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Ob gegen Rückenschmerzen, Erkrankungen der Schulter oder Arthrose: Physiotherapie ist eine zentrale Säule im deutschen Gesundheitssystem. Rund 8,5 Milliarden Euro zahlt die gesetzliche Krankenversicherung jährlich für physiotherapeutische Leistungen. Etwa 32 Millionen Verordnungen stellen Ärzte und Ärztinnen pro Jahr aus. Bislang legen sie dabei Art und Dauer der Therapie auf dem Rezept fest. Ab November 2024 sollen Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten über sogenannte Blankoverordnungen die Therapie eigenständiger und individueller für Patientinnen und Patienten gestalten. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist eine Blankoverordnung?

Bisher stellt ein Arzt oder eine Ärztin die Diagnose und verordnet eine bestimmte Behandlung. Die ärztliche Verordnung legt bislang die Art der Therapie fest – wie beispielsweise Krankengymnastik – und die Anzahl der Sitzungen. Ab dem 1. November 2024 können Ärztinnen und Ärzte unter bestimmten Voraussetzungen eine sogenannte Blankoverordnung für Physiotherapie ausstellen. Dabei handelt es sich um eine besondere Form der ärztlichen Verordnung, bei der bestimmte Therapieentscheidungen an die Physiotherapeuten und Physiotherapeutinnen abgegeben werden.

Für welche Behandlungen bei Physiotherapeuten gilt die Blankoverordnung?

Blankoverordnungen für Physiotherapie können Ärztinnen und Ärzte zunächst für mehr als 100 Diagnosen rund um die Schulter ausstellen. Dazu gehören etwa Erkrankungen wie Frakturen der gelenkbildenden Knochen oder Arthrose in der Schulterregion. Die Physiotherapie ist damit der zweite Bereich, in dem die Blankoverordnung eingeführt wird. Seit April gibt es sie bereits bei bestimmten Diagnosen in der Ergotherapie.

Was ändert sich durch die Blankoverordnung an der Physiotherapie?

Zu Beginn führen Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten erst einmal eine eigene Diagnostik durch. „Gemeinsam mit den Patienten legen sie anschließend die Therapieziele fest und planen die Behandlung", sagt Ute Repschläger, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands selbstständiger Physiotherapeuten. Sie entscheiden, welche Art von Therapie zur Anwendung kommen soll, die Anzahl der Behandlungseinheiten sowie die Häufigkeit der Therapie. „Anders als bei einer konventionellen ärztlichen Verordnung weiß der Patient vorher also nicht genau, wie viele Behandlungseinheiten ihn erwarten“, so Repschläger. Dies werde erst im Therapieplan mit dem Physiotherapeuten festgelegt.

Welche Vorteile bringt die Blankoverordnung für die Physiotherapie?

Wird das Therapieziel schneller oder langsamer erreicht, können Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten den Therapieplan in der laufenden Behandlungsserie individuell anpassen. „Diese Flexibilität kommt dem Patienten zugute“, sagt Ute Repschläger. Überhaupt werde die Therapie durch die Möglichkeiten der Blankoverordnung individueller auf die Patientinnen und Patienten zugeschnitten. So können die Therapeutinnen und Therapeuten unterschiedliche Behandlungsarten einsetzen und sie im Therapieverlauf auch wechseln.

Ähnlich äußert sich Andrea Rädlein, Vorsitzende von Physio Deutschland – Deutscher Verband für Physiotherapie. Patientinnen und Patienten müssten nicht extra in die Arztpraxis, um sich etwa ein Folgerezept ausstellen zu lassen, wenn die Therapie nach den ursprünglich verordneten Sitzungen noch nicht erfolgreich gewesen ist. „Unnötige Wartezeiten und ungewollte Therapiepausen aufgrund verspäteter Folgeverordnungen sollten damit der Vergangenheit angehören“, so Rädlein.

Wie viel müssen Patienten bei einer Blankoverordnung zuzahlen?

An den Regeln für Zuzahlungen ändert sich durch die Blankoverordnung grundsätzlich nichts. Patientinnen und Patienten müssen bei physiotherapeutischen Anwendungen zehn Prozent der Kosten selbst zahlen sowie zehn Euro pro Rezept. Allerdings: Mit der Blankoverordnung werden die tatsächlichen Therapiekosten nicht immer direkt feststehen, da etwa die Dauer der Behandlung zunächst offen sein kann. „Eine exakte Vorhersage der Zuzahlungsgebühren zu Beginn der Behandlung ist nicht möglich“, sagt Andrea Rädlein. Der genaue Wert lasse sich erst am Ende der Verordnung bestimmen. „Bei Vorauszahlungen zu Beginn der Behandlung haben Patientinnen und Patienten selbstverständlich einen Erstattungsanspruch bei zu viel gezahlter Zuzahlung.“


Quellen:

  • GKV-Spitzenverband : Blankoverordnung ab November auch in der Physiotherapie . https://www.gkv-spitzenverband.de/... (Abgerufen am 19.09.2024)
  • GKV-Spitzenverband : Vertrag nach § 125a SGB V über die Heilmittelversorgung mit erweiterter Versorgungsverantwortung der Physiotherapie und deren Vergütung i.d.F. vom 01.11.2024. https://www.gkv-spitzenverband.de/... (Abgerufen am 19.09.2024)