Logo der Apotheken Umschau

2019 gründete die heute 64-jährige Cordula Weimann „Omas for Future“. Warum nicht nur junge Menschen, sondern gerade die Generation 50+ etwas für das Klima tun kann, erzählt sie im Interview.

Frau Weimann, wie kamen Sie zur Gründung von Omas for Future?

Im Gespräch mit anderen Frauen erfuhr ich von deren Gefühl der Ohnmacht im Zusammenhang mit der Klimaerwärmung. Darum habe ich ihnen aufgeschrieben, wie sie durch persönliches Verhalten dazu beitragen können, die Zerstörung der Erde aufzuhalten. Sie waren völlig überrascht, denn sie wussten nichts darüber. Da ist mir klar geworden, wie meine Generation 50 Jahre nach dem Motto „höher, schneller, weiter“ immer nur dazu animiert wurde, durch Konsum glücklich zu werden. Über die Risiken und Nebenwirkungen für uns selbst und unsere Umwelt wurden wir aber nicht aufgeklärt.

Gab es einen bestimmten Moment, der den Stein ins Rollen brachte?

Ja, als ich erfuhr, dass wir Menschen 50+ mit 56 Prozent eine Mehrheit der Wähler ausmachen. Und dass wir gleichzeitig das mit Abstand meiste CO2 emittieren. Ich füttere meine Kinder mit dem besten Essen, fahre sie zu ihrem Hobby, versuche also ihnen das beste Leben, die beste Zukunft zu ermöglichen, aber zerstöre gleichzeitig die Erde, ihre Lebensgrundlage! Das passt nicht zusammen.

Haben Sie selbst Enkel?

Ja, und es gab da so einen Moment, wo mich mein Enkelsohn angesehen hat – seine Augen voller Vertrauen – und ich dachte, dass es eine Lüge wäre, ihm zu versichern, dass er dieses Vertrauen in mich und seine Zukunft haben könnte. Denn wir steuerten schon da auf eine Krise zu. Damit ich ihm in die Augen schauen kann, wenn er zehn ist und mich fragt: „Oma, was hast du damals für mich getan, als du wusstest, wie es um die Erde aussieht?“, dafür muss ich jetzt richtig Gas geben, dachte ich.

Warum sollten sich auch Menschen ohne Enkel für den Klimawandel interessieren?

Das Thema betrifft uns alle. Mittlerweile ist bewiesen, dass ein klimabewusster Lebensstil auch gesünder ist. Ein Hauptverursacher der Klimakrise ist zum Beispiel der CO2-Ausstoß durch motorisierten Verkehr, gerade kurze Wege könnte man auch mit dem Fahrrad erledigen. Das tut auch dem Körper gut. Ähnlich steht es um unseren viel zu hohen Fleischkonsum – der ist weder gut für uns noch für das Klima. Und gerade wenn man 50 oder 60 ist, treten auf einmal die damit verbundenen Wohlstandskrankheiten auf: Bluthochdruck, Übergewicht, Herz-Kreislauf-Beschwerden. Über solche Zusammenhänge informieren wir „Omas for Future“.

Mit Klimaschutz assoziiert man meist jüngere Leute. Denken Sie, man tut Ihrer Generation damit unrecht?

Tatsächlich ist es so, dass in der älteren Generation die Bereitschaft zum Ehrenamt viel höher ist als bei Jüngeren. Ich erlebe außerdem immer wieder, dass Menschen zu uns kommen und sagen: „Endlich gibt es euch! Ich fühle mich so hilflos, aber mit euch kann ich etwas tun und ich kann mich mit Gleichgesinnten treffen“. Mittlerweile haben wir neben den circa 80 Regionalgruppen auch Gruppen in Österreich und den Niederlanden. Bis 2025 wollen wir uns verdoppelt haben.

Was tut „Omas for Future“ genau?

Manche machen Straßenstände, andere organisieren ein Zukunftsquiz im TV-Format bei Kaffee und Kuchen. Wieder andere planen vielleicht eine Ausstellung. Wir versuchen Aufklärung niedrigschwellig, teils auch lustig, zu gestalten. Es geht letztendlich darum, eine Botschaft zu vermitteln. Jede Gruppe lebt von den besonderen Kompetenzen der Frauen, die dazu gehören.

Welche Rolle spielt das Frausein bei „Omas for Future“?

Bei uns geht es nicht nur um die Umwelt. „Omas for Future“ ist ein Frauen-Empowerment-Programm. Viele Frauen unserer Generation – besonders die im Westen – waren Hausfrauen. Wir waren wirtschaftlich nirgendwo vertreten. Heute bekomme ich Erfahrungsberichte oder Dankesschreiben von Frauen, die begeistert sind, was sie alles erreichen können. Dass sie etwa wegen ihrer Ortsgruppe auf Augenhöhe mit dem Bürgermeister, dem Landrat oder der Presse sprechen. Natürlich sind bei uns aber auch Männer willkommen. Momentan machen die etwa 20 Prozent unserer Mitglieder aus. Etliche von ihnen gründen auch Regionalgruppen.

Was kann speziell die ältere Generation im Kampf gegen den Klimawandel tun?

Die Älteren haben vor allem mehr Geld und Zeit: Das Haus ist abbezahlt, die Kinder sind erwachsen. Man wird bequemer und hat Geld für das große Auto oder zum Reisen. Viele haben das Gefühl: Ich habe lange Jahre gearbeitet, jetzt möchte ich mir etwas gönnen. Aber das ist zu kurz gedacht. Denn Konsum hat viel mit klimaschädlichem Verhalten zu tun. Die Generation 50+ hat momentan die größten Möglichkeiten, etwas zu verändern. Denn schon durch persönliches Verhalten könnten wir laut Weltklimarat sofort 25 Prozent des weltweiten CO2 reduzieren. Politik und Wirtschaft sind zu langsam, darum sollten wir unser eigenes Potenzial nutzen.

Wie blicken Sie in die Zukunft?

Durch Fridays for Future ist das Thema Klimakrise viel mehr in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Das ist gut. Und auch „Omas for Future“ ist gewachsen. Das würde nicht passieren, wenn nicht immer mehr Menschen erkennen würden, dass es höchste Zeit ist zu handeln.