viel wichtiger sei eine zahngesunde Ernährung, sagt der Zahnarzt und Ernährungsmediziner Professor Johan Wölber aus Freiburg. Viel Gemüse, ­Vollkornprodukte, wenig Zucker: Dieses Essen stärkt das mikrobielle Gleich­gewicht im Mund und drängt krank
machende Bakterien zurück.

Herz und Gefäße

Wer keine familiäre Vorbelastung hat, gesund lebt und normale Blutwerte hat, muss sich nicht sorgen: „Das gesunde Herz von 50- bis 60-Jährigen ist fast ge­nauso belastbar wie das von 20-Jäh­rigen“, sagt Professor Jo­achim Weil, ­Direktor des Herz- und Gefäßzentrums an den Sana Kliniken Lübeck.

So bleiben Sie jetzt gesund: „Männer sollten sich ab 50, Frauen ab 60 Jahren einmal vom Kardiologen untersuchen lassen, um zu prüfen, ob Herz und Gefäße erste Schäden auf­weisen“, empfiehlt Kardiologe Weil. Dazu gehören gegebenenfalls ein Ruhe- und ein Belastungs-­EKG, Ultraschall und eine Computer­tomographie des Herzens. Gegen zu hohe Blutdruck-, Blutzucker- und Cholesterinwerte helfen Bewegung und gesundes Essen. Setzen Sie auf gesunde Öle wie auf Oliven-, Lein- oder Rapsöl. Bei Fleisch und Käse lohnt sich Sparsamkeit, hier sind magere Sorten wie etwa Hühnchen empfehlenswert.

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Haut

Das Leben hat Spuren auf der Haut hinterlassen. Das lässt sich nicht mehr leugnen. Ab 45 Jahren spricht man von reifer Haut. „Sie ist trockener, weniger elastisch, dünner und juckt öfter“, so Professorin Silke Hofmann, Chefärztin des Zentrums für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie am Helios Universitätsklinikum Wuppertal. Der Östrogenmangel nach den Wechseljahren beschleunigt die Hautalterung.

So bleiben Sie jetzt gesund: Auch die Haut freut sich über gesundes Essen. Gemüse und Obst enthalten Carotinoide, Polyphenole sowie die Vitamine A, E und C. In Pflanzenölen wie Raps- und Walnussöl stecken wertvolle ­Omega-3-Fettsäuren. Wenig sinnvoll seien dagegen Nahrungsergänzung oder Cremes mit Kollagen. „Für die Wirkung gibt es keine wissenschaft­lichen Belege“, lautet Hofmanns Urteil.

Muskeln, Körperfett

Muskelmasse, -kraft und -schnelligkeit beginnen schon ab 30 Jahren abzunehmen. Gemein: Mit 50 verbrauchen wir weniger Energie, bauen Muskeln ab und Fett auf. Jetzt führen die westlichen Ernährungsgewohnheiten mit vielen hochverarbeiteten Lebensmitteln zu mehr Gewicht.

So bleiben Sie jetzt gesund: Nun ist ein guter Zeitpunkt, um gesünder und vielleicht etwas weniger zu essen. Und: Es lohnt sich, mit Kraftsport zu beginnen. Muskeln machen stark und stabilisieren die Gelenke. Sie schützen auch vor Alterskrankheiten. „Trainierte Muskeln produzieren Myokine: Botenstoffe, die Entzündungen stoppen, die Immunabwehr regulieren, vor Diabetes Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ­Knochenschwund, Demenz und Depression schützen und sogar an der Krebsprävention beteiligt sind“, sagt Professor Othmar Moser, Leiter der Abteilung Exercise Physiology and Metabolism am In­stitut für Sportwissenschaft in Bayreuth. Je stärker die Muskulatur, desto mehr Kalorien verbrennen wir im Alltag. Der Haken: Um Effekte zu spüren, müssen Sie zwei- bis dreimal pro Woche für 30 bis 60 Minuten mit Gewichten trainieren – am besten in Kombination mit Aus­dauertraining, etwa Radfahren, Walken oder Schwimmen. Die Mühe lohnt sich.

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Augen

Dinge, die weniger als 60 Zentimeter entfernt sind, sehen wir nicht mehr gut. Diese Alterssichtigkeit entsteht, weil die Augenlinse steifer wird. Dazu kommt: Die Netzhaut wird unempfindlicher für Licht. Sehen bei Dämmerung wird schwerer. 60-Jährige benötigen mehr Licht zum Lesen als 20-Jährige. Auch die Fähigkeit, Entfernungen ein­zuschätzen, kann beeinträchtigt sein.

So bleiben Sie gesund: „Zwischen 40 und 50 sollte man mindestens einmal die Augen untersuchen lassen“, rät Professor Nikolaos ­Bechrakis, Direktor der Augenklinik an der Uniklinik Essen. So können erste Schäden behandelt werden, bevor altersabhängige ­Makuladegeneration, grüner oder grauer Star entstehen.

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