Verwirrtheit nach einer Operation vorbeugen

Altenpflegerin Ute Bröker kümmert sich um Patienten nach der Operation
© W&B/Dominik Asbach
Ob neues Hüftgelenk oder neue Herzklappe: Eine Operation belastet besonders Ältere. Die Narkose ist ein Ausnahmezustand fürs Gehirn. Nach Operationen ist davon im Schnitt jeder Dritte, auf Intensivstation jeder Zweite betroffen. Die Patienten sind nach dem chirurgischen Eingriff oft verwirrt, desorientiert, haben Gedächtnislücken. Sie sehen Mäuse in Zimmerecken, möchten ihre verstorbenen Eltern besuchen oder wirken, ganz entgegen ihrer Art, hyperaktiv.
Ein Delir, wie Mediziner das nennen, kann sofort nach dem Erwachen aus der Narkose auftreten, aber auch erst mehrere Tage danach. Was dabei im Gehirnstoffwechsel passiert, ist noch nicht genau untersucht. Ursache ist meist ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren, sagt Professorin Claudia Spies, Leiterin der Klinik für Anästhesiologie an der Berliner Charité. Dazu gehören etwa Durchblutungsstörungen oder bereits vorhandene geistige Einbußen. Auch bestimmte Arzneien oder Narkosemittel, die nicht an den älteren Patienten angepasst sind, können das Risiko erhöhen. "Bei einem Eingriff kann das den Organismus so überfordern, dass Nervenzellen zugrunde gehen", sagt Spies.
Operation kann beim Patienten lange nachwirken
Ein Delir kann schlimme Folgen haben. Knapp jeder zweite Betroffene ist noch nach einem Jahr in seinen Aktivitäten eingeschränkt. Etwa sieben Prozent erholen sich nicht mehr und werden dauerhaft pflegebedürftig. Außerdem steigt das Risiko, an einer Demenz zu erkranken.
Die Gefahr für ein Delir verschärft sich, wenn der Patient den Klinikaufenthalt als extrem belastend empfindet. Die fremde Umgebung, ungewohnte Geräusche, ständig andere Schwestern, neue Untersuchungen, die oft angstbesetzte Narkose und Operation. "Manche produzieren vor einem Eingriff schon viele Stresshormone – was dem Gehirn schadet", sagt Anästhesistin Dr. Simone Gurlit.
Leider lässt sich nicht voraussagen, ob bei jemandem ein Delir auftritt und wie lang es dauert. Die gute Nachricht: Es gibt einiges, was man tun kann. Wenn Ärzte, Pfleger und Angehörige zusammenwirken, lässt sich die Gefahr deutlich verringern. Auch der Patient kann einiges tun – und das schon vor dem Eingriff:
Was Kliniken gegen ein Delir tun
Viele Kliniken versuchen, das Risiko für ein Delir mit speziellen Programmen und Konzepten zu senken. Zum Beispiel so:
- Intensiv betreuen. Idealerweise begleiten Ärzte und Pflegekräfte ihre Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung und erklären ihnen in Ruhe, was gerade passiert. Sie erinnern täglich ans Datum, fragen ein Kochrezept ab oder sprechen mit ihm über Reisen. Das gibt Halt und Orientierung. Auch Quizze, Kartenspiele oder psysiotherapeutische Bewegungsübungen können helfen. Mit Gedächtnistests lassen sich Veränderungen schneller erkennen.
- Beruhigungs- und Schlafmittel vor der OP reduzieren. Viele Kliniken setzen die Medikamente bei über 70-Jährigen nicht mehr ein. Wer vor Aufregung nicht schlafen kann, bekommt stattdessen Baldrian oder Melatonin, die auf sanftere Art beruhigen. Auch Akupressur oder eine Massage sind Alternativen.
- Zu tiefe Narkosen vermeiden. Tiefe Narkosen und lange Operationen sind für Senioren besonders riskant. Häufig werden deshalb möglichst kurz wirksame Medikamente verwendet, damit der Patient schnell nach der Narkose wach wird. Wo es geht, nimmt man örtliche oder regionale Betäubungen, bei denen man während des Eingriffs wach bleibt.
- Gesunden Schlaf-Wach-Rhythmus fördern. Ein normaler Rhythmus tut dem Gehirn gut, das bestätigen Studien. Spezielle Lichtdecken sorgen deshalb auf manchen Stationen für Helligkeit am Tag und schummriges Licht ab 21 Uhr. Sind Arbeits- und Alarmgeräusche gedämmt, können Patienten besser durchschlafen.
- Erhöhtes Risiko früh erkennen: Je schwerer und akuter eine Erkrankung ist - etwa ein Schenkelhalsbruch, ein Schlaganfall oder eine Infektion - desto höher ist das Risiko, ein Delir zu entwickeln. Bei älteren Menschen, die ein Delir entwickeln, liegen meist mehrere Grunderkrankungen vor.