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Was ist ein Bandscheibenvorfall?

Ein Bandscheibenvorfall ist ein Durchbruch des Gallertkerns einer Bandscheibe durch ihren Faserring. In der Folge kann er auf Nerven drücken und Schmerzen auslösen.

Jede unserer 23 Bandscheiben besteht im Inneren aus dem sogenannten Gallertkern (Nucleus pulposus), der wie eine Art Gelkissen wirkt. Dieser ist von einem harten Faserring (Anulus fibrosus) umgeben, der die Bandscheibe in ihrer Position fixiert. Mit dem Alter sinkt der Wassergehalt und somit die Elastizität der Bandscheibe. Bekommt der Faserring infolgedessen kleine Risse, kann sich der Gallertkern nach außen vorwölben (Protrusion). Durchbricht der Gallertkern den Faserring, kommt es zum Bandscheibenvorfall (Prolaps / Discusprolaps).

Bandscheibenvorfall: Der Bandscheibenkern durchbricht den eingerissenen Faserring und kann den Rückenmarksnerv beengen

Bandscheibenvorfall: Der Bandscheibenkern durchbricht den eingerissenen Faserring und kann den Rückenmarksnerv beengen

Am häufigsten (zirka 90 Prozent der Fälle) tritt ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) auf (lumbaler Bandscheibenvorfall, Bandscheibenvorfall der LWS). Manchmal ist auch der Übergang von der Brust- zur Lendenwirbelsäule (thorakolumbal) oder von der Lendenwirbelsäule zum Kreuzbein (lumbosakral) betroffen. Deutlich seltener (in etwa zehn Prozent der Fälle) kommt es an der Halswirbelsäule (HWS) zu einem Bandscheibenvorfall (zervikaler Bandscheibenvorfall, Bandscheibenvorfall der HWS).

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Unsere Expertin:

Privatdozentin Dr. med. Carla Jung ist Fachärztin für Neurochirurgie. Nach einem zweijährigen Forschungsaufenthalt am Surgical Neurology Branch der National Institutes of Health, Bethesda, MD, USA, arbeitete sie von 2007 bis April 2018 als Fachärztin, Oberärztin und Geschäftsführende Oberärztin in der Abteilung für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Heidelberg. Seit Mai 2018 ist sie Chefärztin der Klinik für Neurochirurgie des Agaplesion Bethesda Krankenhauses Wuppertal (Akademisches Lehrkrankenhaus der Uniklinik RWTH Aachen).

Symptome: Welche Beschwerden ruft ein Bandscheibenvorfall hervor?

Die Beschwerden, die ein Bandscheibenvorfall auslöst, hängen davon ab, wo er auftritt, wie groß er ist und ob Nerven beziehungsweise Nervenwurzeln beteiligt sind. Mehr zu den Symptomen bei einem Bandscheibenvorfall lesen Sie hier.

Ursachen und Risikofaktoren

Wer viel sitzt, schwere Lasten hebt, übergewichtig ist oder den Rücken falsch belastet, setzt den Bandscheiben zu. Halten sie der Belastung nicht mehr Stand, kommt es zum Bandscheibenvorfall.

Zum einen spielen Alterungsprozesse eine Rolle. Denn je älter ein Mensch wird, desto mehr verlieren die Bandscheiben an Elastizität. Der stützende Faserring wird spröder und gibt schneller nach. Zum anderen belasten Übergewicht, mangelnde Bewegung, ständiges Sitzen und schweres Heben die Bandscheiben vermehrt. Dies begünstigt Bandscheibenvorfälle.

Wofür sind die Bandscheiben überhaupt da?

