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Eine weltweit berühmte Patientin mit einem chronischen Nierenleiden war die einzigartige Künstlerin Tina Turner. Gegen Ende ihres Lebens, nach ­jahrelanger Blutwäsche und einer Organtransplantation, schrieb die Sängerin, wie sehr sie über Jahrzehnte die Gesundheit ihrer Nieren miss­achtet habe. Ihre Fans bat sie, sich rechtzeitig mit der eigenen Nierengesundheit auseinanderzusetzen: „Die meisten wissen gar nicht, wo sich ihre Nieren befinden.“

Vorbeugung ist wichtig

Turners flammender Appell ist Wasser auf die Mühlen aller Ärztinnen und Ärzte, die sich mit der Gesundheit dieses Organs beschäftigen: Vorbeugung ist wichtig, um die beiden Nieren in den Flanken des unteren Rückens so lang und so gut wie möglich in Schuss zu halten.

Kommt es zu einem chronischen Nierenleiden, können Medikamente dabei helfen, das Fortschreiten der Erkrankung zu bremsen. Seit Kurzem stehen dafür Wirkstoffe zur Verfügung, die effektiver sind als bisherige Standardtherapien: sogenannte SGLT2-Hemmer (Gliflozine).

Neue Therapie für geschädigte Nieren

Dr. Andreas Klinge, Diabetologe aus Hamburg, kennt SGLT2-Hemmer in seiner Praxis schon lange. Denn entwickelt wurden sie eigentlich für die Therapie von Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes. Dann gab es Hinweise darauf, dass diese Pillen auch Menschen mit chronischen Nierenkrankheiten helfen könnten. Diese Vermutung hat sich vor Kurzem in zwei großen Studien mit vielen Tausend dauerhaft nierenkranken Menschen bestätigt.

Wichtiges auf einen Blick

Schutz auf Rezept

Gliflozine fördern das Ausschwemmen von Zucker und ­Wasser. Zugelassen sind sie zur Therapie von Typ-2-Diabetes und Herzschwäche, der Wirkstoff Dapagliflozin seit 2021 auch zur Behandlung von chronischer Nierenschwäche.

Blutdruck runter

Es gibt viele Wirkstoffe, die allein oder in Kombination den Blutdruck ­senken. In der Regel werden dabei Werte unter 140/80 mmHg angestrebt. Das ­entlastet Herz und Nieren.

Blutzucker runter

Menschen mit Diabetes sollten ihre Blutzuckerwerte unter Kontrolle haben. Gute Werte schützen auch die ­Nieren vor Gefäßschäden.

„In einigen Fällen profitieren ­Patientinnen und Patienten mit geschädigten Nieren so sehr, dass sie erst später zur Blutwäsche müssen oder ein Spenderorgan für eine Transplantation brauchen“, sagt der Diabetologe Klinge, Mitglied im Vorstand der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft.

Diese Risikofaktoren schaden den Nieren

In Deutschland zugelassen für die Therapie chronisch Nierenkranker ist bislang einer der vier bekannten SGLT2-Hemmer. Er wird zusätzlich zu allen anderen Therapiemaßnahmen verordnet. In der Zulassungsstudie führte das dazu, dass weniger Patientinnen und Patienten an ihrer chronischen Nierenkrankheit starben. „Und das“, erklärt Klinge, „ist ein großer Schritt nach vorne, natürlich vor dem Hintergrund, alle anderen Ursachen chronischer Nierenkrankheiten konsequent zu behandeln.“

Diese Ursachen sind sehr unterschiedlich. Grundsätzlich ist es so, dass die Leistung der ­Nieren mit den Lebensjahren natürlicherweise abnimmt. Doch das Alter allein wirkt sich meist nicht so aus, dass die Filterorgane dauerhaft Schaden nehmen. Erst weitere Risikofaktoren bringen das Fass zum Überlaufen: vor allem ein Typ-2-Diabetes, jahrelanger Konsum gängiger rezeptfreier Schmerzmittel oder Bluthochdruck wie bei Tina Turner.

Millionen kleine Kläranlagen

Die Nieren sind so etwas wie die Kläranlage des Körpers. In Heerscharen winziger Funktionseinheiten, den ein bis zwei Millionen Nierenkörperchen, befinden sich Knäuel winziger Blutgefäße. Aus dem dort durchströmenden Blut filtern sie alle Stoffe heraus, die der Organismus nicht mehr braucht oder die ihm schaden könnten. Die gesammelten Gift- und Abfallstoffe münden im Urin. Was recycelt werden kann, wird ins Blut zurücktransportiert.

