Logo der Apotheken Umschau

Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland nicht strafbar, wenn bestimmte Auflagen und Fristen eingehalten werden. 2022 haben laut Statistischem Bundesamt 99.840 Personen unter diesen Bedingungen eine Schwangerschaft beendet[1]. Die medizinischen Eingriffe bewegen sich damit im rechtlichen Rahmen. Dennoch sind viele Frauen, die sich offensichtlich nicht dazu in der Lage sehen, ein Kind auf die Welt zu bringen oder schlicht keines wollen, einem anderen Urteil ausgesetzt: nämlich dem selbsternannter Lebensschützer. Und nicht nur das: Teils leiden sie sogar unter deren Aggressionen.

Denn vor einigen Beratungsstellen, Arztpraxen und Kliniken stehen regelmäßig Wildfremde: Mit Plakaten oder lauten Gebeten wollen sie Einfluss nehmen auf die höchst individuelle Entscheidung von Personen, die aufgrund ihres Schwangerschaftskonflikts wahrscheinlich sowieso schon unter Druck stehen.

Redakteurin Laura Patz hat kein Verständnis für die Übergriffe sogenannter Lebensrechtler.

Redakteurin Laura Patz hat kein Verständnis für die Übergriffe sogenannter Lebensrechtler.

Gehsteigbelästigung ist hoffentlich bald gegen das Gesetz

Bisher wurde dieser unsäglichen sogenannten Gehsteigbelästigung kaum Einhalt geboten. Doch mit Beginn des Jahres wird diesen Übergriffen endlich mehr kritische Aufmerksamkeit geschenkt. So beschloss das Bundeskabinett vergangene Woche einen neuen Gesetzentwurf von Familienministerin Paus. Es handet sich um die zweite Änderung des Schwangeschaftkonfliktgesetzes. Dieses muss aber noch durch den Bundestag. Mit Inkrafttreten des Gesetzes dürfen sich Abtreibungsgegner, die als solche auftreten, entsprechenden Beratungsstellen, Arztpraxen oder Kliniken nicht auf 100 Meter nähern. Andernfalls droht ihnen ein Bußgeld von bis zu 5.000 Euro[2].

Der Beschluss ist richtig und zudem längst überfällig. Schon jetzt stellen „Lebensschützer“ eine Gefahr dar. Denn sie verbreiten teils nicht nur Desinformationen, sondern können Schwangeren auch Angst machen oder ein schlechtes Gewissen einreden. Dem muss politisch und rechtlich entgegengewirkt werden, bevor die Situation sich verschärft. Etwa in den USA sieht man, dass Abtreibungsgegner dazu bereit sind, noch deutlich radikaler zu werden. Die verbale Gehsteigbelästigung ist dort mancherorts längst extremer physischer Gewalt gewichen.[3]

Übergriffe auch auf medizinisches Personal

Außerdem wäre denkbar, dass weiter unkontrolliertes Tun der „Lebensrechtler“ dazu führt, dass weniger Praxen über die monatlich aktualisierte Liste der Bundesärztekammer (BÄK) darüber informieren, dass sie Abbrüche anbieten. Denn auch Ärztinnen, Ärzte, ja das gesamte Personal entsprechender Einrichtungen wird von Abtreibungsgegnern angegangen – dafür, dass sie ihren Job machen.

Für mehr Schutz dahingehend hat sich kürzlich der Präsident der BÄK, Klaus Reinhardt, ausgesprochen. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte er, medizinisches Personal sei Beleidigungen sowie Drohungen ausgesetzt, die man nicht mit Meinungs- oder Versammlungsfreiheit rechtfertigen könnte. Verwunderlich wäre es da wohl nicht, wenn Kliniken zu ihrem eigenen Schutz das Handtuch werfen und keine Abbrüche mehr anbieten oder darauf hinweisen würden.

So weit lässt es die Politik hierzulande wohl glücklicherweise nicht kommen. Stattdessen könnte der Gesetzentwurf Selbstbestimmung stärken. Denn ob sie eine Schwangerschaft beendet oder nicht, kann jede Schwangere für sich entscheiden. Jede Entscheidung ist in Ordnung. Absolut übergriffig ist es aber, die Entscheidung einer anderen Person zu verurteilen oder ungefragt darauf Einfluss nehmen zu wollen – besonders wenn auch noch auf gewaltsamem Weg. Wer zukünftig die Frechheit besitzt, Schwangeren und medizinischem Personal das Leben zur Hölle zu machen, statt tatsächlich Leben zu schützen, soll zumindest dafür zahlen!


Quellen:

  • [1] Statistisches Bundesamt: 9,9 % mehr Schwangerschaftsabbrüche im Jahr 2022. Online: https://www.destatis.de/... (Abgerufen am 25.01.2024)
  • [2] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Kabinett beschließt Gesetzesentwurf gegen Gehsteigbelästigungen. https://www.bmfsfj.de/... (Abgerufen am 25.01.2024)
  • [3] Mason C: From Protest to Retribution, The Guerrilla Politics of Pro-life Violence. In: New Political Science 18.08.2010, 22-1: 11-29
  • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Zweites Gesetz zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG). Online: https://www.bmfsfj.de/... (Abgerufen am 29.01.2024)