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Beim Gebärmutterhalskrebs hat die Medizin eine Erfolgsgeschichte hingelegt. Früher eine der häufigsten Krebsarten, kann sich heute fast jede junge Frau erfolgreich davor schützen – wenn sie sich impfen lässt und regelmäßig zur Früherkennung geht. Heute erkranken in Deutschland jährlich rund 4300 Frauen daran, mehr als 1600 sterben in der Folge. Vor 30 Jahren waren es doppelt so viele Todesfälle. Trotzdem: Die Bilanz könnte noch viel besser ausfallen.

Wichtigster Ansatzpunkt ist die Impfung gegen das Humane Papillomvirus (HPV). Denn fast immer wird Gebärmutterhalskrebs dadurch ausgelöst. Fast alle sexuell aktiven Menschen stecken sich damit an. Meistens überwindet der Körper die Infektion, aber manchmal bleiben die Viren – und können später zu einem Tumor führen. Die Impfung in der frühen Jugend ist hier hochwirksam. Studien zeigen, dass sich damit die Gebärmutterhalskrebs-Fälle sehr stark verringern. Eine Arbeit, veröffentlicht im Fachblatt The Lancet belegte einen Rückgang um bis zu 87 Prozent. Forscherinnen und Forscher werteten dazu Daten aus dem Zeitraum 2006 bis 2019 aus.

Doch die in Deutschland 2007 für Mädchen und 2018 für Jungen eingeführte HPV-Impfung wird oft nicht angenommen. Laut Robert Koch-Institut (RKI) waren im Jahr 2018 nur 51 Prozent der jungen Frauen im Alter von 18 Jahren vollständig gegen HPV geimpft. Die Impfung wird für das Alter 9 bis 14 empfohlen. Offenbar sind ­viele Eltern nicht ausreichend informiert und werden auch von Ärztinnen und Ärzten zu selten dazu aufgefordert, wie eine Studie im Auftrag des Gesundheitsministeriums ergeben hat.

Die meisten Frauen konnten sich in ihrer Jugend aber gar nicht kostenlos impfen lassen. Für sie ist die Früherkennung immer noch die einzige Möglichkeit, einen eventuellen Gebärmutterhalskrebs zu verhindern. Erst 2020 wurde das Vorgehen mit dem Ziel aktualisiert, Krebsvorstufen möglichst bei mehr Patientinnen und noch früher zu entdecken. „Denn im Frühstadium liegen die Heilungschancen bei 93 bis 95 Prozent“, sagt die Bamberger Gynäkologin Dr. Justine Dokoupil.

Zunächst ein kleiner Rückblick: Jahrzehntelang sollten Frauen zwischen 20 und 65 jedes Jahr einen Pap-Test machen: also 45-mal im Leben einen Abstrich aus dem Gebärmutterhals, der im Labor auf Krebsvorstufen durchsucht wird. Nach heutigem Wissensstand ist das nicht mehr optimal. Der frühe Start: Mit Anfang 20 ist Gebärmutterhalskrebs extrem selten. Die hohe Frequenz: Gebärmutterhalskrebs entwickelt sich über viele Jahre, oft Jahrzehnte hinweg. Viele andere Länder starten die Früherkennung erst mit 25 oder 30 und bitten die Frauen in größeren Abständen zu Tests. Außerdem ist der Pap-Abstrich mit etwa 50 Prozent Treffer-Wahrscheinlichkeit gar nicht besonders gut im Auffinden von Krebsvorstufen. Und er ist fehleranfällig. Manchmal wird eine Krebsvorstufe angezeigt, obwohl gar keine da ist – oder der Test schlägt nicht an, obwohl Zellen verändert sind.

Mittlerweile gibt es mit dem HPV-Test eine Methode, mit der gefährdete Frauen einfach erkannt werden können. Er liegt zu 90 Prozent richtig. „In vielen Ländern wird daher als erstes Filterinstrument nur noch der HPV-Test genutzt“, berichtet die Epidemiologin Stefanie Klug, die an vielen Studien zur Bewertung von Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung beteiligt war. Falls der HPV-Test positiv ausfällt, wird mit dem Pap-Test nach Krebsvorstufen gesucht. So ist es beispielsweise in den Niederlanden.

Vor diesem Hintergrund erscheint das erst kürzlich modernisierte Früherkennungsprogramm in Deutschland wie auf halber Strecke stecken geblieben. Denn es setzt weiterhin viel auf Pap-Tests. „Daran wurde sehr stark festgehalten, obwohl immer mehr Daten zeigen, dass HPV-Tests als Screening-Methode ausreichen und sogar besser sind als die Kombination“, sagt Professorin Klug von der Technischen Universität München. In Deutschland sollen Frauen bis 34 nun jährlich den Pap-Test machen und ab 35 im Drei-Jahres-Abstand einen HPV- plus einen Pap-Test. Es macht erst ab einem gewissen Alter Sinn, den HPV-Test einzusetzen. „Jüngere Frauen wechseln öfter die Sexualpartner. Viele stecken sich an und sind kurzzeitig HPV-positiv. Innerhalb von ein bis zwei Jahren sind sie aber meist wieder geheilt“, sagt Justine Dokoupil. Von den einmal mit HPV infizierten Frauen bleiben etwa zehn Prozent dauerhaft positiv. „Sie bekommen nun mehr Sicherheit“, sagt die Expertin.

