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Frau Becker, Sie leben in Florida, pendeln aber häufig zwischen den USA und Deutschland. Welche Unterschiede zwischen den beiden Ländern in Bezug auf den Umgang mit Lebensmitteln und Ernährung nehmen Sie wahr?

In Deutschland ist es viel einfacher, Bio-Produkte oder rein pflanzliche Nahrungsmittel zu bekommen. In den Supermärkten strahlen einem die frischen Lebensmittel entgegen, es gibt eine große Auswahl. In den USA gibt es – mit Ausnahme der großen Städte – um die Ecke fast nur Fast-Food-Ketten und in den Supermärkten nur verpackte Ware. Auch die finanzielle Situation der Menschen hat einen viel größeren Einfluss darauf, wie sie sich ernähren.

Das heißt, viele können sich eine gesunde Ernährung gar nicht leisten?

Das ist ein großes Problem in Amerika, dort muss man sich eine gesunde Ernährung wirklich leisten können. Das ist in Deutschland weniger der Fall, denke ich. Ein voller Kühlschrank bedeutet in den USA dagegen Reichtum und Luxus. Alles wird doppelt und dreifach aufbewahrt, was zu viel ist, landet im Müll. Davon müssen wir wegkommen. Mein Wunsch ist, dass wir ein normales, gesundes Verhältnis zu Ernährung entwickeln und wissen: Was braucht mein Körper und wie viel davon?

Sich mehr mit einer gesunden Lebensweise zu beschäftigen gibt einem ja auch ein gutes Gefühl. Dieser psychologische Faktor ist nicht zu unterschätzen.

Absolut! Man kommt aus der Opferrolle heraus und lernt, sich um sich selbst zu kümmern. Das gehört auch zum großen Nutzen des Scheinfastens, um das es in meinem neuen Buch geht.

Was ist Scheinfasten überhaupt und warum fasziniert es Sie so?

Das Konzept wurde vom amerikanischen Zellbiologen Valter Longo entwickelt, für mein „Five days only“-Programm haben wir es abgewandelt. Scheinfasten bedeutet, dass man seinem Körper einen Nahrungsmangel vortäuscht, obwohl man etwas isst – bei „Five days only“ für fünf Tage. Damit dieses Täuschungsmanöver gelingt, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Das Essen muss kalorienreduziert, eiweiß- und kohlenhydratarm sein. Diese besondere Zusammensetzung erkennt die Zelle nicht als Nahrung an – und der Körper geht in den Fastenmodus.

Ich darf also etwas essen?

Das ist das Schöne an diesem Programm: Wir arbeiten mit echten Nahrungsmitteln und vielen Rezepten, nicht nur mit Suppen oder Tees. Die positiven Effekte, zum Beispiel, dass sich Blutzucker und Blutdruck regulieren, hat man trotzdem. Es geht weniger darum, Gewicht abzubauen, als um eine neue, gesündere Beziehung zum Essen. Eine Starthilfe zu einer ausgewogenen Ernährung.

Für viele ist Essen mit sehr unterschiedlichen, oft unangenehmen Gefühlen verbunden.

Ja, zum Beispiel mit Scham, weil man es nicht schafft, abzunehmen. Oder wir sagen, wir „sündigen“, wenn wir uns etwas schmecken lassen. Manche haben eine richtige Hassliebe zum Essen. Andere werden bewertet: Die lässt sich aber gehen, der hat sich nicht im Griff. Menschen werden schnell in Schubladen gesteckt. Dabei sitzen wir doch alle im selben Boot und wollen dasselbe: eine gesunde, unbelastete Beziehung zu Essen und Ernährung.

Welches Feedback bekommen Sie von Ihren Leserinnen und Lesern?

Es nicht schwer, die abzuholen, die schon auf den Zug aufgesprungen sind, die schon seit Jahren meine Sportprogramme machen. Die freuen sich, dass ich mich jetzt auch mit Ernährung beschäftige. Aber es gibt viele, die neu dabei sind, auch Männer, von denen ich positive Nachrichten bekomme. Die sagen: Fünf Tage traue ich mir zu, das kann ich schaffen.

Haben Sie selbst schon einmal klassisch gefastet?

Nein, nie. Ich kenne das von meiner Mutter, die früher immer wieder gefastet hat, strenges Wasserfasten zum Beispiel. Es gibt Menschen, die das gut können und diese strenge Struktur vielleicht auch brauchen. Ich habe das nie gemacht und mir auch nie zugetraut. Ich glaube, dass es vielen so geht. Und für diese Menschen habe ich das Buch geschrieben. Menschen, die etwas für ihren Stoffwechsel tun möchten, die aber keine klassische Fastenkur machen wollen.

Und ohne die Herausforderungen des Fastens wie schlechte Laune und Hungergefühle?

Auch beim Scheinfasten ist es nicht immer einfach! Tag drei ist nicht schön, zumindest nicht bei mir (lacht). Und es ist natürlich eine Herausforderung, wenn die Kollegen im Büro in die süßen Teilchen beißen. Da muss sich im Kopf ein Schalter umlegen: Ich kümmere mich um mich und das, was ich esse. Das schaffe ich. Das Ziel ist ein normales Verhältnis zum Essen, ein Sättigungsgefühl.

Was mir wichtig ist: Es ist keine Diät – ich wollte kein Diätbuch schreiben, ich halte nichts von Diäten. Ich weiß von Freunden, wie schnell die Pfunde und auch die Verzweiflung wieder da sind. Mir geht es darum, dass wir wieder eine gesunde Beziehung zu unserem Körper und unserem Essen entwickeln.

Sie haben viele Fitness-Ratgeber geschrieben, Pilates- und Yoga-DVDs veröffentlicht. Woher kommt Ihre Faszination für das Thema Gesundheit?

Ich bin schon immer ein Bewegungsmensch gewesen – egal ob tanzen, hüpfen, springen, Pilates oder Yoga – ich kann über Bewegung schnell meine Mitte finden. Dafür brauche ich Bewegung: dass ich nicht die Nerven verliere. Als ich vor über 30 Jahren mit Yoga begonnen habe, dachten viele, ich wechsle die Religion (lacht). Damals galt noch die Devise „Sport ist Mord“. Da hat sich zum Glück viel verändert, wir wissen heute, dass wir etwas für unsere mentale und physische Gesundheit tun müssen. Und wie wichtig Bewegung dafür ist.

Warum liegt es Ihnen so am Herzen, das an andere weiterzugeben?

Ich glaube, dass jeder sein Ding finden kann – das gesunde Essen, das er oder sie mag, die Bewegung, die einem Spaß macht. Nicht jeder muss Yoga oder Pilates machen, es gibt so viele Bewegungsformen, da ist für jeden etwas dabei. Das ist meine Mission: Ich lerne immerzu – ob durch Pilates oder Scheinfasten –, ich gebe es weiter und lerne wieder dazu, durch das Feedback meiner Community. Ich möchte, dass wir uns unsere Gesundheit erhalten, sodass wir im Alter nicht aufs Zuschauen reduziert sind, sondern mitmachen und teilhaben können.