Wer sich impfen lassen sollte, was dabei zu beachten ist
von Nina Bürger, 01.04.2020
Eine Pneumokokken-Impfung schützt nicht vor einer Infektion mit dem Coronavirus.
Das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 verursacht die Lungenkrankheit Covid-19. Meist verläuft sie mild. Sie kann aber auch zu einer Blutvergiftung (Sepis) führen oder zu einer schweren Lungenentzündung mit Atemversagen.
Bei Pneumokokken handelt es sich um bakterielle Krankheitserreger, die schwere Infektionen der Lunge mit Lungenentzündung, aber auch eine Blutvergiftung auslösen können. Nach Angaben des RKI ist es plausibel, dass die Pneumokokken-Impfung eine sogenannte Superinfektion mit Pneumokokken bei Patienten mit Covid-19 verhindern kann. Superinfektion bedeutet hier: Neben der Infektion mit dem Coronavirus kann noch eine mit anderen Keimen auftreten, zum Beispiel mit Pneumokokken.
"Schwere Pneumokokken-Infektionen treten gehäuft nach Virusinfektionen auf. Da es sich auch bei Corona-Infektionen um solche handelt, wurde vom RKI die Pneumokokken-Impfung ins Gespräch gebracht", so Professor Tobias Welte, Direktor der Klinik für Pneumologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. "Besonders alte und schwer vorerkrankte Menschen könnten so vor einer weiteren Infektion geschützt werden", sagt Dr. Michael Barczok, niedergelassener Pneumologe in Ulm. Eine bakterielle Superinfektion sieht er als besonders problematisch bei stark geschwächten Covid-19-Patienten an, die künstlich beatmet werden.
"Grundsätzlich wird eine Pneumokokken-Impfung für alle über 60-Jährigen und alle Patienten mit chronischen Erkrankungen empfohlen", so Welte. Sie haben ein erhöhtes Risiko für eine Pneumokokken-Infektion mit schwerem Verlauf.
Die Vorgaben, wer jetzt noch gegen Pneumokokken geimpft werden darf, wurden von der Ständigen Impfkommission (STIKO) verschärft. Demnach sollen bevorzugt Patienten mit eingeschränktem Immunsystem, Menschen ab 70 Jahren und Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen immunisiert werden. Außerdem Säuglinge und Kinder bis zwei Jahre. "Wir sollten uns im Moment dringend an die Vorgaben halten und nur die beschriebenen Gruppen impfen", sagt Barczok. Für seine Praxis hat er keinen Impfstoff mehr anschaffen können.
Deshalb: Wer zu den genannten Gruppen gehört, sollte vorher telefonisch mit der Praxis einen Impftermin ausmachen und klären,...
...ob überhaupt Impfstoff vorhanden ist
...ob eine Impfung sinnvoll ist
...und ob es möglich ist, ohne Kontakt mit anderen, möglicherweise kranken Personen, wie zum Beispiel im Wartezimmer, die Praxis aufzusuchen
Selbst wenn der Arzt oder die Ärztin noch Impfstoff bereitstellen kann – was im Moment aufgrund von Lieferengpässen schwierig ist –, sorgt dieser nicht für einen sofortigen Schutz. "Die Impfung gegen Pneumokokken greift erst nach circa drei Wochen", weiß Lungenfacharzt Barczok. Zudem "scheint die Rate an sekundären Pneumokokken-Infektionen bei Covid-19-Erkrankungen deutlich geringer als bei Influenza zu sein", so Welte. Seiner Einschätzung nach kommt der Pneumokokken-Impfung in der jetzigen Situation somit keine besondere Dringlichkeit zu.
Auch hier besteht die Immunität nicht unmittelbar nach der Impfung. "Bis der Körper einen ausreichenden Schutz vor der Virusinfektion aufgebaut hat, dauert es etwa zehn bis zwölf Tage", sagt Pneumologe Barczok. Zurzeit gibt es deutschlandweit noch einige Orte, an denen die Grippe aktiv ist. Nach Aussagen des RKI beginnt die Erkrankungswelle jedoch meist um die Jahreswende und dauert bis Ende März an. "Daher ist die Grippeimpfung eher im Herbst wieder sinnvoll", so Barczok.