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Wie gefährlich ist Keuchhusten?

Keuchhusten, medizinisch Pertussis, wird durch das Bakterium Bordetella pertussis übertragen und äußert sich zunächst durch leichte Erkältungssymptome. Nach ein bis zwei Wochen setzt ein langwieriger, trockener Husten ein, dem die Krankheit ihren Namen verdankt.[1]

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung warnt: „In jedem Lebensalter sind harmlose bis schwere Krankheitsverläufe möglich. Für Säuglinge kann Keuchhusten sogar lebensbedrohlich sein.“[2] Das gilt vor allem, wenn diese unter sechs Monaten alt sind. In Extremfällen kann es zu Atempausen oder Atemaussetzern kommen – und durch den Sauerstoffmangel zu Hirnschädigungen.

„Bis zu 20 Prozent der Säuglinge, die deshalb ins Krankenhaus müssen, entwickeln außerdem eine Lungen- oder Mittelohrentzündung oder Krampfanfälle“, sagt Dr. Carolina Klett-Tammen, stellvertretende Teamleiterin der Klinischen Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Dort beschäftigt man sich mit der Verbreitung von Infektionskrankheiten.

Todesfälle seien zwar möglich, aber sehr selten. Neben ganz jungen sind auch ältere Menschen gefährdet. Spezielle Medikamente gibt es nicht. Antibiotika können die Ansteckungszeit verkürzen, aber meist nicht viel am Verlauf der Krankheit ändern.[2] „Leider können wir im Falle einer Infektion therapeutisch nicht viel machen“, sagt Prof. Dr. Rainer Ganschow, Direktor am Zentrum für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums Bonn. „Wenn wir Erkrankte aufnehmen, überwachen wir vor allem deren Atmung und Kreislauf und versuchen, die Symptome zu lindern.“

Durch die Isolation während der Pandemie hatten die Kinder kaum Kontakte mit Krankheitserregern. Dadurch erleben wir derzeit insgesamt einen deutlichen Anstieg schwerer Infektionen, vor allem bei den Vier- bis Sechsjährigen

Warum steigen die Fälle von Keuchhusten in Europa?

Laut dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, kurz ECDC, haben sich die Fälle von Keuchhusten seit Mitte 2023 im Vergleich zu 2022 und 2021 verzehnfacht.[3] In Tschechien ist es der höchste Stand seit sechzig Jahren. Dort und in den Niederlanden wurden sogar Todesfälle gemeldet.

Auch in England ist die Zahl der Keuchhusten-Fälle in diesem Jahr drastisch gestiegen. Laut der Gesundheitsbehörde UKHSA erkrankten zwischen Jahresbeginn und Ende März knapp 2800 Menschen an Keuchhusten – mehr als dreimal so viele wie im gesamten vergangenen Jahr. Fünf Babys starben im ersten Quartal 2024 an der Krankheit.

Säuglinge und Kleinkinder sind von Keuchhusten besonders häufig betroffen, weil sie noch zu jung für eine vollständige Impfung sind. „Dieser Effekt ist eine Nachwirkung der Corona-Pandemie“, sagt Experte Ganschow. „In den ersten drei Lebensjahren bildet sich das Immunsystem aus. Durch die Isolation während der Pandemie hatten die Kinder kaum Kontakte mit Krankheitserregern. Dadurch erleben wir derzeit insgesamt einen deutlichen Anstieg schwerer Infektionen, vor allem bei den Vier- bis Sechsjährigen“, erklärt der Kinderarzt.

Wie ist die Keuchhusten-Lage derzeit in Deutschland?

„In unserem klinischen Alltag haben wir es bislang nicht mit spürbar mehr Keuchhusten-Fällen zu tun“, berichtet Kinderarzt Ganschow. Diesen Eindruck spiegeln auch die aktuellen Zahlen wieder. „Wir bemerken bislang noch keinen auffälligen Anstieg“, bestätigt Expertin Klett-Tammen. „Im Jahr 2017 hatten wir noch insgesamt 14.000 gemeldete Fälle. Während der Pandemie sind die Infektionszahlen nach unten gegangen. Seit Jahresbeginn 2024 sind wir bei etwa 3000. Damit liegen wir also bislang noch im Rahmen.“

Aktuelle Auswertungen (Stand: 15. Mai 2024) des Robert-Koch-Instituts (RKI) zeigen, dass sich die Zahl der Fälle etwa auf dem Niveau bewegt, das vor der Corona-Pandemie beobachtet wurde. Am häufigsten betroffen waren 2024 bislang Kinder und Jugendliche (0 bis 19 Jahre), insbesondere aber die Altersgruppe der Zehn- bis 14-Jährigen.

Eine Impfung bietet leider keinen absoluten Schutz. Sie reduziert aber das Ansteckungsrisiko und die Gefahr eines schweren Verlaufs

Kann man sich mit einer Impfung vor Keuchhusten schützen?

Keuchhusten ist extrem ansteckend.[4] Über Tröpfchen übertragen sich die Bakterien etwa beim Husten, Niesen oder Sprechen. Beinahe jeder Kontakt zwischen Erkranktem und einem ungeschützten Gesunden führt zu einer Infektion. „Auch eine Impfung bietet leider keinen absoluten Schutz“, sagt Epidemiologin Klett-Tammen. „Sie reduziert aber das Ansteckungsrisiko und die Gefahr eines schweren Verlaufs.“

Laut dem RKI ist das Erkrankungsrisiko für Säuglinge bereits nach der ersten Impf-Dosis um etwa 40 Prozent reduziert.[5] Nach der zweiten Impfung sinkt das Risiko weiter, in mehr als 80 Prozent der Fälle ist das Kind dann gut geschützt. Und mit der dritten Impfung – also nach Vollendung der Grundimmunisierung – ist in über 90 Prozent der Fälle ein Immunschutz vorhanden.

Wer sollte sich unbedingt gegen Keuchhusten impfen lassen?

Säuglinge sind besonders durch Keuchhusten gefährdet. „Leider können wir Neugeborene erst nach acht Wochen impfen“, sagt Ganschow. „Damit sich der Schutz auf das Kind überträgt, ist es umso wichtiger, dass sich werdende Mütter impfen lassen.“

Seit 2020 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) allen Schwangeren, sich zu Beginn des dritten Schwangerschaftsdrittels (bei erhöhter Wahrscheinlichkeit für eine Frühgeburt bereits im zweiten Schwangerschaftsdrittel) gegen Keuchhusten immunisieren zu lassen.[6] „Leider habe ich es im klinischen Alltag trotz dieser Empfehlung regelmäßig mit Müttern zu tun, die nicht geimpft wurden“, sagt Kinderarzt Ganschow. „Dabei ist das gerade für die sehr gefährdeten Neugeborenen der beste Schutz.“

Eine Studie[7] mit mehr als 70.000 Schwangeren ergab: Säuglinge sind in den ersten drei Lebensmonaten durch die Impfung der Mutter zu mehr als 90 Prozent vor Keuchhusten geschützt. „Wichtig ist es aber auch, dass andere Betreuungspersonen wie beispielsweise Großeltern oder Menschen, die im Gesundheitswesen oder in Gemeinschaftseinrichtungen arbeiten und dort Kontakt zu Säuglingen haben, geimpft sind“, sagt Klett-Tammen. „Das Impfschema ist bei Keuchhusten etwas kompliziert und hängt auch von anderen Faktoren ab, daher sollte man das immer genau mit der Ärztin oder dem Arzt besprechen.“

Für normal (also nicht zu früh) geborene Säuglinge gilt grundsätzlich: Sie sollten zwei Monate nach der Geburt, dann noch einmal mit vier und elf Monaten geimpft werden. In der Regel geschieht dies im Rahmen einer Sechsfachimpfung (schützt gleichzeitig gegen andere Krankheiten wie Diphtherie, Tetanus, Poliomyelitis, Haemophilus influenzae Typ b und Hepatitis B). Um einen Langzeitschutz gegen Pertussis aufzubauen, ist es laut RKI[5] besonders wichtig, zwischen der zweiten und dritten Impfung einen Abstand von sechs Monaten einzuhalten.

Wann sind Auffrischungsimpfungen gegen Keuchhusten notwendig?

Die STIKO empfiehlt eine Auffrischung für Kinder im Alter von fünf bis sechs Jahren und dann nochmal mit neun bis 17 Jahren – zusammen mit der Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Polio. Auch Erwachsene sollten einmalig gegen Pertussis geimpft werden,[5] am besten bei der nächsten fälligen Impfung gegen Tetanus und Diphtherie, die alle zehn Jahre durchgeführt werden sollte (Kombinationsimpfstoff).

„Erfahrungsgemäß lässt die Impfbereitschaft leider ab dem Teenager-Alter nach“, sagt Ganschow. Epidemiologin Klett-Tammen ergänzt: „Es gibt keine aktuellen belastbaren Zahlen. Vor der Pandemie waren etwa 80 Prozent der Kinder vollständig gegen Keuchhusten geimpft, bei den Erwachsenen waren es lediglich 50 Prozent. Da ist also noch Luft nach oben.“


Quellen:

  • [1] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Keuchhusten, Informationen über Krankheitserreger beim Menschen – Impfen schützt! . Online: https://www.infektionsschutz.de/... (Abgerufen am 30.04.2024)
  • [2] Impfen-Info / Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Keuchhusten-Impfung bei Erwachsenen . Online: https://www.impfen-info.de/... (Abgerufen am 30.04.2024)
  • [3] European Centre for Disease Prevention and Control: Communicable Disease Threats Report, Week 12. Weekly Communicable Disease Threats Report: https://www.ecdc.europa.eu/... (Abgerufen am 30.04.2024)
  • [4] Robert Koch-Institut : Keuchhusten (Pertussis), RKI-Ratgeber. Leitlinie: 2017. Online: https://www.rki.de/... (Abgerufen am 30.04.2024)

  • [5] Robert Koch-Institut: Schutzimpfung gegen Pertussis, Häufig gestellte Fragen und Antworten. Online: https://www.rki.de/... (Abgerufen am 30.04.2024)
  • [6] Robert Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin, Aktuelle Daten und Inforamtionen zu Infektionskrankheiten und Public Health . In: Epidemiologisches Bulletin 25.01.2024, 4: 14
  • [7] Amirthalingam G, Campbell H, Ribeiro S et al. : Sustained Effectiveness of the Maternal Pertussis Immunization Program in England 3 Years Following Introduction. In: Clinical Infectious Diseases, Supplement 01.12.2016, 63: 236-243