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Michael Hanemann, *8. April 1945 in Überlingen, Bodensee

Schauspieler: Theaterdebüt 1970, danach viele Rollen an großen Theatern, in Kinofilmen und im Fernsehen.

Privatmann: Verheiratet mit der Regisseurin Christine Vogt, mit der er in Berlin lebt. Er hat eine Tochter, zwei Söhne und drei Enkelkinder.

Nach acht Jahren Pause geht es mit der TV-Serie „Mord mit Aussicht“ weiter. Wie war der Wiedereinstieg?

Es war für alle ein vorsichtiges Herantasten. Aber es ist gelungen, ich habe ein gutes Gefühl. Die Chemie im neuen Team stimmt, die Drehbücher haben einen anderen Biss, sind konzentrierter, mit vielen sehr witzigen Szenen. Und mein Hans Zielonka ist immer noch so herrlich mürrisch.

Werden Sie auf der Straße auf Ihre Rolle angesprochen?

Ja, gerne auch von Deutschen im Ausland. In Buenos Aires kam eine Frau auf mich zu: „Herr Hanemann, dass ich Sie hier treffe! Ich wollte Sie immer mal im Biomarkt in Berlin-Schöneberg ansprechen …“

Seit wann leben Sie in Berlin?

Ich zog 2003 zu meiner Frau nach Berlin. Sie stammt aus Zürich und leitet in einem Kreuzberger Pflegewohnheim das Theaterensemble „Papillons“. Dabei unterstütze ich sie als Ehrenamtlicher.

Ihr Großvater war Stummfilmschauspieler. Haben Sie von ihm Ihr Schauspieltalent?

Ja, möglicherweise. Albert Steinrück hieß er. In der Weimarer Republik galt er als berühmter Theater- und Filmdarsteller. Er war unter anderem ein enger Freund von Heinrich George. Sie spielten zusammen und tranken so manches Gläschen. Übrigens, mein Sohn, Leonard Scheicher, führt die Linie fort als mittlerweile sehr bekannter Filmschauspieler.

Serie „Mord mit Aussicht“: Hanemann in der Rolle des Hans Zielonka

Serie „Mord mit Aussicht“: Hanemann in der Rolle des Hans Zielonka

Hatte Ihr Vater Verständnis für Ihren Berufswunsch?

Der war Arzt in Hamburg, wir hatten kaum Kontakt. Eine schwierige Geschichte, ich habe ihn erst spät kennengelernt. Er hat mich dann mal in Wiesbaden auf der Bühne gesehen und sich sehr anerkennend geäußert.

Und Ihre Mutter?

Sie hat mir nie Schwierigkeiten bereitet. Was ich teilweise bedaure. Wenn man etwas will und sich durchkämpfen muss und es einem dann gelingt, ist die Freude doch noch größer. Wie beim Schmetterling, der aus der Verpuppung raus will.

Wie sah die Straße Ihrer Kindheit aus?

Wir wohnten in Freiburg an der Schwarzwaldstraße, Kopfsteinpflaster, jeden Tag Tausende von Autos. Wir waren eine arme Familie. Ich lebte mit Mutter und Großmutter in einer Sozialwohnung. Sehr beengt. Wie ich das geschafft habe, weiß ich nicht mehr. Es musste halt gehen.

Ihr Vater zahlte nichts?

Nein, der war weg, außen vor. Meine Mutter opferte sich für die Familie auf. Nach dem Krieg klaute sie Kartoffeln und Rüben, dann arbeitete sie in der Fabrik. Später wurde sie Grafikerin, die Vorfahren waren alle Maler, das passte.

Was hätten Sie in Ihrem Leben gerne anders gemacht?

Ethnologe wäre ich gerne geworden. Ich interessiere mich sehr für andere Völker, andere Lebensweisen.

Dann wären Sie nicht Schauspieler. Fühlen Sie sich nicht wohl in Ihrem Beruf?

Doch, doch schon. Wenn ich andere Menschen verkörpern kann, ist das immer ein erfüllendes Abenteuer. Aber als Schauspieler hat man auch Leerlauf, das Gefühl, jetzt geht es nicht weiter.

Aber es ging weiter. Vielleicht wird’s was im nächsten Leben mit Ethnologie. Was denken Sie, haben wir mehrere?

Ich glaube, nach einem ist Schluss. Der griechische Philosoph Demokrit sagte: „Nur scheinbar ist etwas süß oder bitter, in Wirklichkeit gibt es nur Atome im leeren Raum.“ Und die Meinung, möchte ich hinzufügen. Dieser Satz fasziniert mich.

Spüren Sie mit den Jahren so etwas wie Altersweisheit?

Das könnte man so sagen. Aber nicht als Dauerzustand, dazu rege ich mich noch zu sehr über Ungerechtigkeiten auf. Oder über Menschen, die irgendwelche Geschichten erzählen, die sie auf obskuren Seiten im Internet gelesen haben und nun meinen, die Wahrheit gefunden zu haben. Jeder ist sein eigener Experte und hat kein Vertrauen mehr in den offensichtlichen Verstand, in das, was ist. Aber ohne Vertrauen können wir nicht leben. Ich sorge mich um die nachfolgenden Generationen.

Was haben Sie sich vorgenommen für die nächsten Jahre?

Ich möchte möglichst oft meine Lesungen zu Gehör bringen, aktuell den Dichter Paul Celan. Ich bin da ein bisschen missionarisch unterwegs. Daran liegt mir viel.

Also nichts mit Zurückziehen?

Nein, überhaupt nicht. Nur zwischendurch. Ich halte eine poetische Herangehensweise an die Welt für ideal. Die öffnet sehr den Blick und die Ohren. Ich merke auch immer mehr, dass sich meine Sprache verändert. Es fasziniert mich, wie man mit poetischen oder verrückten Umschreibungen Aussagen einen besonderen Dreh verleihen kann.

Auf welche Leistung sind Sie besonders stolz?

Dass ich in meinem Beruf anerkannt bin und meine Kinder in schwierigen Zeiten durchbringen konnte. Das war nicht leicht, denn ich habe ganz klein angefangen. Oft dachte ich, ich müsste den Beruf wechseln. Sogar als Heiratsvermittler habe ich mich versucht.

Woran ist das gescheitert?

Ich hatte gehört, dass man da Riesenprovisionen bekommt. Und das Institut meinte, ich hätte eine so tolle, vertrauenerweckende Stimme. Na ja. Tempi passati, Gott sei Dank.

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