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Von Großvater Josef wird in der Familie noch oft erzählt – auch dass er nur 45 Jahre alt wurde. Doch was hatte er eigentlich? Zwei Schwestern der Mutter starben ebenfalls recht früh. Aber woran? In vielen Familien wird über die Erkrankungen enger Angehöriger nicht gern geredet.

Krebsfälle in der Verwandtschaft

Eine verschenkte Chance, wie Humangenetiker Prof. Stefan Aretz findet. Denn die Krankheiten naher Verwandter können wichtige Hinweise auf das eigene Risiko geben. Zum Beispiel bei Krebs. Bei fünf bis zehn Prozent der bösartigen Tumorerkrankungen steht eine vererbte Anlage dahinter. „Davon zu wissen, kann lebensrettend sein“, sagt Aretz, der am Universitätsklinikum Bonn viele Menschen mit erblichen Tumorerkrankungen diagnostiziert und berät. Vorbeugende Maßnahmen können dann das Risiko für einen tödlichen Verlauf deutlich verringern.

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Wie aber weiß man, ob man betroffen ist? Wichtige Hinweise geben Krebsfälle in der nahen Verwandtschaft. Häufen sich Tumorerkrankungen in der Familie, stecken allerdings nicht immer die Gene dahinter. Weitergegeben wird oft auch der Lebensstil, der das Krebsrisiko ebenfalls stark beeinflusst. Auch sind Tumorerkrankungen insgesamt sehr häufig.

Dennoch: „Gibt es auffällig viele Krebserkrankungen in der Familie, sollte man aufmerksam werden“, sagt Aretz. Ebenfalls, wenn Angehörige sehr früh an Krebsarten erkranken, die meist erst viel später auftreten, oder es mehrmals im Leben zu Krebs kommt. Auch seltene Tumorleiden sind ein Hinweis. Dann ist das Risiko erhöht, dass die Erkrankung erblich ist.

Wie Krebs unsere Gene verändert

Doch was bedeutet das? Wenn man von „Krebsgenen“ spricht, sind damit bestimmte Veränderungen im Erbgut gemeint – auch Mutationen genannt. Diese können zum Beispiel dazu führen, dass der Körper die Entstehung von Krebs schlechter verhindern kann. Sogenannte Reparaturgene, die Erbgutschäden ausbessern, sind defekt oder funktionieren nicht richtig.

„Genschäden entstehen quasi täglich“, erklärt Aretz. Durch Umwelteinflüsse, aber auch bei der Zellteilung. Bei Trägern einer erblichen Veranlagung können diese schlechter repariert werden – das Krebsrisiko ist erhöht. „Oft kommt es zu einem typischen Spektrum von Krebsleiden“, erklärt Aretz. So haben vom Lynch-Syndrom Betroffene nicht nur ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs, sondern auch für Tumore in den Harnleitern, Frauen zudem in der Gebärmutterschleimhaut und den Eierstöcken.

Familiärer Darmkrebs lässt sich verhindern

Die wichtigste Strategie der Darmkrebsvorsorge ist die Darmspiegelung (Koloskopie). Noch gutartige Polypen können hierbei erkannt und sofort entfernt werden. Bei familiärem Darmkrebs sollte die erste Darmspiegelung zehn Jahre vor dem Alter erfolgen, in dem beim jüngsten an Darmkrebs erkrankten Familienmitglied die Krankheit aufgetreten ist, spätestens aber mit 40 bis 45 Jahren. Beim Lynch-Syndrom sollte die Vorsorge spätestens im Alter von 25 Jahren beginnen. Bei der Familiären Adenomatösen Polyposis (FAP) wird meist im frühen Erwachsenenalter der Dickdarm entfernt.

Wer den Verdacht hat, dass er oder sie betroffen sein könnte, sollte sich an seine Hausärztin oder seinen Hausarzt wenden. Dort kann man an spezialisierte Fachleute überweisen, etwa in die humangenetische Sprechstunde einer Klinik. Kommt man dort zu dem Schluss, dass ein erhöhtes Risiko für eine genetische Veranlagung besteht, kann ein Gentest vorgenommen werden. Die Untersuchung ist immer freiwillig und wird bei Bedarf von der Kasse erstattet. Wird keine genetische Veränderung entdeckt, bringt dies aber keine absolute Sicherheit. Denn längst nicht alle sind bekannt.

Gut erprobte Voruntersuchungen

Einige sind aber bereits gut untersucht: Erkrankte zum Beispiel die Großmutter mütterlicherseits jung an Brustkrebs, die eigene Mutter ebenfalls? Dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass eines der sogenannten Brustkrebsgene mitbeteiligt ist. Am bekanntesten sind BRCA1 und BRCA2. BRCA steht dabei für „breast cancer“, das englische Wort für Brustkrebs.