Ohne dieses permanente „Reinemachen“ würden sich schädliche Stoffe in unserem Körper ablagern und uns krank machen. Darüber hi­naus beeinflusst die konstante Filterung wichtige Stoffwechselprozesse in unserem Körper. Die Nieren helfen dabei, den Wasser- und Mineralstoffhaushalt, den Blutdruck und den Säure-Basen-Haushalt zu regulieren, rote Blutkörperchen zu bilden und Hormone und Enzyme zu produzieren.

Niernschäden bleibt oft lange unentdeckt

Nichtsdestotrotz „merken die Patientinnen und Patienten mit leichten bis mittelschweren Formen einer chronischen Nierenkrankheit von der nachlassenden Nierenleistung jahrelang erst einmal nichts“, sagt Professorin Sylvia Stracke. Sie leitet die Klinik für Nierenheilkunde am Universitätsklinikum in Greifswald: „Wird das Problem in dieser symptomlosen Phase erkannt, haben die meisten Patientinnen und Patienten beste Chancen, dass die Krankheit über die Jahre nicht bis zum Nierenversagen fortschreitet.“

Ein möglichst frühes Wissen um das zunächst heimliche Leiden ist deshalb die beste Versicherung gegen Dialyse oder Transplantation. „Hausärztinnen und Hausärzte sollten regelmäßig mit einer Blut- und Urinuntersuchung die Nierenfunktion überprüfen“, betont die Expertin Sylvia Stracke – vor allem dann, wenn Menschen an Diabetes leiden oder an hohem Blutdruck.

Nierenwerte überprüfen lassen

In vielen Fällen kann allein die konsequente Behandlung mit ­blutdrucksenkenden Medikamenten ver­hindern, dass sich eine leichte chronische Nierenkrankheit verschlechtert. In diesem Sinne empfiehlt die Europäische Gesellschaft für Hypertonie in ihren neuen Behandlungsleitlinien erstmals, bei der Therapie des Bluthochdrucks systematisch nach Nierenschäden zu fahnden, um diese möglichst früh zu erwischen.

Findet sich im Urin zum Beispiel ein bestimmtes Eiweiß (Albumin), zeigt das frühzeitig einen Nierenschaden an. Klettert der Albumin-Wert auf über 150 Milligramm pro Tag, sieht die Leitlinie eine Senkung des Blutdrucks auf unter 130/80 mmHg vor. Wer bei der Erstdiagnose des Bluthochdrucks noch keine Nierenschäden hat, sollte seine Nierenwerte nach drei Jahren erneut checken lassen; wer bereits eine leichte chronische Nierenkrankheit hat, entsprechend öfter.

Nebenwirkungen im Blick behalten

Noch sind sich die Expertinnen und Experten nicht einig, welche Nierenkranken die SGLT2-Hemmer bekommen sollten. Spezialistin Sylvia Stracke plädiert dafür, diese Medikamente nur bei mäßig eingeschränkter Nierenfunktion und noch nicht zu stark erhöhter ­Eiweißausscheidung zu verordnen.

Der Diabetologe Andreas Klinge verweist außerdem auf die möglichen Nebenwirkungen. Das sind vor allem ­Pilzinfektionen im Harnwegs- und Intimbereich, „die aber behandelbar sind und nicht in die Kategorie schwerer Nebenwirkungen fallen“. Viel gefährlicher seien die sogenannten Ketoazidosen, also schwere Stoffwechselentgleisungen mit einer Übersäuerung des Bluts. Sie treten sonst nur bei Menschen mit einem Typ-1-Diabetes auf, infolge eines Insulinmangels oder Wassermangels im Körper.

Warum sie unter der Behandlung mit SGLT2-Hemmern auch bei Menschen mit Typ-2-­Diabetes vorkommen, ist noch nicht geklärt. Klinge: „Das erleben wir immer mal wieder, aber insgesamt doch sehr selten.“ Doch der Nutzen der SGLT2-Hemmer für Menschen mit chronischen Nierenkrankheiten überwiege diese Risiken bei Weitem. „Der Einsatz dieser Medikamente ist gerechtfertigt.“

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