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Ständiger Harndrang und ein höllisches Ziehen und Brennen beim Wasserlassen: Das sind die typischen Beschwerden bei einer Blasenentzündung. Wer dreimal oder öfter im Jahr darunter leidet, hat laut Definition einen chronisch wiederkehrenden Harnwegsinfekt. Meist wird Betroffenen in diesem Fall eine Langzeit-Antibiotika-Therapie verordnet. Das Problem: Die Dauereinnahme von Antibiotika kann Bakterien mit der Zeit unempfindlich machen, also Resistenzen fördern. Dadurch, dass diese Arzneimittel außerdem die natürliche Darmflora beeinflussen, geht die Behandlung manchmal mit Nebenwirkungen wie Durchfall einher.

Wie schön wäre es da, wenn eine Therapie gar nicht nötig wäre, weil man einer erneuten Blasenentzündung einfach vorbeugen könnte? Genau das verspricht eine Impfung, die wie eine Immunstimulation funktioniert: Dadurch, dass dem Körper inaktivierte Bakterien oder Bakterienbestandteile zugeführt werden, wird das Immunsystem so auf die Erreger vorbereitet, dass es sie in Zukunft besser bekämpfen kann.

Erfolgsquote variiert stark

Dreimal wird dazu die Injektion mit einem Abstand von ein bis zwei Wochen in die Oberarmmuskulatur gespritzt. Nach einem Jahr kann sie aufgefrischt werden. In Studien hatten einige Teilnehmerinnen daraufhin weniger Harnwegsinfektionen. Allerdings variierte die Erfolgsquote je nach Untersuchung stark.

Ähnlich wie die Spritze wirkt die orale Immunstimulation. Hierfür müssen Betroffene einige Monate lang Tabletten mit Bakterienbestandteilen schlucken. Im Schnitt zeigte sich bei mehr als einem Drittel der Teilnehmerinnen eine Besserung. „Für Patientinnen, die immer wieder unter einer Blasenentzündung leiden, kann die Behandlung durchaus sinnvoll sein“, sagt Professorin Daniela Schultz-Lampel, Fachärztin für Urologie und Direktorin des Kontinenzzentrums am Schwarzwald-Baar Klinikum. „Manchmal lässt sich dadurch eine Therapie mit Antibiotika vermeiden.“

Kein Schutz vor allen Erregern

Manche Expertinnen und Experten bemängeln die Qualität der Studien und zweifeln deshalb an deren Aussagekraft. Dazu kommt: Bei einigen Frauen zeigten die Behandlungen überhaupt keinen Effekt. „Das Hauptproblem bei Blasenentzündungen ist, dass sie durch viele unterschiedliche Erreger hervorgerufen werden“, sagt Daniela Schultz-Lampel. Zwar sei das Darmbakterium E. coli besonders oft der Auslöser, aber auch andere Keime spielen eine Rolle.

Und: Selbst Bakterien einer Art unterscheiden sich, wenn sie verschiedenen Stämmen angehören. Keine Behandlung kann bislang vor allen Erregern schützen – auch wenn Hersteller bereits versucht haben, ein möglichst breites Keimspektrum abzudecken. So enthält die Spritze mehrere Arten inaktivierter Bakterien. Die Tabletten beschränken sich auf Bestandteile des Bakteriums E. coli, enthalten aber 18 verschiedene Stämme des Darmkeims.

Urinuntersuchung gibt Aufschluss

Aber für wen eignet sich nun welche Methode? „Um das passende Präparat auszuwählen, ist es wichtig zu wissen, welcher Keim für die wiederkehrenden Infektionen verantwortlich ist“, so Schultz-Lampel. Eine Urinuntersuchung während einer akuten Blasenentzündung kann Aufschluss geben. „Stellt sich im Labor aber heraus, dass eine Patientin andere Erreger hat als die, die in den Präparaten stecken, wird keine Variante funktionieren“, erklärt die Expertin. Ist der Keim dagegen durch ein Präparat abgedeckt, sei die Behandlung einen Versuch wert. Die Leitlinie, also eine Art Handlungsempfehlung für Ärztinnen und Ärzte, empfiehlt die orale Immunstimulation vor einer Langzeit-Antibiotika-Gabe. Bei der Spritze ist man zurückhaltender: Sie „kann“ laut Leitlinie eingesetzt werden.

Keine Kostenübernahme

Die Kosten (je etwa 150 Euro) übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen für keine der Behandlungen. Außerdem können beide Therapien mit Nebenwirkungen einhergehen. Bei der Injektion reichen sie von Schmerzen an der Einstichstelle bis hin zu seltenen Immunreaktionen. Die Tabletten zeigten in Studien eine etwas bessere Verträglichkeit.

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