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Kalte, klamme Hände: Das ist nichts Ungewöhnliches an frostigen Herbst- und Wintertagen. Manche Menschen reagieren aber besonders heftig auf die Kälte. Ihre Finger werden erst schneeweiß und lassen sich kaum mehr bewegen, bevor sie sich bläulich und schließlich rot färben. „Das ist typisch für das Raynaud-Phänomen“, sagt Prof. Dr. Gabriela Riemekasten, Leiterin der Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Es wird auch als „Raynaud-Syndrom“ oder „Weißfingerkrankheit“ bezeichnet, aber: „Es hat nicht immer Krankheitswert“, erklärt die Rheumatologin.

Kalte Hände: Gefäße ziehen sich zu stark zusammen

Unser Körper versucht, die Temperatur in seinem Inneren möglichst kon­stant zu halten. Ist es draußen kalt, ziehen sich die Gefäße zusammen, damit wenig Wärme verloren geht. Bei manchen Menschen ist dieser Mechanismus gestört – ihr Körper übertreibt gewissermaßen. Die Gefäße in den Fingern ziehen sich so stark zusammen, dass diese weiß werden und verkrampfen. Aufgrund der schlechten Durchblutung kommt es zu Sauerstoffmangel, die Finger erscheinen bläulich. Außerdem häufen sich darin Stoffwechselprodukte an, die dem Körper signalisieren: Du musst gegensteuern!

Daraufhin erweitern sich die Gefäße oft stark, die Finger werden rot, können brennen, jucken oder pochen. Der Farbwechsel wird auch als Trikolore-Phänomen (siehe Grafik unten) bezeichnet. „Zur Diagnose reichen aber zwei Farben aus“, erklärt Riemekasten. Typisch sei außerdem, dass die Färbung anfallsartig auftrete und man eine klare Linie zwischen normalen und verfärbten Arealen sehe. Hat sich die Durchblutung normalisiert, bleiben normalerweise keine Schäden zurück.

Ursachen abklären: Ist es das Raynaud-Syndrom?

Man muss allerdings unterscheiden: Gibt es für die Beschwerden keine klare Ursache? Dann handelt es sich um ein primäres Raynaud-Phänomen. Das trifft auf die meisten Fälle zu –und ist gar nicht so selten: Laut der Deutschen Gesellschaft für Angiologie sind 7 bis 12 Prozent der Bevölkerung betroffen, Frauen etwa viermal häufiger als Männer. Meistens treten die Beschwerden in oder nach der Pubertät erstmals auf. In jedem Fall lohnt es sich, die Ursachen einmal abzuklären. Denn die Durchblutungsstörung kann auch Symptom einer anderen Erkrankung sein. Dann spricht man von einem sekundären Raynaud-Syndrom. Die Finger sind dann oft auch weich, geschwollen oder vernarbt.

„Typischerweise tritt das bei Patienten auf, die eine Bindegewebserkrankung, zum Beispiel Sklerodermie, haben“, sagt Elisabeth Kaburidis, Oberärztin an der München Klinik Bogenhausen. Dabei handle es sich um eine Autoimmunerkrankung: Das Immunsystem richtet sich gegen körpereigene Strukturen, in diesem Fall das Bindegewebe. Auch bestimmte Medikamente, ­etwa Beta-Blocker, können die Symptomatik verursachen. Eine gründliche Abklärung sei daher unerlässlich, so Angiologin Kaburidis. „Man schaut sich den ganzen Menschen und seine Hände an und fragt auch Dinge wie: ‚Was machen Sie beruflich?‘“ Eine Arbeit im Kühlhaus, mit Chemikalien oder Werkzeugen, die stark vibrieren, könne die Gefäße schädigen.

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Grunderkrankung behandeln – und Durchblutung fördern

Bei typischen Symptomen rät Riemekasten, zunächst die Hausärztin oder den Hausarzt aufzusuchen. Sie können mittels gezielter Untersuchungen, zu denen auch ein Bluttest gehört, erkunden, ob es sich um eine harm­lose Durchblutungsstörung handelt oder eine Erkrankung zugrunde liegt. Einen entsprechendem Verdacht können weitere Fachärzte abklären, etwa Rheumatologinnen oder Angiologen.

Und dann? „Bei einem sekundären Raynaud-Phänomen gilt es, zunächst die Grunderkrankung zu behandeln“, sagt Kaburidis. Und: alles vermeiden, was die Gefäße schädigt, zum Beispiel Rauchen. Weitere Maßnahmen, die sie allen Betroffenen rät: Hände und Füße stets warm und trocken halten, schon ab 10 Grad Außentemperatur (eventuell elektrisch beheizbare) Handschuhe tragen und Stress vermeiden. Ein gezieltes Muskeltraining kann die Durchblutung der Finger verbessern. Hilft all das nicht, kann man auch medikamentös eingreifen.Arzneimittel, die sonst bei Bluthochdruck eingesetzt werden, können helfen, die Verkrampfung der kleinen Gefäße zu lösen. Es gebe noch ein paar weitere Therapie-Möglichkeiten, sagt Riemekasten, aber: „Man wird es nicht in allen Fällen komplett in den Griff kriegen.“

Liegt dem Raynaud-Syndrom eine Bindegewebserkrankung zugrunde, können die Symptome mitunter über Jahre oder Jahrzehnte bestehen, bevor die eigentliche Krankheit ausbricht. Regelmäßige ärztliche Untersuchungen sind deshalb sinnvoll. Für Menschen mit einem primären Raynaud-Syndrom sind die Aussichten gut: Bei etwa einem Drittel verbessern sich die Probleme mit der Zeit oder verschwinden ganz, oft mit den Wechseljahren.

Frau schaut ihre kalten Finger an

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Quellen: