Kompressionsstrümpfe: Einmal trifft es jeden
Es gibt viele Lebenslagen, in denen Kompressionsstrümpfe nützlich sind. Man könnte auch sagen: Irgendwann trifft es jeden mal. Tröstlich, dass die engen Pellen ihr Omi-Image losgeworden sind. Von der leberwurstfarbenen Presswurst-Optik haben sie sich zum sexy Accessoire gemausert. Selbst Star-Designer Wolfgang Joop hat schon welche entworfen. Und jeder Triathlet, der was auf sich hält, hat neonfarbene Stulpen im Schrank.
Nach der OP, in der Schwangerschaft, im Flugzeug, bei Venenschwäche oder im Sport: Wann gehört welche Socke ans Bein? Strumpf ist nicht gleich Strumpf. Das gilt es zu beachten:
Was macht einen guten Stützstrumpf aus?
"Der Begriff ist nicht geschützt, jeder Hersteller darf seine Strümpfe Stützstrümpfe nennen", sagt Professorin Stefanie Reich-Schupke. "Ihre Wirkung ist im Zweifelsfall nie wissenschaftlich untersucht worden, entsprechend sind viele Modelle auf dem Markt, die mit Vorsicht zu genießen sind."
Zu den Stützstrümpfen zählen demnach auch Sport-Kompressionsstrümpfe oder soge- nannte Reisestrümpfe. Anders medizinische Kompressionsstrümpfe: Ihre Wirkung ist wissenschaftlich belegt.
So unterstützen Kompressionsstrümpfe die Venen
"Solche Strümpfe verbessern nachweislich den Blutfluss, verringern Schmerzen, Ödeme und Entzündungen der Venenwand." Sie haben eine sogennante RAL-Norm, festgelegte Druckgradienten und vier verschiedene Kompressionsklassen (1–4). Medizinische Kompressionsstrümpfe sind als Medizinprodukte zertifiziert und kosten teilweise mehr als 100 Euro.
Anti-Thrombose-Strümpfe
"Sie sind für bettlägerige Patienten nach einer Operation gedacht, um eine Thrombose zu verhindern. Meist sind sie lang und reichen bis zum Oberschenkel", so die Expertin. Ergänzend bekommen liegende Patienten oft Medikamente, die einer Thrombose vorbeugen.
Welcher Strumpf ist wann sinnvoll?
"Das kommt drauf an, was man damit erreichen will", sagt Venenexpertin Reich-Schupke. "Wer Krampfadern oder venenbedingte Ödeme hat, sollte unbedingt medizinische Kompressionsstrümpfe tragen. Sie verschreibt der Arzt." Wer im Job viel sitzt und davon am Abend dicke Knöchel hat, dem reichen Stützstrümpfe.
1. Nach einer Operation
Warum jetzt die Strümpfe?
Wer das Bett hüten muss, hat ein erhöhtes Risiko für eine Thrombose – erst recht, wenn Übergewicht und ein höheres Alter hinzukommen. Um zu verhindern, dass so ein Blutgerinnsel überhaupt erst entsteht, geben Ärzte in manchen Fällen frisch operierten Patienten Anti-Thrombose-Strümpfe.
Was leisten die Strümpfe und was nicht?
Dass die langen Strümpfe aus dem Krankenhaus einer Beinvenenthrombose vorbeugen, ist wissenschaftlich bewiesen. Bei erhöhtem Risiko sollten die Strümpfe aber nicht die einzige Maßnahme sein. Gerinnungshemmende Medikamente und bestmögliche Bewegung sind ebenso wichtig.
Welche Modelle sollten es sein?
Selbst gekaufte Stützstrümpfe sind kurz nach einer Operation keine gute Idee – wenngleich sie auch hübscher aussehen können. Ist Druck am Bein erforderlich, müssen es die Anti-Thrombose- Strümpfe sein, die der Arzt verordnet.
Was gilt es zu beachten?
"Die Strümpfe, die Patienten nach einer Operation bekommen, haben einen vergleichsweise niedrigen Anpressdruck", sagt Professorin Stefanie Reich-Schupke. "Sobald der Patient das Bett verlässt und steht, ist ihre Wirkung nur noch gering", so die Fachärztin für Dermatologie und Phlebologie, die an der Ruhr-Universität Bochum lehrt. Ob und wie lange man die Strümpfe tragen sollte, entscheiden die Ärzte.
2. Während der Schwangerschaft
Warum jetzt die Strümpfe?
In der Schwangerschaft zirkuliert mehr Blut im Körper, was die Beinvenen und ihre empfindlichen Klappen belastet. Weil zudem das Baby auf die Beckenvenen drückt, ist der Blutrückfluss aus den Beinen der Mutter gestört. Etwa vier von zehn Schwangeren entwickeln in der Folge Krampfadern. Kompressionsstrümpfe sollen ihre Venen entlasten, geschwollene Beine verhindern und einem chronischen Venenleiden vorbeugen.
Was leisten die Strümpfe und was nicht?
Ganz vermeiden, dass sich Krampfadern bilden, können medizinische Kompressionsstrümpfe bei Schwangeren leider nicht, ergab eine Studie am Universitätsspital Zürich in der Schweiz. Die Strümpfe verbessern jedoch den Blutrückfluss,
verhindern ein Anschwellen und nehmen das Gefühl "schwere Beine" zu haben. Auch das Thromboserisiko sinkt.
Welche Modelle sollten es sein?
Hält der Gynäkologe medizinische Kompressionsstrümpfe für notwendig, wird er welche verschreiben. Gewöhnliche Stützstrümpfe sollten Frauen nur tragen, wenn der Arzt keine anderen verordnet hat und sie sich damit wohlfühlen.