Die Wirbelsäule (Columna vertebralis) gliedert sich in die Lenden- (LWS), Brust- (BWS) und Halswirbelsäule (HWS). Sie setzt sich aus den Wirbelkörpern zusammen, die den Wirbelkanal formen. Durch diesen verläuft das Rückenmark. Auf Höhe eines jeden Wirbels treten aus dem Rückenmark seitlich Nerven aus, die bestimmte Körperteile versorgen. So befinden sich beispielsweise im Bereich der Halswirbelsäule Nerven für die Arme und im Bereich der Lendenwirbelsäule Nerven für die Beine.

Zwischen den einzelnen Wirbelkörpern sitzen wie ein Puffer die Bandscheiben. Sie dienen als Abstandshalter zwischen den Wirbelkörpern und dämpfen Stöße ab. Die Bandscheiben bestehen im Inneren aus einem weichen elastischen Gallertkern (Nucleus pulposus). Dieser ist von einem äußeren harten Faserring (Anulus fibrosus) umgeben, der die Bandscheibe stabilisiert. Der Gallertkern saugt sich mit Wasser voll, das er vor allem im Liegen von der umgebenden Gewebsflüssigkeit abzapft. Im vollgesaugten Zustand wirkt er dann wie eine Art Stoßdämpfer. Tagsüber wird die Flüssigkeit, bedingt durch den Druck, der auf den Bandscheiben im Stehen oder Sitzen lastet, wieder aus dem Inneren der Bandscheibe herausgepresst.

Was führt zum Bandscheibenvorfall?

Je älter ein Mensch wird, desto weniger gut können die Bandscheiben Wasser im Inneren aufnehmen. Dadurch büßt der Gallertkern an Elastizität ein und wird zunehmend spröde – er verschleißt. Dies betrifft auch den stützenden Faserring, der mit der Zeit von feinen Rissen durchsetzt ist. Wird die Bandscheibe nun übermäßig belastet, kann der Gallertkern verrutschen und auf den Faserring drücken (Vorwölbung, Protrusion) oder diesen durchbrechen. Passiert letzteres, liegt ein Bandscheibenvorfall (Prolaps, Discusprolaps) vor.

Obwohl durch den Alterungsprozess der Bandscheibe eher ältere Menschen an Bandscheibenvorfällen leiden, können auch junge Menschen Probleme damit haben. Hierbei spielen unter anderem Übergewicht und eine falsche Belastung beziehungsweise eine Überlastung der Wirbelsäule eine Rolle. Aber auch die Gene können einen Bandscheibenvorfall bei Jüngeren begünstigen.

Lendenwirbelsäule oder Halswirbelsäule überlastet?

Da die Hauptlast unseres Körpers von der Lendenwirbelsäule getragen wird, kommt es in den meisten Fällen (rund 90 Prozent) in diesem Bereich zu einem Bandscheibenvorfall. Deutlich seltener (etwa zehn Prozent der Fälle) ist die Halswirbelsäule betroffen. Fehlhaltungen und Fehlbewegungen begünstigen Probleme mit den Bandscheiben. Wer sich zum Beispiel nach vorne beugt und mit krummem Rücken einen Kasten Wasser hochhebt, der übt eine enorme Belastung auf die Lendenwirbelsäule aus – und damit auch einen vermehrten Druck auf die Bandscheiben.

Richtig wäre es dagegen, in die Knie zu gehen und den Wasserkasten mit geradem Rücken hochzuheben. Ebenso werden die Bandscheiben vermehrt belastet, wenn jemand sehr lange sitzt. Dies ist beispielsweise bei LKW-Fahrern der Fall. Zusätzlich kann eine genetische Veranlagung das Risiko eines Bandscheibenvorfalls erhöhen, ebenso wie Übergewicht und zu wenig Bewegung.

In seltenen Fällen kann eine vorgeschädigte Bandscheibe durch einen Unfall weiter hervortreten und sich zu einem Bandscheibenvorfall entwickeln. Die Halswirbelsäule und deren Bandscheiben werden besonders belastet, wenn ein Mensch etwa über viele Jahre schwere Lasten auf den Schultern trägt oder kopfüber arbeitet.

Diagnose: Wie stellt der Arzt einen Bandscheibenvorfall fest?

Zur Diagnosestellung eines Bandscheibenvorfalls fragt der Arzt den Patienten zunächst ausführlich nach seinen Beschwerden. Dann untersucht der Arzt ihn körperlich. Sicher nachweisen lässt sich ein Bandscheibenvorfall mithilfe von Computertomografie (CT) oder Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT). Wie der Arzt einen Bandscheibenvorfall diagnostiziert, erfahren Sie hier.

Therapie: Wie lassen sich Bandscheibenprobleme behandeln?

Bei bis zu 90 Prozent der Patienten bessern sich die Beschwerden mithilfe einer konservativen Therapie oder verschwinden nach einigen Wochen sogar vollständig. Dazu zählen: Schmerzlindernde Medikamente, Wärme, Lagerungsmaßnahmen (zum Beispiel Stufenbett) und Physiotherapie. Eine Operation ist nur selten nötig, beispielsweise wenn die konservative Therapie versagt, der Bandscheibenvorfall starke, schmerzmittelresistente Schmerzen hervorruft oder Lähmungserscheinungen auslöst. Mehr zur Therapie bei Bandscheibenvorfall lesen Sie hier.

Einem Bandscheibenvorfall richtig vorbeugen

Eine starke Rückenmuskulatur und das Vermeiden starker Belastungen der Wirbelsäule sind die wichtigsten Faktoren, um einem Bandscheibenvorfall vorzubeugen. Die wichtigsten Maßnahmen zur Prävention eines Bandscheibenvorfalls sind:

  • Bewegung. Denn mit Gymnastik und Sport wird die Rückenmuskulatur gestärkt und die Wirbelsäule entlastet. Es gibt besonders rückenfreundliche Sportarten – etwa Schwimmen (Rückenschwimmen oder Brustschwimmen mit Kopf unter Wasser) oder Radfahren mit erhöhtem Lenker.
  • Übergewicht zu vermeiden, entlastet ebenfalls die Wirbelsäule. Daher ist es wichtig, auf ein gesundes Körpergewicht zu achten.
  • Die richtige Matratze trägt dazu bei, dass die Wirbelsäule nachts nicht in einer ungünstigen Haltung verharrt.
  • Bei beruflichen Tätigkeiten, die mit viel Sitzen verbunden sind, sollten Betroffene auf einen rückenfreundlichen Arbeitsplatz achten: Ein ergonomischer Stuhl, regelmäßiges Wechseln der Sitzposition zwischen Sitzen und Stehen gehören dazu. Wer viel sitzen muss, sollte zwischendurch öfters aufstehen, sich strecken und ein wenig bewegen.
  • Wer schwere Lasten hebt, sollte die Gegenstände rückenfreundlich bewegen. Also nicht mit krummem Rücken den Kasten Wasser hochwuchten, sondern in die Knie gehen, das Kreuz gerade halten und den Kasten hochheben. Arme eng am Körper lassen und Lasten am besten nicht einseitig heben.

Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

Quellen:

  • Niethard F, Pfeil J, Biberthaler P: Orthopädie und Unfallchirurgie, 6. Auflage, Stuttgart Thieme-Verlag 2009
  • Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN): Lumbale Radikulopathie, Leitlinie 09/2012. Online: http://www.dgn.org/leitlinien/2420-ll-75-2012-lumbale-radikulopathie (Abgerufen am 26.11.13)
  • Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN): Zervikale Radikulopathie, Leitlinie 09/2012. Online: http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-082l_S1_Zervikale_Radikulopathie_2012_verlaengert.pdf (Abgerufen am 26.11.13)
  • Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC): Operative Versorgung degenerativer Halswirbelsäulenerkrankungen. Online: http://www.dgnc.de/dgnc-homepage/patienteninformationen/halswirbelsaeulenerkrankungen.html (Abgerufen am 07.10.11)
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