Erfolgreicher altern durch Rennradfahren?
Die Kinder pubertieren und fliegen aus, die Ehefrau jettet allein in den Urlaub – viele Familienväter erreichen mitten im Leben einen Punkt, an dem sie plötzlich wieder jede Menge Zeit haben. Überraschenderweise setzen sich viele nicht in den Ohrensessel und nehmen Goethes gesammelte Werke zur Hand, sondern verschreiben sich dem Ausdauersport. Sie wollen es noch einmal wissen.
Die Manneskraft noch einmal spüren, bevor sie – vielleicht – für immer schwindet. Wer finanziell gut aufgestellt ist, das beobachte ich zu Hause in München, begnügt sich nicht damit, einen Marathon zu laufen. Dafür braucht man schließlich nur ein schnödes Paar Schuhe. Nein, diese Männer stürzen sich in die Materialschlacht des Rennradfahrens.
Radsport ist gut für das Herz-Kreislauf-System
Klickschuhe und -pedale, Karbonrahmen, schnittige Helme, bunte Trikots, Flickzeug, Werkzeug und noch allerhand Zeug mehr. Zigtausende Euro lassen sich versenken, bevor man das erste Mal vom Hof rollt. Ein Traum für Chefeinkäufer und Ingenieure, die in ihrer Freizeit nicht loslassen können.
Aber wer wäre ich, darüber nur zu spotten? Erstens schwingen sich auch Frauen mittleren Alters aufs Rennrad. Und zweitens ist Radfahren ein überaus gesunder Sport, solange man unfallfrei bleibt. Herz und Kreislauf profitieren, die Gelenke werden anders als beim Joggen geschont, der Stoffwechsel angeregt. Wer in Richtung Rente radelt, hat gute Chancen, in einem vorbildlichen Gesundheitszustand dort anzukommen.
Lastenrad gegen Rennrad
Ich bin 35 und fahre derzeit ausschließlich mit einem elektrischen Lastenrad durch die Gegend. Vorn im Kasten sitzen meine beiden kleinen Töchter, hinten throne ich auf einem gefederten Sattel. Ich trete quasi ohne Widerstand ins Leere und das Rad bewegt sich zügig durch die Straßen. Als sportliche Betätigung geht das nicht durch. Mein Nachbar hingegen ist Mitte 40 und hat deshalb schon drei Rennräder. Ein altes Vintage-Bike und zwei moderne Hightech-Räder, die unterschiedliche Zwecke erfüllen. Aber fragen Sie mich nicht, welche!
Weil mein Nachbar nicht nur viel fitter als ich, sondern auch sehr fürsorglich ist, bot er mir neulich an, dass ich eines seiner Rennräder zur Probe ausfahre. Warum nicht, dachte ich. Das Radfahren verlernt man zwar angeblich nicht, aber es täte mir bestimmt gut, mal wieder auf zwei statt auf den drei Rädern des Lastenrads unterwegs zu sein.
Ich guckte also ein Ründchen aus und stieg in die Pedale. Schon bald brannten mir Waden und Lungen. Damit hatte ich gerechnet. Ich keuchte und fühlte mich ein bisschen wie der junge Jan Ullrich bei der Bergankunft in Alpe d’Huez. Tolles Gefühl!
Worauf ich nicht vorbereitet war: dass mir schon nach kurzer Strecke der, Pardon, Hintern so weh tat! Der gepolsterte, breite Sattel eines Familienrades ist eben was anderes als ein steinharter, schmaler Sportsitz. So schnell gewöhne ich mich nicht um! Vielleicht lege ich mir erst mal ein Hollandrad zu. Pünktlich zur Midlife-Crisis will ich dann bereit sein für ein Rennrad. Ich fange schon mal an zu sparen.