Bei Patientinnen, die mehrmals HPV-positiv getestet wurden oder im parallelen Pap-Test Auffälligkeiten haben, soll nun der Gebärmutterhals genauer angesehen werden. Bei der sogenannten Kolposkopie wird dort nach Hautveränderungen gesucht. Die Ärztin oder der Arzt dehnt die Vagina auf und betupft die Haut im Gebärmutterhals mit verdünnter Essigsäure und Jod. Gesunde Zellen färben sich braun, krankhafte Zellen färben sich nicht. Mit einem Auflichtmikroskop können Behandelnde diesen Bereich vergrößert sehen. Wenn nötig werden Gewebeproben entnommen. „Das geht meistens ohne örtliche Betäubung, weil der Gebärmutterhals nicht schmerzempfindlich ist“, erklärt Dokoupil.

Vorher war diese ambulante Untersuchung kein Standard in der Diagnostik. Dafür brauchen Ärztinnen und Ärzte eine spezielle Ausbildung. Seit 2020 ist die Zahl der Kolposkopien stark angestiegen. Es werden zwar nur selten schwergradige Krebsvorstufen entdeckt, aber unnötige Eingriffe wahrscheinlich eingespart. „Früher wurde dieser Schritt oft ausgelassen und gleich operiert“, sagt Stefanie Klug.

Der neu eingesetzte HPV-Test sorgt in den Praxen allerdings auch für beun­ruhigte Patientinnen. Viele Frauen erfahren dadurch erstmals, dass sie infiziert sind. Sie sorgen sich nun, Krebs zu bekommen. Wichtig für sie zu wissen: „Ihr Risiko ist zwar erhöht, aber die allermeisten von ihnen bekommen trotzdem keinen Gebärmutterhalskrebs“, betont Dokoupil. Weniger als eine von zehn Frauen mit einer dauerhaften Infektion erkrankt tatsächlich.

Weiteres Ziel für die Zukunft: Mehr Frauen als bisher sollen zur Früherkennung gehen. Viele tun das zumindest nicht regelmäßig. Das zeigen etwa Daten der Techniker Krankenkasse. So haben 2020 nur 53 Prozent der Frauen das Angebot genutzt. Daher werden sie nun alle fünf Jahre mit einem Schreiben ihrer Kasse daran erinnert. „Doch es ist keine konkrete Einladung mit Ort, Datum und Uhrzeit, wie wir das bei der Brustkrebs-Früherkennung haben“, bemängelt Expertin Klug. Frauen, die nicht kämen, könnten erinnert werden – oder die Möglichkeit bekommen, selbst einen Abstrich zu machen und ans Labor zu schicken, meint Klug. Auch dies sei Praxis in anderen Ländern. Ob es bei uns auch so weit kommt? 2026 wird das Früherkennungsprogramm wieder überprüft – und eventuell geändert.


Quellen:

  • Zentrum für Krebsregisterdaten: Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom). https://www.krebsdaten.de/... (Abgerufen am 22.03.2022)
  • Thomas Harder, Ole Wichmann, Stefanie J. Klug, Marianne A. B. van der Sande & Miriam Wiese-Posselt : Efficacy, effectiveness and safety of vaccination against human papillomavirus in males: a systematic review. BMC Medicine: https://bmcmedicine.biomedcentral.com/... (Abgerufen am 22.03.2022)
  • Deutsches Krebsforschungszentrum: Humane Papillomviren (HPV) als Krebs-Auslöser. https://www.krebsinformationsdienst.de/... (Abgerufen am 22.03.2022)
  • Robert-Koch-Institut: Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health. Epidemiologisches Bulletin. https://www.rki.de/... (Abgerufen am 22.03.2022)
  • Milena Falcaro, PhD Alejandra Castañon, PhD Busani Ndlela, PhD Marta Checchi, MSc Kate Soldan, PhD Jamie Lopez-Bernal, PhD Lucy Elliss-Brookes, BSc Prof Peter Sasieni : The effects of the national HPV vaccination programme in England, UK, on cervical cancer and grade 3 cervical intraepithelial neoplasia incidence: a register-based observational study. The Lancet: https://www.thelancet.com/... (Abgerufen am 22.03.2022)
  • Marc Arbyn Lan Xu Cindy Simoens Pierre PL Martin‐Hirsch: HPV-Impfung zur Vorbeugung von Gebärmutterhalskrebs und seinen Vorstufen. Cochrane Database of Systematic Reviews : https://www.cochranelibrary.com/... (Abgerufen am 22.03.2022)
  • Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Zervixkarzinom. https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/... (Abgerufen am 21.04.2022)
  • Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): Welchen Nutzen haben HPV-Tests zur Früherkennung?. https://www.gesundheitsinformation.de/... (Abgerufen am 21.04.2022)
  • Stefanie J. Klug et al.: Impact of opportunistic screening on squamous cell and adenocarcinoma of the cervix in Germany: A population-based case-control study. Plos One: https://journals.plos.org/... (Abgerufen am 21.04.2022)
  • Stefanie J. Klug et al.: Cervical Cancer Screening: Comparison of Conventional Pap Smear Test, Liquid-Based Cytology, and Human Papillomavirus Testing as Stand-alone or Cotesting Strategies . Cancer Epidemiol Biomarkers Prev.: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 21.04.2022)