An Studien teilnehmen: Tipps

Jedes Jahr werden in Deutschland nach Angaben des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte etwa 1000 klinische Studien genehmigt, für die mehrere Tausend Teilnehmer gesucht werden
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Mit Herzensangelegenheiten kennt sich Klaus H. aus. Der 75-jährige Berliner lebt seit vielen Jahren mit Vorhofflimmern. Eine Herzrhythmusstörung, von der in Deutschland fast 1,8 Millionen Menschen betroffen sind. Sie haben deshalb auch ein höheres Schlaganfallrisiko. Etwa jeder dritte Schlaganfall bei Älteren ist darauf zurückzuführen.
Viele Menschen bemerken nicht einmal, wenn sich ihr Herz verstolpert. "Mir ist das so oft passiert, dass ich schon kurz vorher gemerkt habe, wenn es wieder losgeht", sagt Klaus. Weil er nicht nur an Herzrhythmusstörungen leidet, sondern auch Diabetes und Nierenprobleme hat, ist er das, was Mediziner einen Hochrisikopatienten nennen. Daher nimmt er jetzt an einer klinischen Studie teil, die genau solche Patienten als Teilnehmer sucht.
Studiendesign: Vergleich zweier Behandlungsmethoden
Sie heißt Closure AF, fast 60 spezialisierte Herzzentren in Deutschland sind daran beteiligt. Mediziner wollen mit der Untersuchung herausfinden: Was ist die beste Therapie für Menschen mit Vorhofflimmern, die neben einem hohen Schlaganfallrisiko auch andere Risiken haben? "Diese Frage wurde so bislang noch nicht in einer großen Studie untersucht", sagt Dr. Carsten Skurk, stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik für Kardiologie der Charité Berlin.
Die Studie soll bei Hochrisikopatienten wie Klaus H. zwei Therapiemöglichkeiten vergleichen. Zum einen ein Eingriff, der das Schlaganfallrisiko senken kann. Dabei wird ein bestimmter Teil des linken Vorhofs im Herzen verschlossen: das sogenannte Vorhof-Ohr, wo sich die Blutgerinnsel meistens bilden. "Die andere Hälfte der Patienten bekommt die derzeit bestmögliche medikamentöse Behandlung", sagt Skurk. Also gut verträgliche Arzneien, die die Blutgerinnung hemmen – und so einem Schlaganfalls vorbeugen sollen.
Ohne Probanden keine klinischen Studien
Egal ob es darum geht, neue Behandlungen wissenschaftlich zu untersuchen oder Therapien miteinander zu vergleichen: Ohne freiwillige Teilnehmer würde es keine klinischen Studien geben. "Und ohne gute Studien gäbe es keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse in der Medizin", sagt die Gesundheitswissenschaftlerin Professorin Ingrid Mühlhauser, die sich im Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin für Patienteninformation und -beteiligung engagiert.
Klinische Studien haben in Deutschland strenge gesetzliche Auflagen zu erfüllen, um mögliche Risiken für die Teilnehmer zu begrenzen. Vorab muss etwa das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) zustimmen. Dort werden die sogenannten Studienprotokolle überprüft, in denen Wissenschaftler wichtige Informationen zu ihrem Forschungsprojekt darlegen – etwa, welche Studien es zu dem Thema bereits gab und warum eine weitere Untersuchung dennoch notwendig ist.
Die Wissenschaftler müssen ihre Protokolle auch einer Ethikkomission vorlegen, die nach ethischen, medizinischen und juristischen Kriterien den Nutzen und die Risiken für die Teilnehmer abwägt. Diese Kontrollen sind in der Regel wirksam: Schwere Zwischenfälle bei klinischen Studien kommen in Europa extrem selten vor.
Vor der Teilnahme über mögliche Risiken informieren
Trotzdem sollte man sich überlegen, was man sich von einer Studienteilnahme erwartet. Für manche zählt vielleicht der Gedanke, dass sie dadurch die klinische Forschung unterstützen wollen. Doch auch die eigene Krankheitsgeschichte gibt manchmal den Ausschlag.
"Ist man als Patient etwa durch eine Krankheit unmittelbar betroffen, dann kann das ein guter Grund für die Teilnahme sein", berichtet Ingrid Mühlhauser. Das gilt nicht nur für klinische Studien zu Krebserkrankungen, bei denen sich Patienten von ihrer Teilnahme mitunter einen frühen Zugang zu neuen Behandlungsmethoden erhoffen.
Studienteilnahme: So läuft sie ab
Dass man sich als Proband aber nicht unbedingt in der Gruppe befindet, die so ein neues Medikament erhält, darüber müssen Ärzte im Aufklärungsgespräch hinweisen. Erst wenn der Teilnehmer über Nutzen und Risiken der Untersuchung informiert wurde und eine Einwilligungserklärung unterschrieben hat, kann es losgehen.
Wer die Studien finanziert
Mancher wird vorher jedoch vielleicht auch wissen wollen, wer die Studie finanziert. Tatsächlich werden die meisten klinischen Studien in Deutschland von pharmazeutischen Unternehmen durchgeführt. Laut dem Deutschen Studienregister wurden 2017 insgesamt 256 Phase-III-Studien abgeschlossen, die einen sogenannten kommerziellen Sponsor hatten.
Nichtkommerzielle Sponsoren gab es hingegen nur bei 33 vergleichbaren Untersuchungen. Diese finanzieren sich zum Beispiel über das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Deutsche Forschungsgesellschaft, Stiftungen, Krankenhäuser oder Forschungszentren.
Für die Teilnehmer muss das keinen Unterschied machen, sagt Expertin Mühlhauser. "Klinische Studien unterliegen strengen Regeln, und die Studien der Industrie werden meist hochprofessionell durchgeführt." Problematischer ist es dagegen eher für die Wissenschaft.
Denn schon länger weiß man, dass die Ergebnisse nur dann veröffentlicht werden, wenn sie positiv ausfallen – und somit etwa die Zulassung eines neuen Medikaments ermöglichen.
Industrie an bestimmten Untersuchungen nicht interessiert
Außerdem fallen für die Industrie manche Fragestellungen gänzlich unter den Tisch. Dazu zählt beispielsweise, welche etablierten Therapien bei unkomplizierten Erkrankungen am besten helfen. Etwa bei Harnwegsinfekten: "Oft gibt es dann ein Antibiotikum, manchmal ein Schmerzmittel oder ein pflanzliches Präparat. Was jedoch am besten wirkt, das hatte bisher keiner untersucht", erklärt Dr. Guido Schmiemann von der Universität Bremen.
Die ICUTI-Studie verglich den Behandlungserfolg von Ibuprofen mit einem sonst oft verwendeten Antibiotikum. Das Ergebnis: Die Frauen, die Ibuprofen bekamen, waren ähnlich schnell wieder gesund. "Das zeigte uns, dass man bei der Behandlung unkomplizierter Harnwegsinfektionen durchaus auf ein Antibiotikum verzichten kann", sagt Schmiemann.
Eine weitere Untersuchung beschäftigt sich mit der Wirkung von Bärentraubenblätter-Extrakt. "Die überwiegende Anzahl der pflanzlichen Wirkstoffe ist nicht durch aussagekräftige Studien untersucht worden. Die pharmazeutischen Unternehmen haben kein Interesse daran, dies zu ändern, weil sich der Aufwand für sie nicht lohnt", sagt Schmiemann. Die Finanzierung kam deshalb auch nicht von der Industrie, sondern vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Finanzielle Anreize - ein heikles Thema
Solche Studien können Teilnehmer kaum mit finanziellen Anreizen locken. Aufwandsentschädigungen sind ohnehin nicht die Regel, können aber bei Phase-1-Studien eine Rolle spielen – wenn Medikamente das erste Mal am Menschen erprobt werden. Vor allem Personen mit geringem Einkommen stellen sich dafür zur Verfügung. Für Forscher ein heikles Thema, denn es besteht die Gefahr, dass solche Probanden etwa an mehreren Untersuchungen hintereinander teilnehmen, obwohl das verboten ist.
Gesundheitswissenschaftlerin Mühlhauser sieht für Patienten eher andere Vorteile. "Die medizinische Betreuung von Teilnehmern an klinischen Studien ist in der Regel sehr gut, und sie werden von besonders engagierten Ärzten und Study-Nurses betreut." Dass die Probanden eine medizinische Vorzugsbehandlung bekommen, ist übrigens kein leeres Versprechen – sondern auch ein Studienergebnis.