Baby und Familie

Vor der Sache mit der Figur hatte ich ziemlichen Respekt. Denn ich war mit meinem Körper nicht immer zufrieden gewesen: Nach dem Abi von zu Hause ausgezogen, hatte ich mir zehn Kilo Stress- und Bequemlichkeitsspeck angefuttert. Ich fühlte mich unwohl, wusste nicht, was ich anziehen sollte und verschränkte meine Arme am liebsten vor dem Bauch. Die Kilos wieder loszuwerden dauerte Jahre. Die letzten zwei, drei davon schleppte ich bis in meine späten 20er mit.

Danach kam ich mir befreiter vor: Bikinis oder Hosen kaufen, Süßes essen, schwimmen gehen – bei all dem machte ich mir endlich keine Gedanken über mein Aussehen mehr. Und nun sollte ich mich von dem angenehmen Leben ohne Figurstress schon wieder verabschieden? Dafür fühlte ich mich noch nicht bereit. Aber Jammern half nichts. Wer verzichtet schon auf ein Kind, weil es die Figur versaut? "Wir sind ja mittlerweile alt genug, um auf solche Äußerlichkeiten nicht mehr so viel zu geben", sagte ich zu meinem Freund. Und nahm es mir sogar für kurze Zeit selbst ab. Dann dachte ich an Schwangerschaftsstreifen und labbrige Haut. Und glaubte mir kein Wort mehr.

Es kam, wie es kommen musste: Schon bevor ich wusste, dass ich schwanger bin, bekam ich riesigen Hunger. Keine Chance, dagegen anzukämpfen. "Warum esse ich mehr als du?", fragte ich meinen Freund vorwurfsvoll, während ich in einen Cookie mit Nugatcreme-Füllung biss. Der Test brachte Klarheit, das Futtern ging weiter. Zeitweise wusste ich nicht, wie ich meine Zusatz-Snacks vor meinen Kollegen verbergen sollte. Noch hatte ich ihnen nichts von meiner Schwangerschaft gesagt. "Warum wird mir nicht mal ein bisschen schlecht, wie anderen auch?", beschwerte ich mich. "Wäre auch nicht gerade unauffällig, wenn du in der Arbeit ständig über dem Klo hängen würdest", sagte mein Freund.

Laut der offiziellen Richtlinien nehmen Schwangere in den ersten drei Monaten höchstens ein halbes Kilo zu. Bei mir waren es schon in der neunten Woche drei. "Daran müssen Sie sich jetzt aber gewöhnen", sagte die Sprechstundenhilfe meiner Ärztin, als ich mit aufgerissenen Augen von der Waage stieg. Was, wenn das nun so weiterging? Glücklicherweise sah man mir die extra-Kilos zunächst nicht an. Und dann verflog der ständige Riesenhunger genauso schnell, wie er gekommen war. Die übrigen paar Heißhungerattacken wirkten sich kaum aus: In den folgenden Wochen nahm ich gar nicht zu. Mit der Zeit bildete sich ein kleines, festes Bäuchlein, das ich aber niedlich fand. Kurioserweise schwankte sein Umfang anfangs im Laufe des Tages.

Jeden Morgen drehte ich mich vor dem Schlafzimmerspiegel. "Jetzt sieht man fast gar nichts", sagte ich dann erstaunt. Und abends: "Krass, ich sehe ja total schwanger aus!" "Du hast ja auch gerade zwei Teller Nudeln gegessen", warf mein Freund augenrollend ein. Ich versuchte, die Schwankungen mithilfe von Selfies vor dem Badezimmerspiegel zu dokumentieren – der Unterschied war nur mit viel gutem Willen erkennbar.

Dafür mein stattlicheres Dekolleté. Schwanger sein macht gar nicht hässlich, musste ich erstaunt feststellen. Dass mein Freund das auch fand, war offensichtlich. Verzückt streichelte er regelmäßig meinen Bauch. Und machte Geräusche wie ein Bauarbeiter, wenn ich in Unterwäsche vor dem Spiegel stand. Hach, wieso hab ich mir überhaupt solche Sorgen gemacht?

Kolumne "Praxistest Baby"

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