York
Wer aus London anreist, fühlt sich in York wie in vergangene Zeiten versetzt: Mittelalterliche Fachwerkhäuser und Wehrtürme bestimmen das Bild, dazu die größte gotische Kathedrale des Landes, das Münster von 1472. Das Ostfenster, groß wie ein Tennisplatz, zeigt Beginn und Ende der Welt. Wenn der Abendchor singt, wird York am Fluss Ouse zu einer der weihnachtlichsten Städte Großbritanniens. Fast 220 000 Einwohner zählt die heutige Universitätsstadt.
Vier Haupttore sind der Zugang zu 2000 Jahren Geschichte auf engstem Raum: Römer, Wikinger, Normannen haben York geprägt, die „ewige Stadt“. Im Jahr 71 nach Christus nannten die Römer ihr Lager Eboracum, Hauptstadt der Provinz Britannia Inferior. Im „Jorvik“-Wikingerzentrum erfährt man, wie aus Jórvík York wurde – im Mittelalter ein wichtiges Handelszentrum. Eine fünf Kilometer lange, begehbare Stadtmauer umgibt die Altstadt noch heute. Sehenswert sind Snickelways, Schleichwege, und die berühmte Gasse, Shambles, in der einst die Metzger lebten. Heute erinnert sie an die Winkelgasse der Harry-Potter-Filme: Verkauft werden Pas- teten, Sahnekaramell („Fudge“), Zaubertränke. Überall stehen Touristenführerinnen und -führer im Kostüm.
Alle Straßen laufen auf das Münster zu, die Krone der Stadt. Der erste Stein stammt aus dem 7. Jahrhundert. „Schon als Kind war ich vom Münster fasziniert, wahrscheinlich eine meiner ersten Erinnerungen“, sagt Neil Sanderson. Der 55-Jährige leitet das „Christmas Tree Festival“. Daran nehmen Schulen, Firmen, Wohltätigkeitsvereine teil, die die 60 Weihnachtsbäume schmücken. Der schönste Baum erhält einen Preis. Dezember in York, sagt Sanderson, sei „eine wunderbare Zeit“.
Es gibt einen Weihnachtsmarkt, den St. Nicholas Fair, die größte Schlittschuhfläche Nordenglands und ein deutsches Spielwarengeschäft mit Räuchermännchen, Holzpyramiden und Kugeln aller Art. In den USA versteckt man eine grüne Glas-Gurke in den Zweigen des Weihnachtsbaums, die an Heiligabend gesucht wird. Deshalb sind „Christmas-Pickles“ aus York ein begehrtes Mitbringsel. Auch Pralinen kann man auf dem Weihnachtsmarkt herstellen, schließlich war York Zentrum der Schokoladenindustrie. Hintergrund: Die Quäker waren gegen Alkohol und investierten dafür ab 1725 ins Kakaogeschäft.
Wer noch Tickets erhält, steigt in den „Flying Scotsman“. Am 10. Dezember rollt die Dampflok von 1923 über das malerische Ribblehead-Viadukt bis Carlisle und zurück, eine Tagestour – mit „Father Christmas“ an Bord. Gut essen kann man in der neuen „Refectory“, einem Grillrestaurant in der denkmalgeschützten Schule des Münsters von 1833. Auf der Speisekarte: Fleisch und Käse aus Yorkshire. Auch das Eisenbahnmuseum lohnt sich. Dort ist nicht nur der mit blauem Samt ausgestattete Zug von Queen Victoria zu sehen. Es gibt auch ein interaktives Wissenslabor für Familien.
Ein Muss im Münster ist für Sanderson der St.-Lucia-Gottesdienst am 11. Dezember. In der dunklen Kathedrale singe ein Mädchen mit Kerzenkrone und ein schwedischer Chor, sagt er, „absolut faszinierend“. So wie die Landschaft: Moore, Hügel, die „Yorkshire Dales“, Schafe, Steinmauern. „God’s own country“, Gottes eigenes Land, wird Yorkshire, die größte Grafschaft Großbritanniens, genannt. In Haworth schrieben Charlotte, Emily und Anne Brontë Weltliteratur, zunächst unter männlichem Pseudonym. Heute zählen die Pfarrtöchter zu den meistgelesenen Autorinnen des 19. Jahrhunderts. Im Advent ist ihr Dorf ein Geheimtipp – ein Süßigkeitenladen verkauft Rhabarber-Sahne-Bonbons, eine viktorianische Apotheke Duftendes und Skurriles wie Erdbeersamenseife. Einen Ausflug wert ist auch das 22 Kilometer entfernte Castle Howard von 1699. Im Dezember verwandelt es sich in ein leuchtendes Wintermärchen. Nur übernachten kann man nicht, der Herrensitz gehört immer noch der Familie.
Neil Sanderson
ist in Yorkshire geboren und Direktor des York Minster Fund. Seit 2021 organisiert er das „Christmas Tree Festival“ im Münster von York. Der 55-Jährige war Leitungskraft eines Lebensmittelunternehmens, hat drei Kinder und ist auch als Laienprediger tätig.
Infos für Ihre Reiseplanung
Wie kommt man hin? Auto: ab Köln über Calais durch den Eurotunnel in etwa neun Stunden nach York.
Zug: im Thalys von Köln nach Brüssel (zwei Stunden), dann zwei Stunden mit dem Eurostar nach London St. Pancras, ab King’s Cross fährt die London North Eastern Railway (LNER) zwei Stunden bis York.
Wo kann man übernachten?
Elmbank Hotel: Boutique-Hotel mit Jugendstil-Sammlung im historischen Zentrum.
Guy Fawkes Inn: schöne Zimmer im gregorianischen Stadthaus neben dem Münster.
Was kann man erleben?
Einen Ausflug nach Haworth: Etwa zwei Zugstunden entfernt liegt das Dorf der Brontë-Schwestern: Viele wandern zur Ruine des Farmhauses „Top Withens“, Vorbild für den Roman „Sturmhöhe“. Der Name ist Programm. Es ist rau, windig, die Gassen aber leuchten weihnachtlich. Noch Lust auf einen weiteren Ausflug? Das 300 Jahre alte Castle Howard, eine Zugstunde von York entfernt, ist Drehort der Serie „Bridgerton“, ein Winterwunderland.
Unbedingt probieren
Yorkshire Pudding wird zu Braten („Sunday Roasts“) serviert – ein salzig-knuspriges Brotsoufflé aus Mehl, Milch, Eiern. Der legendäre Christmas Pudding besteht traditionell aus Rinderfett, Rosinen, Nüssen und wird mit Brandy flambiert.
Quellen:
- York Minster: The York Minster Christmas Tree Festival. https://yorkminster.org/... (Abgerufen am 09.10.2023)