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Ursprünglich entwickelt, um Nierensteine zu zertrümmern, kommt das Verfahren inzwischen auch in der Orthopädie zum Einsatz. Die Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) gehört in vielen orthopädischen Praxen zum Standardangebot gegen Beschwerden an Muskeln, Sehnen, Gelenken.

Wie funktioniert die Stoßwellentherapie?

Bei der ESWT gibt eine Sonde in kurzen Abständen jeweils nur Millisekunden dauernde Schallstöße hoher Energie ab. Diese durchdringen die Haut und können auf ­eine eng begrenzte Stelle im Körper gerichtet werden. So regen die Stoßwellen zum Beispiel die Auflösung von Kalkablagerungen in den Sehnen (die sogenannte Kalkschulter) an. Bei der radialen Stoßwellentherapie (r-ESWT) breiten sich Schallwellen viel langsamer flächig aus. Beide Methoden sollen die Durchblutung erhöhen und Entzündungen reduzieren. Die Behandlung ist erträglich schmerzhaft, kann Hautrötungen und kleine Blutergüsse hervorrufen. Bezahlen müssen Patientinnen und Patienten dafür meist selbst. Eine Sitzung kostet 86 bis 198 Euro, bei der r-ESWT 15 bis 34 Euro.

So kann eine Beispielanwendung einer Stoßwellentherapie bei einer Kalkschulter aussehen.

So kann eine Beispielanwendung einer Stoßwellentherapie bei einer Kalkschulter aussehen.

Nur für eine einzige Anwendung hat der ­zuständige Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entschieden, dass Krankenkassen unter bestimmten Bedingungen die Kosten ­tragen müssen: Bei Fersenschmerzen mit oder ohne Fersensporn, einem dornförmigen Auswuchs am Fersenbein, sei die Wirksamkeit erwiesen. Viele Mediziner sind mit ­dieser Beschränkung nicht einverstanden. So forderte die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin, auch die ­Behandlung der Kalkschulter (siehe Grafik) müsse zur Kassenleistung werden.

Hat die Therapie ihre Berechtigung?

Dr. Hartmut Bork, Chefarzt des Reha-­Zentrums am St. Josef-Stift in Sendenhorst, sieht in der ESWT „eine ergänzende ­Methode, die in vielen Fällen ihre Berechtigung hat, wenn etwa Physiotherapie und Medikamente nicht weiterhelfen“. Neben Studien sollte auch die ärztliche Erfahrung bei der Einstufung als Kassenleistung mitentscheiden, vor allem bei fehlendem Erfolg anderer Verfahren, findet Bork.

Der GBA sieht das anders. Bevor eine ­ambulante Therapie von der Solidargemeinschaft der Versicherten bezahlt werden kann, muss sie ihren Nutzen in gut ­gemachten Studien zeigen. Doch diese ­Beweislage sei überschaubar, räumt auch Hartmut Bork ein.

Beispiel Kalkschulter: Hier kommt die unabhängige Wissenschaftsorganisation Coch­rane, die nur die besten wissenschaftlichen Studien auswertet, zum Ergebnis: Für ­Beschwerden der Rotatorenmanschette der Schulter, ob mit oder ­ohne Kalkeinlagerungen, gebe es nur wenig nennenswerten ­Nutzen der ESWT.

Warum ist weitere Forschung nötig?

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG), das ebenfalls strenge Maßstäbe anlegt, sieht den Nutzen bei zwei anderen häufigen Anwendungen ebenfalls als nicht erwiesen an – dem sogenannten ­Golferarm und dem Tennisellbogen. Dabei schmerzt die Innen- beziehungsweise Außenseite des Ellbogens. Auch das britische Institut NICE stellt zur Stoßwellentherapie bei Achillessehnen-Beschwerden fest: Die Beweislage für einen Nutzen sei weder ­ausreichend noch die Studien gut genug.

Studienübersichten wiederum, die zu positiveren Resultaten kommen, lassen die ­Autorinnen und Autoren meist nicht ohne den Zusatz stehen: Weitere Forschung sei nötig, um das Ergebnis abzusichern. Die entsprechenden Studien seien oft nicht sehr zuverlässig.

Fazit

Wer von anderen Behandlungen nicht hinreichend profitiert, kann es mit der Stoßwellentherapie versuchen. Wer die ­Kosten dafür nicht aufbringen kann oder will, muss sich aber auch nicht grämen: Die Erfolgsaussichten sind außer bei Fersenschmerzen ungewiss. Und bei fast allen ­Betroffenen verschwinden Gelenk-, Muskel- oder Sehnenbeschwerden ohnehin irgendwann von selbst.

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Quellen:

  • Gemeinsamer Bundesausschuss: Tragende Gründe zum Beschlussentwurf des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Richtlinie vertragsärztliche Versorgung (MVV-RL), Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) beim Fersenschmerz. https://www.g-ba.de/... (Abgerufen am 09.06.2023)
  • Landesamt für Finanzen Rheinland-Pfalz: Merkblatt Extracorporale Stoßwellentherapie (ESWT). https://www.lff-rlp.de/... (Abgerufen am 09.06.2023)
  • abrechnungsstelle.com: GöÄ-Ziffern: Das Online-Verzeichnis der Gebührenverordnung für Ärzte, GoÄ 1800: Zertrümmerung und Entfernung von Blasensteinen unter endoskopischer Kontrolle, je Sitzung. https://abrechnungsstelle.com/... (Abgerufen am 09.06.2023)
  • Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin: Online-Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin. In: Pressemappe 03.05.2023, 1: 1-14
  • Surace SJ et al.: Shock-wave therapy for rotator cuff disease with or without calcification, Review. Cochrane Library: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 09.06.2023)
  • IQWIG: Golferarm (Golferellenbogen). https://www.gesundheitsinformation.de/... (Abgerufen am 09.06.2023)
  • IQWIG: Tennisarm (Tennisellenbogen). https://www.gesundheitsinformation.de/... (Abgerufen am 09.06.2023)
  • NICE: Extracorporeal shockwave therapy for Achilles tendinopathy, Interventional procedures guidance Published: 21. https://www.nice.org.uk/... (Abgerufen am 09.06.2023)
  • IQWIG: Karpaltunnelsyndrom. https://www.gesundheitsinformation.de/... (Abgerufen am 09.06.2023)