Harald Krassnitzer über Luxus

Harald Krassnitzer in der Sendung "Paul Kemp - Alles kein Problem"
© Panthermedia/Patrick Becher
Sie schlafen nicht gerne. Sind Sie so ein unruhiger Geist?
Es gibt Phasen, da will ich unbedingt noch mehr über irgendetwas herausfinden. Ich vertiefe mich darin, plötzlich ist es zwei Uhr in der Nacht, und ich muss am nächsten Morgen um sechs wieder aufstehen. Da bleibt nicht viel Zeit für Schlaf, und wenn das einige Nächte so geht, bin ich wirklich groggy. Grundsätzlich bin ich nicht der Typ, der gerne zu Bett geht oder lustvoll einen halben Tag verschläft.
Sind Sie grüblerisch veranlagt?
Ich neige schon sehr dazu, Dinge zu hinterfragen. Manchmal höre ich auch die Flöhe husten. Gerade wenn ich mich in eine Rolle einarbeite, bin ich offen wie ein Scheunentor für Zwischentöne und hinterfrage alles: Wie meint er das jetzt? Habe ich einen Fehler gemacht?
Wie geht Ihre Familie damit um?
Zu Hause bin ich anders. Da ist eine vertraute, liebevolle Welt, die auf mich reagiert und mich sein lässt. Dort gibt es Sicherheit, da kann ich loslassen.
Wie sind Sie zum Theater gekommen? Sie hatten ja ursprünglich eine Lehre zum Speditionskaufmann gemacht …
… was mehr von meinen Eltern ausging. Wie die meisten Eltern dieser vom Zweiten Weltkrieg geprägten Generation wollten sie, dass es ihren Kindern einmal besser gehen sollte als ihnen. Mein Vater war Schlosser, meine Mutter arbeitete in einer Süßwarenfabrik – in einem Büro zu arbeiten, also an einem Ort, wo man nicht frieren oder schwitzen musste, sich nicht schmutzig machte, nicht am Fließband stand, das war für sie ein Traum. Dass mein Traum das Theater war, hätte ich mit 16 noch gar nicht formulieren können. Bis der Bruder eines Mitschülers mich fragte, ob ich in seiner Laienspielgruppe mitmachen wollte. Das war, als hätte jemand das Licht angeschaltet.
Waren Sie als Jugendlicher zu angepasst?
Das würde ich so nicht sagen. Erst wenn du hart für deinen Wunsch arbeiten und gegen Widerstände ankämpfen musst, kann er sich wirklich bewahrheiten. Bis spät in die Nacht haben wir geprobt, und am nächsten Morgen musste ich funktionieren im Büro. Dann die Zeit, als ich mit dem Theater nichts verdiente und auch von zu Hause keine Unterstützung zu erwarten hatte, aber mein Vater und meine Mutter mir heimlich Geld zusteckten, wenn ich nach Besuchen wieder ging – immer so, dass es der andere nicht merken sollte. Erst mit 25 hatte ich dann mein erstes Engagement.
Das Gefühl, etwas nachholen zu müssen, …
… verfolgt mich heute noch. Ich habe immer das Gefühl, zu wenig geleistet zu haben oder zu wenig zu wissen oder mit dem, was um mich herum passiert, nicht richtig umgehen zu können.
Was hätten Sie rückblickend anders gemacht?
Als es losging mit dem Erfolg, dachte ich, ich müsste mir ein Image aufbauen und den Medien Geschichten bieten. Da bin ich Bungee und Fallschirm gesprungen, bin durch Schluchten geklettert und habe Wildwasserfahrten im Schlauchboot gemacht. Alles aus einer gewissen Eitelkeit heraus. Das war Schwachsinn.
Neuerdings spielen Sie einen Mediator. Beneiden Sie ihn um seine Fähigkeit, Probleme zu lösen und Streit zu schlichten?
Ich beneide ihn um die Technik, mit der er die Kontrahenten in kleinen Schritten dazu bringt, ihre Sicht auf das Problem verändern. Das kennt doch jeder: Man ist so in seiner Spur, sieht mit Scheuklappen auf das Problem, als ob es nichts anderes geben könnte.
Worum ich Sie beneide: Sie bekommen Lachanfälle, wenn Sie sich wehtun …
Durch den Schmerz merke ich, dass ich nicht anwesend war, meine Spur verloren hatte. Schlagartig löst sich alles, ich bin total erleichtert: "Stimmt, hey, da bin ich ja!" Das verursacht bei mir wirklich Lachanfälle. Was meinen Sie, was ich für einen Spaß mit der gerissenen Patellasehne im Knie und dem gebrochenen Schienbeinkopf hatte.
Das meinen Sie jetzt ironisch!?
Es klingt komisch, aber es war so. Alle um mich herum waren total aufgeregt und geschockt – ich wurde immer ruhiger und musste darüber lachen, wie ich die Kniescheibe hin und her bewegen konnte.
Leben Sie besonders gesundheitsbewusst?
Wir versuchen es, kaufen nur Biosachen, bemühen uns, weniger Fleisch zu essen, was nicht immer gelingt. Aber das Bewusstsein steigt, dass man etwas verändern muss. Bei uns kommen weder Tiefkühlpizza noch Dosengerichte auf den Tisch. Ich nehme auch jede Gelegenheit wahr zum Gehen, Wandern, Laufen, ich fahre gerne Rad und merke, dass mir das guttut.
Sie gehen manchmal tagelang nicht an Ihr Handy. Warum ist Nichterreichbarkeit ein besonderer Luxus?
Über seine Zeit verfügen zu können bedeutet Freiheit. Zum Leidwesen vieler Menschen um mich herum nehme ich mir diese Freiheit, nicht immer auf alles prompt zu reagieren. Weil ich es nicht immer kann, will und weil ich die Sehnsucht habe, mich aus diesem absurden E-Mail- und Telefonirrsinn herauszuziehen. Ich suche zunehmend wieder das persönliche Gespräch. Es ist effizienter und nachhaltiger, es lässt uns mit dem anderen viel mehr mitfühlen und uns selbst spüren.
Sie haben ein Faible für Uhren. Was fasziniert Sie daran?
Je schlichter eine Uhr ist, desto spannender finde ich sie. Wenn sie mir vorgaukeln will, dass sie Mondphasen, Gezeiten, Sonnenauf- und -untergang sowie Weltzeiten gleichzeitig anzeigen kann, wird sie mir unsympathisch. Nur in ihrer Schlichtheit gibt sie mir das Gefühl, dass ich bestimmen kann, was ich unter Zeit verstehe.