Was gilt es zu beachten?
Die meisten Krampfadern, die sich in der Schwangerschaft gebildet haben, verschwinden in den ersten drei bis vier Monaten nach der Geburt von allein wieder.
3. Mit Venenschwäche
Warum jetzt die Strümpfe?
Sind die Venen bereits geweitet, staut sich Blut im Bein. Das verursacht ein schweres Gefühl, auf Dauer Krampfadern und im schlimmsten Fall eine Thrombose. Kompressionsstrümpfe machen von außen Druck, sodass die Venenklappen besser schließen und das Blut zurückfließt.
Was leisten die Strümpfe und was nicht?
"Kompressionsstrümpfe sind ein zentraler Bestandteil der Therapie bei Venenerkrankungen", sagt Dr. Uwe Kirschner, Dermatologe und Phlebologe aus Mainz. "Je regelmäßiger die Patienten sie tragen, desto besser." Auch bei der Prävention von Venenerkrankungen spielen Kompressionsstrümpfe eine wichtige Rolle, so der Facharzt.
Welche Modelle sollten es sein?
Hat ein Arzt eine Venenschwäche diagnostiziert, verschreibt er medizinische Kompressionsstrümpfe und entscheidet, welche Kompressionsklasse richtig ist. "Manchen fällt es schwer, Strümpfe mit starker Kompression zu tragen", berichtet Kirschner. "Sie verzichten dann darauf, doch das ist ein Fehler." Reisestrümpfe oder Sportstützstrümpfe sind bei bereits kranken Venen auch keine Lösung: Sie üben nicht genug Druck aus.
Was gilt es zu beachten?
"Wer seine Kompressionsstrümpfe täglich trägt, bemerkt nach etwa sechs Monaten, dass die Gummizüge spröde werden und die Zugkraft nachlässt. Dann ist es Zeit für ein neues Rezept", so Kirschner. Ärzte dürfen Kassenpatienten zweimal pro Jahr zwei neue Strumpfpaare verschreiben.
4. Im Flugzeug
Warum jetzt die Strümpfe?
"Der Platz ist begrenzt, die Passagiere haben kaum Bewegung und sitzen mit angewinkelten Beinen", erklärt Fachärztin Reich-Schupke. "Die Wadenmuskelpumpe kann so nicht funktionieren, zudem trocknen die Menschen wegen der klimatisierten Luft regelrecht aus."
All das sind Risikofaktoren für eine Thrombose. "Kommen noch eigene Risikofaktoren wie Krampfadern hinzu", so die Ärztin, "gehören mindestens Stützstrümpfe ans Bein." Sinnvoll sei das ab sechs Stunden Flugdauer.
Was leisten die Strümpfe und was nicht?
Die Strümpfe unterstützen den Rückfluss des Bluts und verhindern nachweislich Thrombosen, sind jedoch nur eine von mehreren Maßnahmen. "Gerade auf längeren Flügen ist es wichtig, viel zu trinken und sich regelmäßig zu bewegen", so Stefanie Reich-Schupke.
Sie rät Passagieren, Fußgymnastik zu machen und bei Gelegenheit im Gang auf und ab zu gehen. "Bei hohem Risiko ist zusätzlich eine medikamentöse Thromboseprophylaxe sinnvoll."
Welche Modelle sollten es sein?
Wer gesunde Beinvenen hat und diese entlasten möchte, kann auf Reisen Sportkompressions- oder Stützstrümpfe tragen. Bestehen Krampfadern, sollte man unbedingt die vom Arzt verschriebenen Kompressionsstrümpfe anziehen.
Was gilt es zu beachten?
Beschwerden durch eine Thrombose entstehen im Flugzeug nicht von jetzt auf gleich. "Oft dauert es einige Tage, bis Symptome auftreten", so die Venenexpertin. Das sind etwa eine Schwellung am Bein, Schmerzen in der Wade und rötlich-blaue Hautverfärbungen.
5. Beim Sport
Warum jetzt die Strümpfe?
Mehr als jeder vierte Marathonläufer trägt Sport-Kompressionsstrümpfe. Läufer, Triathleten oder Skilangläufer erhoffen sich dadurch eine bessere Leistungsfähigkeit.
Was leisten die Strümpfe und was nicht?
Dass Kompressionsstrümpfe bei Laufwettkämpfen und Triathlons schneller machen, ist wissenschaftlich nicht belegt. "Das Verletzungsrisiko scheint jedoch etwas geringer zu sein, und es dürfte einen positiven Effekt für die Regeneration geben", sagt Stefanie Reich-Schupke.
Aber: Die Datenlage ist dünn, und oft sind die Studien nicht miteinander vergleichbar. "Am besten entscheidet jeder Sportler selbst, ob ihm so ein Strumpf guttut oder nicht", so die Ärztin.
Welche Modelle sollten es sein?
"Medizinische Kompressionsstrümpfe sind bei Sportlern nicht notwendig", sagt Reich-Schupke. "Es sei denn, ein Arzt hat sie verordnet, weil jemand beispielsweise ein Lymphödem hat."
Was gilt es zu beachten?
Für Ausdauersportler gibt es sogar T-Shirts und Hosen, die komprimieren sollen. Es existieren allerdings keine gesicherten Hinweise dafür, dass sie die Leistung verbessern können. Ein Tipp für Triathleten: Die engen Strümpfe nach dem Schwimmen über die nassen Unterschenkel zu stülpen, ist fast unmöglich und kostet Zeit. Besser man zieht komprimierende Stulpen an – die sind unter dem Neoprenanzug erlaubt.