Eine „Pille danach“ im Interview: „Ich bin keine Abtreibungspille“
Was ist ein Arzt ohne sein Stethoskop? Eine Chirurgin ohne ihr Skalpell? Oder gar eine Apothekerin ohne Medikamente? Sie können nicht ohne einander. In der Gesundheitsberichterstattung werden die einzelnen Instrumente, Geräte und Arzneimittel dennoch oft zu wenig berücksichtigt. Anders in der Kolumne von Sonja Gibis. Hier kommen die Gegenstände selbst zu Wort und berichten humorvoll aus ihrer Geschichte und ihrem Alltag. In dieser Folge: die „Pille danach“.
Ich begrüße heute einen Gast, dem viele Frauen dankbar sein dürften. Auch wenn er immer wieder für Diskussionen sorgt. Herzlich willkommen, „Pille danach“!
Mir geht es da nicht viel besser als meiner werten Kollegin, der Antibabypille. Bei ihrer Einführung fürchteten auch manche, der Untergang des Abendlandes könnte bevorstehen. Und vor knapp zehn Jahren rannte man sich mal wieder meinetwegen die Köpfe ein. Immer dasselbe.
Ist das schon wieder so lange her? Wenn ich mich recht erinnere, ging es darum, ob man Sie ohne Rezept bekommen soll.
Ganz recht! Auch viele Fachleute waren dagegen. Dabei müssten gerade sie wissen, was das Allerwichtigste ist, wenn eine Verhütungspanne passiert ist: Tempo! Denn je länger man wartet, desto schlechter wirke ich.
Aber ist ärztliche Beratung dabei nicht auch wichtig?
Ich denke, das können die Apotheken genauso gut übernehmen. Und finden Sie mal eine Frauenarzt-Praxis, die begeistert ist, wenn Sie sofort einen Termin brauchen. Vor allem, wenn es öfter passiert.
Das war, wie ich mich erinnere, eine Befürchtung – dass Frauen bei der Verhütung nachlässig werden. Man soll Sie ja nur im Notfall einnehmen.
Das stimmt natürlich. Aber Frau muss auch nicht gleich um ihre Gesundheit fürchten, wenn mal kurz nacheinander Pannen passieren. Zugegeben: Seit es mich ohne Rezept gibt, setzen deutlich mehr Frauen auf mich. Ich denke aber vor allem, weil sie sich eher trauen. Und ist es nicht viel besser, als ungewollt schwanger zu werden – und dann vielleicht eine Abtreibungspille zu brauchen?
Aber verzeihen Sie: Ist es nicht jedes Mal eine Mini-Abtreibung, wenn man Sie nimmt?
Vorurteile, alles Vorurteile! Ich beende keine Schwangerschaft, sondern verhindere, dass eine entsteht. Und das auf demselben Weg wie meine geschätzte Kollegin, die Antibabypille.
Aber die Antibabypille verhindert doch den Eisprung. Und Sie, so dachte ich, verhindern, dass sich ein befruchtetes Ei einnisten kann.
Falsch! Mein Hauptjob ist es, zu verhindern, dass sich eine Eizelle auf den Weg in die Gebärmutter macht. Je nach Präparat ist das sogar noch wenige Stunden vor dem Eisprung möglich.
Kommen Sie da nicht oft zu spät?
In vielen Fällen nicht – wenn Sie mich eben möglichst rasch nehmen.
Jetzt bin ich verwirrt. Man hört doch immer, dass sich die Spermien einen Wettlauf zum Ei liefern.
Die Entstehung des Lebens – offenbar immer noch mysteriös. Wenn der Eisprung bereits stattgefunden hat, ist es für die Pille danach zu spät. Da haben Sie recht. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Baby entsteht, ist ein, zwei Tage vor dem Eisprung aber höher.
Wie das?
Weil Spermazellen harte Burschen sind. Einerseits sind sie Hochleistungssportler. Nur 15 bis 45 Minuten dauert es – und wenigstens einige Hundert haben sich den Weg bis in die Eileiter hochgeschwänzelt. Dann heißt es meist: warten. Bis ein Eisprung stattfindet. Bis zu fünf Tage können Spermazellen so überleben.
Danke! Man lernt doch nie aus.
Gern geschehen! Dennoch sollten Sie natürlich nicht erst nach dem Sex verhüten. Denn etwas übel kann Ihnen schon werden, wenn Sie auf mich setzen.