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Was sind Wocheninsuline?

Insulin ist ein Hormon der Bauchspeicheldrüse, das Zucker aus dem Blut in die Zellen schleust. Alle Menschen mit Typ-1-Diabetes, aber auch viele Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes, bei denen Tabletten alleine nicht genügen, benötigen Insulin.

Dabei kommen heute vor allem sogenannte Analoginsuline zum Einsatz. Das sind künstlich hergestellte Insuline, die etwas anders aufgebaut sind als menschliches Insulin. Durch die Veränderungen an dem Insulin, lässt sich beeinflussen, wie schnell und wie lange das Insulin wirkt. Das macht die Steuerung der Therapie einfacher.

So gibt es etwa kurzwirksame Insuline, die schnell anfangen zu wirken, deren Wirkung aber nicht so lange anhält. Sie werden zu den Mahlzeiten gespritzt, oder um hohe Blutzuckerwerte zu korrigieren. Langwirksame Insuline hingegen fangen erst langsam an zu wirken, ihre Wirkung hält aber länger an. Sie werden ein bis zweimal am Tag gespritzt und decken den Grundbedarf des Körpers mit Insulin, auch über Nacht (Basalinsulin).

Wocheninsuline sind ultralang wirkende Analoginsuline, die nur einmal pro Woche gespritzt werden müssen. Im Mai diesen Jahres wurde das erste Insulin dieser Art, das Wocheninsulin Icodec, zur Behandlung von Erwachsenen mit Diabetes europaweit zugelassen. Seit Anfang September ist es in Deutschland erhältlich. Ein zweites Wocheninsulin, genannt Efsitora Alfa, könnte nächstes Jahr auf den Markt kommen.

Warum wirken Wocheninsuline so lange?

Durch biochemische Tricks wurde das Insulin so verändert, dass es nur sehr langsam vom Körper abgebaut wird. Icodec bindet zudem im Blut stark an das Eiweiß Albumin. So bildet es im Blutkreislauf ein Depot, aus dem die Insulinmoleküle nach und nach freigesetzt werden. Beim Wocheninsulin Efsitora Alfa wird die verlängerte Wirkung auch dadurch erzielt, dass es wegen seiner Größe nur langsam aus dem Unterhautfettgewebe, in das es gespritzt wird, ins Blut gelangt.

Wie unterscheidet sich die Therapie von Typ-1- und Typ-2-Diabetes?

Die Bauchspeicheldrüse von Menschen mit Typ-1-Diabetes produziert kein oder nur sehr wenig Insulin. Die Körperzellen können also keinen Zucker aufnehmen und es bleibt zu viel davon im Blut. Daher brauchen Typ-1-Patientinnen und Patienten von Anfang an eine sogenannte intensivierte Insulintherapie (ICT).

Diese ICT basiert auf der Gabe zweier Insulinarten: Erstens ein lang wirkendes Insulin, das ein oder zweimal täglich gespritzt wird, um den Grundbedarf des Körpers an Insulin zu decken (Basalinsulin). Und zweitens ein kurz wirkendes Insulin zu den Mahlzeiten, um den Blutzuckeranstieg nach dem Essen zu kontrollieren, und um zu hohe Werte zu korrigieren. Dessen Dosis passen Betroffene selbst an den Bedarf an – abhängig unter anderem vom aktuellen Blutzuckerwert und vom Kohlenhydratgehalt der Mahlzeit. Auch die Basalinsulindosis muss öfter kurzfristig angepasst werden, etwa wenn man sich an einem Tag mehr bewegen möchte. Viele Menschen mit Typ-1-Diabetes nutzen außerdem eine Insulinpumpe, die nur kurzwirksames Insulin enthält.

Menschen mit Typ-2-Diabetes haben in der Regel eine Insulinresistenz und zunächst keinen Insulinmangel. Das heißt, ihre Bauchspeicheldrüse produziert meist noch genügend Insulin, die Körperzellen reagieren aber nicht so gut darauf. Dieser Diabetes wird meist zuerst mit Lebensstilmaßnahmen wie Ernährungsumstellung und mehr Bewegung behandelt. Reicht das nicht, stehen viele blutzuckersenkende Medikamente zur Verfügung – von Metformin-Tabletten bis zu GLP-1-Analoga wie Semaglutid, das einmal wöchentlich gespritzt wird. Insulin kommt in den meisten Fällen erst zum Einsatz, wenn sich der Blutzucker mit anderen Therapiemaßnahmen nicht ausreichend senken lässt. Als Einstieg in die Insulintherapie genügt es oft, ergänzend zu anderen Medikamenten, einmal täglich ein lang wirkendes Insulin zu spritzen.

Für wen eignen sich die Wocheninsuline?

„Nach bisheriger Studienlage profitieren davon vor allem Menschen mit Typ-2-Diabetes. Bei ihnen senken die Wocheninsuline den Blutzucker in der Regel mindestens ebenso gut wie gängige Einmal-täglich-Basalinsuline. In den meisten Studien war die Zuckersenkung sogar noch besser“, sagt Dr. Andreas Liebl, Chefarzt am Zentrum für Diabetes- und Stoffwechselerkrankungen der m&i-Fachklinik Bad Heilbrunn. Gleichzeitig nehme das Unterzuckerungsrisiko, wenn überhaupt, nur minimal zu und sei insgesamt so niedrig, dass die Wocheninsuline als sehr sicher eingestuft werden. Schwere Unterzuckerungen kämen sehr selten vor.

Die Aussagen beruhen bei Icodec auf sechs weltweiten Studien mit insgesamt mehr als 4000 Erwachsenen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes. Auch zu Efistora Alfa wurden bereits Daten aus Studien mit insgesamt mehr als 1500 Teilnehmern veröffentlicht. Bei all diesen Studien handelt es sich allerdings um Studien der Insulin-Hersteller. Wie hoch Risiko und Nutzen der neuen Insuline im Alltag sind, müssen klinische Erfahrungen zeigen.

Wie waren die Ergebnisse mit Wocheninsulin bei Menschen mit Typ-1-Diabetes?

„Bisher eher enttäuschend“, sagt Liebl. Typ-1-Patienten erreichten mit täglich gespritztem lang wirkendem Analoginsulin bessere Blutzucker-Langzeitwerte als mit dem Wocheninsulin Icodec. Bei Typ 1 führten die Wocheninsuline — verglichen mit täglich gegebenem lang wirkenden Analoginsulin — auch häufiger zu Unterzuckerungen.

Das hänge wahrscheinlich unter anderem damit zusammen, dass die Insulinspiegel über die Woche doch nicht ganz gleichmäßig sind, so Liebl. Dies falle bei Menschen mit Typ-1-Diabetes stärker ins Gewicht, da sie kein oder kaum noch Insulin produzieren. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes merkt man das nicht so sehr. Denn sie haben noch eigenes Insulin. Dieses arbeitet mit und gleicht Unkorrektheiten und Fehler in der Therapie aus. Je nach persönlicher Situation können aber auch Menschen mit Typ-1-Diabetes von einem Wocheninsulin profitieren. Icodec sollte bei Typ 1 aber nur gegeben werden, wenn der Nutzen klar überwiegt.

Welche Vorteile bieten Wocheninsuline im Vergleich zu täglichen Insulininjektionen?

„Viele schreckt der Gedanke an tägliche Injektionen ab und sie schieben den Beginn der Insulintherapie immer weiter hinaus, teilweise über Jahre. Die Blutzuckerwerte bleiben zu hoch, wodurch das Risiko für Komplikationen steigt“, sagt Liebl. Wer das Insulin dann doch nimmt, spritzt es nicht immer regelmäßig und die Zuckerwerte sind nicht optimal.

Hier kommen die Wocheninsuline ins Spiel. „Weil damit nur eine Injektion pro Woche nötig ist, sind sicher viele eher bereit, mit einer Insulintherapie zu beginnen und diese dann auch konsequent durchzuführen“, sagt Liebl. Dadurch bessern sich Blutzuckerwerte und Lebensqualität.

Welche Nebenwirkungen sind bei Wocheninsulin möglich?

„Die üblichen Nebenwirkungen von Insulin“, sagt Liebl. Dazu gehört neben Unterzuckerungen auch eine Gewichtszunahme. Rötungen und Juckreiz an der Einstichstelle können manchmal auftreten. Möglich sind beim Wocheninsulin, wie bei allen Insulinen, auch Verhärtungen und Verdickungen an den Einstichstellen. Diese entstehen durch einen zu seltenen Wechsel der Einstichstellen und weil die Kanülen oft nicht regelmäßig gewechselt werden. Sie könnten bei Wocheninsulinen wegen der geringeren Injektionshäufigkeit seltener auftreten.

Wie wird ein Wocheninsulin angewendet?

Icodec ist in einem Fertigpen erhältlich. Dieser erspart den Wechsel der Insulinpatrone, was die Handhabung vereinfacht. Weil Fertigpens nach Gebrauch entsorgt werden, wird aber viel Müll erzeugt. Wocheninsuline sind höher konzentriert als andere lang wirkende Insuline. Das bedeutet, dass man sich vergleichbar viel spritzt wie bei einer täglichen Injektion. Das Spritzen ist also nicht unangenehmer.

Für wen kommt ein Wocheninsulin eher nicht in Frage?

Wocheninsulin eignet sich vor allem weniger für Patienten und Patientinnen, die täglich flexible Dosen brauchen, etwa weil sie viel reisen. Oder an manchen Tagen intensiver Sport treiben, etwa ausgedehnte Rad- oder Bergtouren machen. An diesen Tagen spritzen sie normalerweise weniger Basalinsulin. Mit Wocheninsulinen lässt sich die Dosis nicht kurzfristig anpassen.

Für Schwangere mit Diabetes kommt ein Wocheninsulin derzeit grundsätzlich nicht in Frage, weil noch keine Daten dazu vorliegen. Das gilt auch für Kinder und Jugendliche. Und ebenso für Menschen mit neu diagnostiziertem Typ-1-Diabetes.

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Gibt es auch Kritik an den Wocheninsulinen?

Es gibt auch Kritik an den Wocheninsulinen, zum Beispiel von Prof. Dr. Stephan Martin, Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums in Düsseldorf: „Sofern wir uns alle an die geltenden Expertenempfehlungen halten, ist die Zielgruppe für dieses neues Medikament – und für Insulin allgemein – sehr klein.“ Die meisten Menschen mit Typ-2-Diabetes könnten mit anderen modernen Blutzuckersenkern gut eingestellt werden. Manche davon wirken auch positiv auf Herz, Blutdruck und Nieren. Für Insulin bei Typ-2-Diabetes sei lediglich belegt, dass der Blutzucker gesenkt wird.

Auch deshalb, und da sind sich die Experten einig, ist es oft sinnvoll, ein Analoginsulin mit anderen modernen Zuckersenkern zu kombinieren. Diese helfen zudem dabei, Insulin zu sparen und einer Gewichtszunahme vorzubeugen.

Und: Die erste Maßnahme bei einem Typ-2-Diabetes ist es, seinen Lebensstil zu ändern. Viele Menschen mit Typ-2-Diabetes könnten ihre Werte schon dadurch deutlich bessern, wenn sie ihre Ernährung ändern und sich regelmäßig bewegen.

Wer allerdings Insulin braucht, dem sollte der Einstieg so leicht wie möglich gemacht werden. Und das könnte beim Typ-2-Diabetes mit einem Wocheninsulin besser gelingen. Auch an einem Kombipräparat aus Icodec und Semaglutid wird bereits geforscht, was die Therapie des Typ-2-Diabetes weiter erleichtern soll.


Quellen:

  • Rosenstock J, Bain SC, Gowda A et al.: Weekly Icodec versus Daily Glargine U100 in Type 2 Diabetes without Previous Insulin. In: NEJM: 24.06.2023, https://doi.org/...
  • Wysham C, Bajaj HS, Del Prato S et al.: Insulin Efsitora versus Degludec in Type 2 Diabetes without Previous Insulin Treatment. In: NEJM: 10.09.2024, https://doi.org/...
  • Bergenstal RM, Ruth S Weinstock RS, Mathieu C et al.: Once-weekly insulin efsitora alfa versus once-daily insulin degludec in adults with type 1 diabetes (QWINT-5): a phase 3 randomised non-inferiority trial. In: The Lancet: 10.09.2024, https://doi.org/...
  • Deutsche Diabetes Gesellschaft: S3-Leitlinie Therapie des Typ-1-Diabetes. Leitlinie: 2023. (Abgerufen am 23.09.2024)

  • NVL-Programm von BÄK, KBV, AWMF: S3-Leitlinie Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes. Leitlinie: 2023. (Abgerufen am 23.09.2024)