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Farbenfrohe Bilder von Gehirnen und ein grüner Schriftzug „Ambulanz“ weisen den Weg zur Gedächtnisambulanz am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung im Münchner Klinikum Großhadern. Jährlich werden hier rund 2000 Patientinnen und Patienten betreut. 200 solcher Zentren für Demenzerkrankungen gibt es deutschlandweit. Oft sind sie auch an Universitäten und Forschungszentren angegliedert.

Warum ist eine frühe Demenz-Diagnose wichtig?

„Eine Demenz sollte möglichst frühzeitig diagnostiziert werden. Doch gerade im frühen Stadium ist die Diagnose oft schwierig“, sagt Dr. Katharina Bürger, Leiterin der Gedächtnisambulanz Großhadern und Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Daher sind die Am­bulanzen wichtige ­Anlaufstellen für Menschen mit Gedächtnis­ver-änderungen und Verdacht auf eine Demenz. Zum einen gibt es verschiedene Demenzerkrankungen, die sich unterschiedlich äußern. Zum ande­ren ähneln die Symptome einer Demenz anfangs anderen Krankheiten, die ihren Ursprung aber gar nicht im Gehirn haben.

So lassen sich Gedächtnis- und Orientierungsschwierigkeiten, Konzentrationsstörungen, depressive Gedanken oder ein gestörter Schlafrhythmus nicht eindeutig zuordnen. Und häufig dauert es Monate oder Jahre, bis solche Symptome von Betroffenen oder deren Angehörigen als mögliche Demenzzeichen wahrgenommen werden.

Wer wird in die Gedächtnisambulanz überwiesen?

Eine Demenzdiagnose im Frühsta­dium zu stellen gleicht ein wenig der Arbeit eines Detektivs: Es gibt nicht die eine Untersuchung, sondern verschiedene Methoden sind notwendig. Dazu braucht es ein Team aus Fachärztinnen und Psychologen.

In die Gedächtnisambulanz kommen Menschen, die seit mehreren Monaten ­Gedächtnisauffälligkeiten haben und von ihrem Hausarzt oder ihrer Fachärztin zur Abklärung überwiesen wurden. Es sind eher die „kniff­ligen Fälle“ mit uneindeutigen Sympto­men. So wie bei Reiner S. „Mein Mann hatte sich verändert. Er ­wurde vergesslicher und zog sich immer mehr zurück. Wir haben immer häufiger miteinander gestritten“, erinnert sich seine Frau Renate an die erste Zeit.

Der Neurologe des 79-Jährigen ­diagnostizierte eine Depression. Als Medikamente ­keine Besserung bewirkten, wurde er schließlich an die Ambulanz überwiesen. „Eine Demenz ähnelt in den Anfangsstadien oft einer Depres­sion. Eine differenzierte Diagnose ist wichtig“, sagt Medizinerin Bürger. Bei Depression könne man gezielt behandeln. Dann verschwinden auch die Klagen über Gedächtnisprobleme wieder. Und stelle sich eine Demenz heraus, könne früh unterstützt werden, was erheblich zur Lebensqualität beitrage.

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Erste Station der Gedächtnisambulanz: Der Gedächtnis-Check

Der erste Weg in der Gedächtnis­ambulanz Großhadern führt die Patientinnen und Patienten oft zu Konstanze Strohm, eine der Psychologinnen im Team. Sie ist zuständig für die neuropsychologischen Tests. „Damit prüfen wir die Merk- und Konzentrationsfähigkeit, das Sprachverständnis, logisches Denken und visuell-räumliche Fähigkeiten“, erklärt sie. Strohm empfängt in einem nüchtern weißen Büro, damit nichts ablenkt und die Patienten sich gut konzentrieren können.

Konstanze Strohm kümmert sich um die psychologischen Tests in der Gedächtnisambulanz des LMU Klinikums Großhadern in München.

Konstanze Strohm kümmert sich um die psychologischen Tests in der Gedächtnisambulanz des LMU Klinikums Großhadern in München.

Die Psychologin sitzt ihrem Pa­tienten gegenüber und liest langsam die Aufgaben vor. „Für viele ist das eine unangenehme Situation, denn bei den Aufgaben wird deutlich, was nicht mehr funktioniert“, erzählt sie. Auch deshalb fänden die Tests ohne Angehörige statt. „Die Patienten verhalten sich dann erfahrungsgemäß freier, weil sie sich nicht vor ihrem Angehörigen beweisen wollen oder schämen“, so Strohm.

Manchmal erlebe sie, dass Pa­tienten zu Hause einzelne Aufgaben geübt oder mit ihren Angehörigen durchgeführt haben, etwa den Uhren­test. Dabei soll eine Person eine Uhr mit Zifferblatt aufzeichnen und darin eine bestimmte Uhrzeit markieren. „Wenn man das zu Hause macht, bringt das nicht viel. Als Laie lässt sich das Ergebnis nicht bewerten“, sagt die Psychologin.

Zur Untersuchung sollten Hilfsmittel wie ­Brille oder Hörgeräte mitgebracht werden. Strohm erklärt, warum: „Wenn man nicht richtig sehen oder hören kann, fällt es viel schwerer, die Aufgaben zu lösen – und das kann das Ergebnis beeinträchtigen.“

Zweite Station der Gedächtnisambulanz: Der Körper-Check

Nach den psychologischen Tests folgen ein ausführliches Gespräch mit der Fachärztin und eine körperliche Untersuchung. „Unabdingbar ist es, dass die Patienten alle Vorbefunde vom Neurologen und Hausarzt sowie den Medikamentenplan mitbringen“, sagt Bürger. Sie rät dazu, gemeinsam mit ­einem Angehörigen zu kommen: „Im Gespräch erfahre ich so von Problemen im Alltag, die Betroffene oft nicht wahrnehmen und erklären können.“

Für Angehö­rige fühlt sich dies unter Umständen an, als würden sie sich illoyal verhalten. Wer sich damit unwohl fühlt, kann seine Beobachtungen aufschreiben und die Aufzeichnungen mitbringen.

Kaharina Büger leitet die Gedächtnis­ambulanz des LMU Klinikums Großhadern in München.

Kaharina Büger leitet die Gedächtnis­ambulanz des LMU Klinikums Großhadern in München.

Untersucht werden zudem Urin und Blut. Denn ein Mangel an bestimmten Vitaminen oder Gehirn- Botenstoffen kann neurologische Defizite verursachen, die Alzheimer ähneln. „Wir testen auch auf andere Erkrankungen. Wenn wir diese ausschließen können, dann handelt es sich sehr wahrscheinlich um Alzheimer“, erklärt Bürger. Ein eindeutiger Nachweis ist bislang nur durch Gewebeproben bei einer Autop­sie nach dem Tod möglich.

Bei Verdacht auf eine Demenz können weitere Untersuchungen nötig sein, etwa eine Lumbalpunk­tion. Mithilfe einer feinen Nadel wird dann Nervenwasser aus dem Kanal der Wirbelsäule entnommen. „Bei Alzheimer zeigen sich im Nervenwasser typische Veränderungen bestimmter Eiweiße“, so Bürger.

Um einen Tumor oder ein Blutgerinnsel nach einem Schlaganfall auszuschließen, werden bildgebende Verfahren wie Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computerto­mo­graphie (CT) eingesetzt. Die Expertin: „Damit können wir erkennen, welche Regionen im Gehirn betroffen sind.“ Das Team der Ambulanz trifft sich einmal pro Woche, um sich bei Unklarheiten auszutauschen und das weitere Vorgehen zu besprechen.

Dritte Station der Gedächtnisambulanz: Diagnose und Beratung

Liegen die Untersuchungsergebnisse vor, folgt die Diagnose. „Wir nehmen uns viel Zeit für die Aufklärungsgespräche mit den Familien, weil eine Alzheimerdiagnose mit vielen Fragen und Sorgen einhergeht“, sagt Bürger. Sie könne Medikamente verschreiben, die den Verlauf verlangsamen, aber heilen lasse sich eine Demenz nicht. Als Vorsitzende der Alzheimer Gesellschaft München kennt Bürger die Herausforderungen, die eine Demenz im Alltag mit sich bringt. Betroffene und Angehörige müssten ihren eigenen Weg finden. Dabei unterstützen können Pflegestützpunkte, die Alzheimer Gesellschaften und Sozialdienste.

Hier in der Ambulanz Großhadern berät Veronique Handfest rund um das ­Thema Demenz und hilft bei Anträgen für einen Pflegegrad. „Viele Menschen fallen nach der Diagnose in ein Loch und denken, dass mit Demenz alles vorbei ist. Aber das stimmt nicht. Man kann viel machen und für eine gute Lebensqualität sorgen“, so die gelernte Krankenschwester und Soziologin. Dazu brauche es Wissen über den Verlauf und die Behandlungsweisen.

In der Gedächtnis­ambulanz des LMU Klinikums Großhadern in München berät Veronique Handfest Familien und unterstützt bei Anträgen.

In der Gedächtnis­ambulanz des LMU Klinikums Großhadern in München berät Veronique Handfest Familien und unterstützt bei Anträgen.

Die Expertin der Ambulanz bietet Betroffenen mit Demenz im Frühstadium und auch deren Angehörigen an, an einem Gruppenprogramm teilzunehmen. „Darin klären wir über Demenz und Therapien sowie Entlastungs- und Unterstützungsmöglichkeiten auf. Wichtig ist auch, dass man mit anderen in Kontakt kommt und sich austauschen kann“, so Handfest. Renate S. sagt rückblickend: „Die Diagnose war schwer und gleichzeitig gut, denn nun weiß ich, was hinter all den Veränderungen steckt.“ Sie und ihr Mann sind dankbar für die Unterstützung der Ambulanz. In den Fluren und im Aufenthaltsraum hängen Bilder, die in der Kunst­gruppe entstanden sind. Betroffene werden hier einmal im Monat kreativ.Viele Bilder strahlen in kräftigen Farben: Gelb, Rot und Blau. Als würden sie zeigen, dass nach der Diagnose nicht alles schwarz wird.