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Dr. med. Patricia Klein ist Ärztliche Geschäftsführerin der Sächsischen Landesärztekammer. Sie berichtet:

„Meine Mutter ist 90, lebt allein bei Bonn und versorgt sich noch selbst. Außer einem Blutdrucksenker und einem Gerinnungshemmer nimmt sie keine weiteren Medikamente. Beides sortiert sie selbst in ihre Tablettenbox ein, die Dosis für den Blutdrucksenker mit dem Wirkstoff Candesartan ist seit Jahren stabil.

Neulich war ihr schwindlig. Nicht ungewöhnlich in dem Alter, dachte ich bei unserem abendlichen Telefonat. Ein paar Tage später dann die Nachricht: Sie sei im Vorgarten gestürzt, habe im Gebüsch auf dem Rücken gelegen, ihre Hilferufe seien nicht gehört worden. Mühsam rappelte sie sich wieder auf.

Wie viele alte Leute umschwirrt sie eine Schar von Schutzengeln: Außer blauen Flecken ist nichts passiert. Ihr Blutdruck lag abends nur bei 100. Da war mir klar, da stimmt was nicht. „Ob das an dem neuen Medikament liegt?“, fragte sie. Ich wurde stutzig, denn davon wusste ich nichts. Per WhatsApp schickte sie mir ein Foto der Verpackung: Candesartan, aber eine andere Verpackung und ein anderer Präparatname.

Doppelte Dosis bei nicht mal 50 Kilo

Was war passiert? Meine Mutter hatte in ihrer Arztpraxis Nachschub bestellt, das Rezept ging in die Apotheke, von dort das Präparat zu meiner Mutter – ohne Hinweis auf den Wechsel zu einem Medikament mit anderem Namen. Weil ihr Vorrat nicht aufgebraucht war, sortierte sie sich die Dosis vom alten und vom neuen in ihre Box in der Annahme, dass sie ein zusätzliches Medikament verschrieben bekommen hatte.

Die doppelte Dosis bei einer Frau mit nicht mal mehr 50 Kilo! Ihr Blutdruck fiel in den Keller, die Lichter im Kopf gingen aus, sie stürzte. Ein klassischer Medikationsfehler. Meine Mutter konnte nichts dafür, der Hausarzt auch nicht. Das Bewusstsein der Apotheke für die Situation fehlte, es hätte einen Hinweis zum Packungswechsel gebraucht.

Ich habe mir vorgenommen, das Thema aufzugreifen, zum Beispiel bei unseren gemeinsamen Schulungen von Ärztekammer und Apothekerkammer. Auch wünsche ich mir mehr Forschung zum Thema. Denn klar ist: Meine Mutter ist kein Einzelfall.“