„Durch Angelina Jolie weiß fast jede Frau, dass es diese Gene gibt“, sagt Brustkrebsexpertin Prof. Pia Wülfing. Jolie, die Trägerin eines Brustkrebsgens ist, entschied sich für eine radikale Vorsorgemaßnahme und machte dies öffentlich: Sie ließ sich die Brustdrüsen entfernen, etwas später auch die Eierstöcke. „Ein mutiger Schritt“, findet Wülfing, die mit der Plattform „PINK!“ ein Onlineangebot aufgebaut hat, bei dem Brustkrebspatientinnen fachlich fundierte Beratung erhalten.

Die richtige Vorsorge bei erblichem Brustkrebs

Bei erblichem Brustkrebs (BRCA1/2) können vorsorglich die Brustdrüsen und Eierstöcke entfernt werden. Alternativ wird ein intensiviertes Früherkennungsprogramm empfohlen. Beginn ist ab dem Alter von 25 Jahren oder fünf Jahre vor dem frühesten Erkrankungsalter in der Familie. Früherkennungsprogramme mit ähnlich guten Erfolgen gibt es für Eierstockkrebs derzeit nicht. Bei familiärer Häufung ohne bekannte Genveränderung ist ebenfalls intensivierte Früherkennung sinnvoll.

Zum Beispiel die wichtige Information, dass die bekannten Brustkrebsgene nicht nur das Risiko für Brustkrebs erhöhen, sondern zudem für Eierstockkrebs. „Auch für einige andere Tumorerkrankungen wie Darmkrebs ist das Risiko etwas erhöht“, sagt Wülfing. Was ebenfalls oft vergessen wird: „Brustkrebsgene können nicht nur über die weibliche Linie vererbt werden“, sagt Wülfing. Auch bei Männern können Veränderungen in den BRCA1/2-Genen zu Brustkrebs führen, was aber eher selten ist. Häufiger sind sie an der Entstehung von bösartigen Tumoren in der Prostata und Bauchspeicheldrüse beteiligt. Bei Erkrankungen in der väterlichen Linie muss man also ebenfalls aufmerksam werden.

Wann ein Gentest Sinn macht

Sinnvoll kann ein Gentest auch für bereits Erkrankte sein. Denn das Ergebnis hat nicht nur Folgen für Verwandte, die sich bei einer bestehenden Genveränderung ebenfalls testen lassen sollten. Es kann auch Einfluss auf die Behandlung haben, etwa die Art der Operation und die Wahl der Medikamente. Brustkrebsexpertin Wülfing ist zudem wichtig, dass eins im Bewusstsein bleibt: „Brustkrebs kann jede Frau treffen, auch ohne Veranlagung.“ Früherkennung ist daher immer wichtig, auch wenn niemand in der Familie erkrankt ist.

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Eine genetische Ursache ist nicht nur bei Brustkrebs bekannt. Auch bei anderen häufigen Krebserkrankungen wie Darm- und Prostatakrebs kommt es oft zu familiären Häufungen. Auch wenn Betroffene nichts an ihrer Veranlagung ändern können: Völlig schicksalhaft ausgeliefert sind sie ihr nicht.

Familiären Prostatakrebs früh erkennen

Männer, in deren Familie mehrere Verwandte an Prostatakrebs erkrankt sind, sollten sich individuell ärztlich beraten lassen, wann Früherkennungsuntersuchungen sinnvoll sind. Standard ist eine Untersuchung, bei der die Prostata vom Enddarm her abgetastet wird. Zusätzliche Informationen liefert die Bestimmung des prostataspezifischen Antigens (PSA) im Blut. Diese wird allerdings bislang nicht von den Kassen übernommen. Bei Hinweisen auf Krebs wird vor einer Biopsie eine Magnetresonanztomographie empfohlen.

So weisen Untersuchungen bei Prostatakrebs darauf hin, dass der Lebensstil entscheidend dazu beiträgt, ob es zu einer tödlichen Krebserkrankung kommt. Das gilt wohl auch für andere erblich bedingte Tumorarten. Nicht zu vergessen, so Aretz: „Trotz Veranlagung entwickelt nicht jeder Betroffene Krebs.“ Ein gesundes Leben könnte dabei eine wichtige Rolle spielen.

Bluttests auf Krebs könnten künftig dabei helfen, krankes Gewebe schneller zu entdecken – und eine Therapie zu starten.

Bluttest bei Krebs: Die Spuren des Tumors

Sie können die Therapie schon heute verbessern. Künftig könnten Analysen von Blut und Urin auch dabei helfen, bösartiges Gewebe schon frühzeitig zu erkennen. zum Artikel


Quellen: