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Anfang des Jahres schlug eine Heimleitung aus Nordrhein-Westfalen Alarm: Rund ein Viertel der knapp 200 Plätze ihrer Einrichtung mussten leer bleiben, weil die Heimaufsicht im Landkreis es so wollte. Grund waren nicht, so sagt es das Heim, Missstände in Pflege und Betreuung. Es lag schlicht daran, dass es nicht gelungen war, genügend Pflegefachkräfte aufzubieten. Aus Altersgründen würden aktuell viele Pflegerinnen und Pfleger ausscheiden, neue Fachkräfte aber könne man trotz allen Werbens nicht bekommen. Der Arbeitsmarkt in der Pflege ist leer gefegt.

Jede zweite Pflegekraft in den rund 15 400 Heimen in Deutschland muss eine dreijährige Ausbildung mit staatlichem Examen vorweisen. Die andere Hälfte können Pflegehelferinnen und -helfer sein. Das genaue Vorgehen ist auf Länderebene geregelt, unterscheidet sich aber zwischen Bayern und Schleswig- Holstein wenig. Diese Fachkraftquote soll die Qualität in den Einrichtungen garantieren – und wird doch zusehends zum Streitpunkt. Denn das Beispiel aus Nordrhein-
Westfalen ist kein Einzelfall.

Immer mehr Heime, so berichten Fachleute und auch Heimaufsichten, kämpfen mit der 50-Prozent-Hürde. Auf dem Land scheinen mehr Einrichtungen betroffen zu sein als in den Städten. Genaue Zahlen sind kaum zu bekommen: Wer zu wenig Fachkräfte hat, geht damit selten an die Öffentlichkeit. Zu groß ist die Gefahr eines Imageschadens für das eigene Haus.

Sollte die Politik die Fachkraftquote also lockern? Zugegeben, die jetzige Regelung gibt Anlass zu Kritik. Sie ist, wie jede in Zahlen gemeißelte Vorgabe, starr: Für die Bewohnerinnen und Bewohner dürfte es in vielen Fällen keinen Unterschied machen, ob ein Heim gerade eine Fachkraftquote von 51 oder von 45 Prozent hat. Für das Gesetz aber springt die Ampel von Grün auf Rot – in der Praxis verhängen Heime oft freiwillig einen Aufnahmestopp. Die Quote berücksichtigt bislang auch zu wenig den Erfahrungsschatz, den viele Pflegehelferinnen und -helfer mitbringen. Manchmal sind sie seit Jahrzehnten im Job, haben Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen entwickelt. Dinge, auf die es in der Pflege (auch) ankommt.

Und doch wäre es falsch, das Instrument der Fachkräftequote infrage zu stellen. Der Hilferuf der Heimleitung aus Nordrhein-Westfalen ist Symptom eines viel größeren Problems. Der Politik gelingt es nicht, den Pflegeberuf so attraktiv zu gestalten, dass genug junge Menschen diesen Weg einschlagen und erfahrene Fachkräfte im Job bleiben wollen. Es bleibt bei finanziellen Maßnahmen wie dem Corona-Bonus, der demnächst – endlich – bei den Pflegenden ankommen soll. Echte Verbesserungen wie eine verkürzte Wochenarbeitszeit? Fehlanzeige.

Pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen brauchen das Vertrauen, im Heim gut aufgehoben zu sein. Eine Fachkraftquote ist dazu sicher nicht der einzige, aber doch ein wichtiger Beitrag. Für 2023 plant die Politik eine flexiblere Regelung. So soll das Fachpersonal künftig unter anderem nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit der Bewohnerinnen und Bewohner bemessen werden. Das kann ein richtiger Schritt sein, um die Quote besser an den Bedarf der Betroffenen anzupassen. Abstriche an der Qualität aber darf es nicht geben.


Quellen: