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Frau Professorin Peifer, Sie erforschen einen Zustand, den jeder kennt: das gute Gefühl, wenn einen das eigene Tun ­einnimmt – den Flow. Wie kommt man in stressigen Situationen dahin?

Stress ist ja erst mal etwas ganz Subjektives. Wenn man die Dinge anders betrachtet, kann auch das Stresserleben gemindert werden. Es hängt zum Beispiel davon ab, ob ich die Dinge wichtig finde, die da um mich herum passieren. Wenn die Anforderungen von draußen, also die Stressoren, auf mich zukommen, dann stressen sie mich nur, wenn ich sie wichtig finde, aber Angst habe, sie nicht bewältigen zu können. Stress ist immer eine Frage von Bewertung.

Also kann man sich selbst etwas austricksen?

Genau. Oft kann man Situationen auch anders interpretieren, zum Beispiel als schaffbare Herausforderung anstatt als Bedrohung. Und gerade dann, wenn man etwas als Herausforderung betrachtet, kann ein Flow entstehen. In so einem Zustand zwischen Stress und Entspannung sind wir sehr leistungsfähig. Und dann denkt man kaum mehr an die Zeit und ehe man sich’s versieht, ist alles gemacht und die Arbeit hat sich vielleicht auch noch gut angefühlt.

Wie setzt das zum Beispiel eine Lagerfachkraft oder jemand vom Handwerk um?

Das ist eine gute Frage. Die gute Nachricht ist: Flow kann in den verschiedensten Berufen und Tätigkeiten erlebt werden und überall gibt es auch Stellschrauben, ihn wahrscheinlicher zu machen. Aber: ich möchte nicht behaupten, dass man jeden Stressor einfach uminterpretieren kann. Ein Beispiel dafür ist ein objektiv einfach nicht zu schaffendes Arbeitspensum. Das kann häufig auch ein strukturelles Problem sein.

Welche Strukturen bräuchte es denn?

Zum Beispiel Autonomie. Dinge selbst entscheiden oder einteilen zu können, hilft, Stress zu reduzieren. Wenn es von außen so ist, dass da null Spielraum und der Zeitdruck extrem hoch ist, gibt es wenig Möglichkeiten, etwas zu ändern – und das ist stressauslösend. Wichtig ist dann sich selbst zu sagen: „Ich tue das, was ich kann in dem Tempo, das ich kann.“

Das klingt nur so mittel motivierend?

Ja. Es ist einfach zentral, dass in den Unternehmen erkannt wird, dass es keinen Nutzen bringt unerfüllbare Anforderungen zu stellen. Das führt nur zu mehr Krankheitstagen und demotivierten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aber keinesfalls langfristig zu mehr Leistung.

Professorin Corinna Peifer ist Arbeitspsychologin an der Universität Lübeck. Dort erforscht sie die Mitte aus Entspannung und Stress – den Flow. Und wie man ihn findet

Professorin Corinna Peifer ist Arbeitspsychologin an der Universität Lübeck. Dort erforscht sie die Mitte aus Entspannung und Stress – den Flow. Und wie man ihn findet

Wo bekomme ich noch Motivation für den Flow?

Eine Möglichkeit ist, Relevanz und Bedeutsamkeit der eigenen Arbeit anders zu betrachten. Da kann sicherlich jeder für sich überlegen, warum das jetzt wichtig ist, was man gerade tut. In diesem Zusammenhang fällt mir das Beispiel zweier Reinigungskräfte im Krankenhaus ein. Beide wurden gefragt, was ihre Aufgabe ist. Eine antwortete, sie mache hier nur den Dreck weg. Die andere sagte sie sorge für Hygiene als Grundvoraussetzung für gute Genesung. Man kann für sich selbst den Stellenwert seiner Tätigkeit umbewerten und hat so Einfluss auf das Flow-Erleben. Das klappt auch, wenn die Arbeit langweilig und eintönig ist.

Auch in der Buchhaltung?

Die sorgt dafür, dass Beschäftigte ihren Lohn bekommen. Das ist eine Schlüsselposition im Unternehmen. Das kann man sich bewusst machen: Wo ist der eigene Platz als Rädchen im Getriebe? Wo funktioniert es nur mit mir? Wer ist froh, dass ich da bin? Man sollte die Bedeutung seiner Arbeit sehen.

Und wenn ich einmal im Flow bin – wie hält er an?

Möglichst sollte man alle Störfaktoren ausschalten, wie zum Beispiel das Handy. Wichtig sind aber auch kleine Pausen, einen Kaffee trinken, mit Kolleginnen und Kollegen sprechen. Es braucht immer wieder kurze Unterbrechungen, spätestens nach ein bis zwei Stunden, um danach auch wieder in den Flow kommen zu können. Im Mittelpunkt steht eine gesunde Balance aus Entspannung und Herausforderung.

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