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Frau Prof. von Dossow, was ist eigentlich ein postoperatives Delir?

Es handelt sich um Aufmerksamkeitsstörungen, Gedächtnisstörungen und Wahrnehmungsstörungen wie akustische und optische Halluzinationen. Die Patientinnen und Patienten berichten beispielsweise davon, dass sich die Decke bewegt oder eine Riesenqualle auf sie zugeschwommen ist. Ein solches Delir tritt in der Regel zwischen dem ersten und dem fünften Tag nach großen chirurgischen Eingriffen wie Herzoperationen oder der Entfernung eines großen Lungentumors auf.

Inwiefern sind Menschen mit Diabetes davon betroffen?

Diabetes ist ein Risikofaktor für die Entwicklung eines solchen Delirs. Man vermutet, dass das mit veränderten Entzündungsreaktionen nach der Operation im Körper zusammenhängt. Diese bringen die Botenstoffe im Gehirn ins Ungleichgewicht. Das führt letztlich zu dem Delir.

Welche Rolle spielen mangelhafte Blutzuckereinstellungen?

Sie spielen wohl eine große Rolle. Der operative Stress führt zu erhöhten Blutzuckerwerten, was wiederum Entzündungsprozesse fördert und damit eben die Entstehung eines Delirs.

Was kann ich als Betroffener mit Diabetes selbst tun, um mich bestmöglich auf eine OP vorzubereiten?

In den zwei, drei Wochen vor dem Eingriff sollte man zu seinem Hausarzt gehen und mit ihm die Blutzuckereinstellungen optimieren. Meistens gibt es auch Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck. Von daher sollte man sich gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt die Bluthochdruckmedikamente anschauen und überprüfen, ob der Bluthochdruck richtig eingestellt ist.

Haben Sie weitere Tipps?

Es ist wichtig, im Vorfeld der OP für eine vernünftige Stoffwechsellage sorgen. Dafür sollten sie sich gesund ernähren, mit einer nicht zu hohen Kohlenhydratlast und mit etwas proteinreicherer Nahrung. Mageres Fleisch, magere Milchprodukte oder pflanzliche Proteine wie zum Beispiel aus Nüssen oder Sojaprodukten können dabei helfen. Einem Delir vorbeugen kann man aber auch, indem man versucht, im Vorfeld des Eingriffs größere Blutzuckerschwankungen zu vermeiden. Und man sollte ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen. Bis zwei Stunden vor der OP kann man klare Flüssigkeit trinken.

Was können Diabetes-Betroffene tun, um ein Delir zu vermeiden?

Vor der OP:

· Checken Sie mit Ihrem Arzt die Blutzuckereinstellungen und ob ein etwaiger Bluthochdruck gut eingestellt ist

· Vermeiden Sie Blutzuckerschwankungen

· Ernähren Sie sich gesund mit etwas proteinreicherem und nicht zu kohlenhydratlastigem Essen

· Sorgen Sie in den Wochen vor der OP für ausreichend Bewegung

· Trinken Sie in der Zeit vor der OP ausreichend

Nach der OP:

· Halten Sie einen regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus ein und trinken Sie regelmäßig ausreichend.

· Vermeiden Sie Blutdruckschwankungen so gut es geht

· Besprechen Sie mit dem Arzt oder der Ärztin, wann sie welche Medikamente wieder einnehmen können

·Auch von zu Hause mitgebrachte Arzneien sollten sie nur in Rücksprache mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten einnehmen

Wie muss ich eine OP und die Nüchternheit bei meinem Blutzucker berücksichtigen?

Vor einem geplanten Eingriff sollte der Blutzucker möglichst im Normalbereich liegen. Die meisten essen noch am Abend vor der OP. Gerade insulinpflichtige Menschen mit Diabetes wissen in der Regel gut Bescheid, wie viel Insulin sie sich danach spritzen müssen. Am Tag der OP sollten sich die Betroffenen kein Insulin spritzen, da der Blutzuckerspiegel während der OP kontrolliert und über die Gabe von Insulin über die Venen gesteuert wird. Patientinnen und Patienten, die im Krankenhaus ihren Blutzucker selbst kontrollieren, sollten vor der Operation noch einmal selbst nachmessen und das Ergebnis mitteilen.

Der operative Stress führt zu erhöhten Blutzuckerwerten, was wiederum Entzündungsprozesse fördert und damit eben die Entstehung eines Delirs.

Was sollte ich als Person mit Diabetes vor einer OP meinen Anästhesisten fragen?

Professorin Vera von Dossow, Direktorin des Instituts für Anästhesiologie und Schmerztherapie an der Universitätsklinik Bochum.

Professorin Vera von Dossow, Direktorin des Instituts für Anästhesiologie und Schmerztherapie an der Universitätsklinik Bochum.

Der oder die Betroffene sollte mit dem Anästhesisten über ein sogenanntes intraoperatives EEG sprechen. Damit können wir während der OP die Hirnwellen messen und die Narkosetiefe überwachen, um eine zu tiefe oder zu flache Narkosetiefe zu vermeiden. Denn gerade bei Risikopatienten wie Diabetespatienten kann sich durch eine zu tiefe Narkose das Risiko eines Delirs erhöhen. Außerdem kann man im Aufklärungsgespräch mit der Anästhesie erfragen, wie hoch sein Delirrisiko ist. Wir führen standardmäßig vor und nach der OP ein Delirscreening durch. Falls das betreffende Krankenhaus aber kein routinemäßiges Delirscreening anbietet, kann man es vor der OP auch einfordern.

Was können Angehörige nach der OP tun?

Ganz wichtig ist zunächst einmal, dass sie in den Tagen nach dem Eingriff den Betroffenen besuchen, ganz einfach anwesend sind. Denn Angehörige werden viel intensiver wahrgenommen als das Krankenhauspersonal. Ihre Anwesenheit gibt Sicherheit. Außerdem haben die Angehörigen mehr Zeit für Gespräche und ihnen fällt schneller auf, wenn Patientinnen oder Patienten nach der OP weniger aufmerksam sind als sonst. Im Falle von Notfalloperationen sollten Angehörige sicherstellen, dass im Krankenhaus alle Hilfsmittel des Alltags zur Verfügung stehen. Brille, Hörgerät, Gebiss, Gehstock – wer diese Hilfsmittel zu Hause braucht, aber im Krankenhaus nicht hat, fühlt sich dort hilflos und kann schlechter an seiner Genesung mitarbeiten.

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