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Weihnachten ist mit zu hohen Erwartungen verknüpft, das finden 25 Prozent der Deutschen laut einer Umfrage von Dezember 2021. Außerdem ist etwa jeder oder jedem Sechsten der Organisations­aufwand zu groß. Und für genauso viele bedeutet das Fest puren Stress.

Noch mehr Menschen, nämlich 36 Prozent streiten zum Fest mit Partner oder Partnerin (Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov). Fast genauso viel Zoff gibt es mit den Eltern. Dann kann man das Feiern doch gleich ganz sein lassen? Nicht unbedingt. Wir haben mit Expertinnen und Experten gesprochen und für ein paar Problem-Konstellationen Lösungen gefunden, wie Weihnachten doch noch zu einem Fest wird, das Freude bringt.

Die Trauernden

Ist ein geliebter Mensch gestorben, wird der Verlust an Weihnachten oft umso schmerzlicher bewusst. Schließlich hat man doch immer gemeinsam gefeiert, gegessen, eigene Traditionen gepflegt. „Wie soll das Fest nur ­ohne dich werden?“, fragen sich Betroffene häufig. Das erste Jahr sei besonders schwer, sagt Trauerbegleiter Dirk Matzik von Trauart, einem Zentrum für Trauerarbeit, Therapie und Weiterbildung in Essen. Viele Hinterbliebene hätten regelrecht Angst vor dem ersten Weihnachten „allein“. Doch seien die Fantasien davon meistens schlimmer und schmerzhafter als die Trauer selbst.

„Gelebter Schmerz ist viel sanfter als verdrängter“, erklärt Matzik. So ­könne man die Feiertage beispielsweise mit dem Rest der Familie verbringen, über die verstorbene Person und die vergangenen Jahre reden – auch wenn unter dem Tannenbaum Tränen fließen. „Trauer ist genauso wertvoll wie Freude“, so der Experte. Sie zeigt, dass ein Mensch uns wirklich etwas bedeutet hat und ist der Weg, mit dem Verlust leben zu lernen.

Die Einsamen

Was, wenn sich jemand kürzlich getrennt hat? Oder niemand aus der Familie mehr da ist, um das Fest gemeinsam zu begehen? „Sorgen Sie gut für sich“, rät Trauerbegleiter Dirk Matzik. „Überlegen Sie, was Sie an Weihnachten tun möchten.“ Eine Möglichkeit: Feiern bei Freunden oder Bekannten. Aber mache ich die nicht traurig oder störe gar? Diese Frage ­müsse man sich nicht stellen, so der Sozialpädagoge. Die Entscheidung liege bei den anderen. Die Personen, die man fragt, sollten allerdings eine gewisse Offen­heit mitbringen und einen gut aufnehmen können. „Horchen Sie in sich hinein: Tun mir diese Menschen gut?“

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Es sei auch völlig in Ordnung, Weihnachten alleine zu verbringen, betont Dr. Carmen Birkholz, Diplom-Theologin, Mediatorin und Vorsitzende des Bundesverbands Trauerbegleitung: „Manche Men­schen können das sehr gut. Sie genießen es, sich etwas Gutes zu kochen oder Musik zu hören.“ Für jeden könne etwas anderes richtig sein. Ihr Tipp: „Schauen Sie aktiv nach, welche Angebote es an Ihrem Wohnort gibt.“

Weil das Problem für viele nicht mit den Feiertagen beginnt, bieten manche Organisationen auch schon im Vorfeld etwas an. Das Wichtigste sei, aktiv zu werden und bewusst zu entscheiden. Angehörigen und Freunden rät Birkholz, Einsame und Trauernde empathisch zu behandeln, sie vielleicht offen zu fragen: Was machst du an Weihnachten? Ein Angebot muss ehrlich, darf aber keinesfalls übergriffig sein.

Die Aussteiger

Südsee statt Familienwahnsinn. Weihnachten wird überfrachtet mit Erwartungen. Kein Wunder, wenn bei einigen der Wunsch wächst „zu flüchten“. Ein Bruch mit Traditionen kann jedoch auch als Bedrohung empfunden werden, erklärt Psychotherapeutin Hoffmann: „Wenn wir etwas anders machen wollen, wissen wir nicht, was passiert und werden dadurch unsicher.“ Zu seinen Bedürfnissen zu stehen, gleichzeitig aber Verständnis für das Gegenüber aufzubringen, kann ein Annähern erleichtern. „Ich ver­stehe, dass da dein Herz daranhängt, aber für mich ist es wichtig, dass ich es dieses Jahr so mache.“ Ein Ergebnis, mit dem alle zufrieden sind, sei das Ziel jeder Streitschlichtung, aber nicht die Regel, so Hoffmann.

Kompromisse lassen sich schon eher finden. Man schluckt zwar eine Kröte, bekommt dafür aber etwas. So kann die Kröte ein Adventskaffee im Kreis der Familie sein. Zu Weihnachten gibt es dafür die erträumte himmlische Ruhe auf einer Berghütte – ohne dass die Familie beleidigt ist.

Die Streitenden

Alle Jahre wieder kracht es, wenn sich die Familie trifft: zum Beispiel weil Verwandte in Fettnäpfchen treten. Oder weil sich Glühwein-erhitzte Gemüter in Rage reden bei heiklen Themen wie politischen Einstellungen. Oder aber weil es unterschied­liche Erwartungen gibt. Damit es ein Fest der Liebe und kein Fest mit Zank und Streit wird, schlägt Carola Hoffmann vor, rechtzeitig abzusprechen, wie und mit wem man feiern möchte. Wichtig sei es, ehrlich zu sein und Ich-Botschaften zu formulieren, so die Psychotherapeutin aus Saarbrücken: „Für mich wäre es wichtig, wenn wir es dieses Jahr mal so machen …“ statt „Wenn du kommst, dann sprich nicht über …“ Um Streit zu vermeiden, empfiehlt Hoffmann zudem eine klare Struktur, selbst an den Feiertagen. Dazu gehört unter anderem ein Spaziergang: „Wenn wir uns bewegen, wird auch das Denken beweglicher. Das baut Stress ab.“

Die Genervten

Jedes Jahr das Gleiche. Die Nachbarn haben ihre nervigen Blinklichter aufgehängt, schon wieder muss man „Last Christmas“ in Dauerschleife ertragen und alle erwarten ein Geschenk – oder schlimmer noch: dass man sich gefälligst ordentlich über die Pralinen und selbst gestrickten Socken freut. Am liebsten möchte man alle aussperren. Aber das geht doch nicht – oder?

Psychologin Carola Hoffmann rät, die Aufmerksamkeit auf die eigene Wahrnehmung zu lenken: Was bedeutet dieses Fest für mich, wie stehe ich dazu? Bitte nicht mit Egoismus gleichsetzen! „Da sage ich: Stopp, ersetzen Sie das Wort Egoismus durch Selbstfürsorge, das ist wichtig in jedem Bereich. Aber auch zu Weihnachten.“ Überlegen Sie: Lassen sich Abläufe ändern, die besser zu den eigenen Bedürfnissen passen und weniger mit Weihnachten zu tun haben? Zum Beispiel: Bitte keine Geschenke, lass uns dafür nächstes Jahr einen Abend zusammen ver­bringen und gut essen gehen. Oder: Ich möchte nicht in die Kirche, aber wie wäre es mit einem gemeinsamen Winterspaziergang?

Die Gestressten

Advent, Advent – aber alle Kerzen sind schon ausverkauft. Und die Kinder wollten am Wochenende Plätzchen backen! Haben wir alles dafür? Für viele ist die (Vor-)Weihnachtszeit eine nicht enden wollende Liste von Aufgaben. Psychologin und Beraterin Stefanie Mädel kennt das Problem gut: „Der Wunsch ist häufig: Es den Lieben recht zu machen und Gutes für die anderen zu tun. Aber das ist manchmal gar nicht so einfach oder sogar unmöglich, wenn es einem selbst dabei nicht gut geht.“

Die Expertin rät, den sogenannten Mental Load, also das Planen und ­Organisieren der fest- und alltäg­lichen Aufgaben, zu reduzieren. Am besten funktioniert das, wenn man komplette Aufgaben mit der gesamten Verantwortung abgibt: Die Adventskalender für die Kinder besorgt dieses Jahr der Patenonkel, die Großeltern kümmern sich um das Plätzchen-Thema. „Wichtig ist, dass man die Aufgaben wirklich ganz abgibt. Sonst ist das keine Entlastung“, betont Mädel, die sich auf das Thema Mental Load spezialisiert hat.

Kleines Stilleritual zum Abschluss

Advent bedeutet, sich zu besinnen, bei sich zu bleiben. Unser Ritual kann dabei helfen: Zünden Sie eine Kerze an, blicken Sie eine Minute auf einen ruhigen Punkt. Dabei bewusst ein- und ausatmen. Und die Stille genießen.

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Quellen:

  • Statista, GCS Holiday Special 2021: Welche der folgenden Aussagen in Bezug auf Weihanchten stimmen Sie zu?. Online: https://de.statista.com/... (Abgerufen am 28.10.2022)
  • Statista Research Department, YouGov: Mit welchen Personen streiten Sie sich an Weihnachten?. Online: https://de.statista.com/... (Abgerufen am 27.10.2022)
  • Bundesverband Trauerbegleitung e. V.: Bundesverband Trauerbegleitung e. V., versteht sich als Interessenvertretung und Sprachrohr für trauernde Menschen, Trauerbegleitende und Menschen in Lehre und Forschung zu Trauer. Online: https://bv-trauerbegleitung.de/... (Abgerufen am 30.11.2022)
  • Dirk Matzik: TRAUART, Zentrum für Trauerbegleitung, Therapie und Weiterbildung. Online: https://www.trauart.de/... (Abgerufen am 30.11.2022)
  • Frank Ertel/Michael Hillenkamp: TelefonSeelsorge e.V., - ein Netzwerk von 104 Stellen in Deutschland, Kontakt per Anruf, Mail oder Chat möglich. Online: https://online.telefonseelsorge.de/... (Abgerufen am 30.11.2022)