Senioren Ratgeber

Betroffen von einer Stuhlinkontinenz sind vor allem ältere Menschen, aber auch Jüngere können bereits erste Beschwerden haben. Oft geht die Erkrankung mit einer Harninkontinenz einher. Der Leidensdruck ist sehr hoch. Viele Menschen mit Stuhlinkontinenz schämen sich für ihr Leiden, ziehen sich zurück.

"Wer eine Darmschwäche oder Stuhlinkontinenz bekommt, muss sein bisheriges Leben nicht aufgeben. Es ist möglich, die Beschwerden durch Verhaltensänderung, medikamentös oder operativ gezielt zu behandeln, sodass Betroffene in der Lage sind, zu reisen und sogar Sport zu machen. Ich habe Patienten, die sogar professionell Tennis spielen", sagt Professor Werner Kneist. Der Koloproktologe und Chirurg ist geschäftsführender Oberarzt an der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie der Universitätsmedizin in Mainz.

Frühe Behandlung bei Stuhlinkontinenz wichtig

Es lohnt sich, das Problem nicht zu verdrängen, sondern früh einen Fachmann aufzusuchen. "Je früher man etwas dagegen unternimmt, desto besser", rät Kneist. Am besten bereits bei den ersten langanhaltenden Symptomen wie ungewollt freigesetzten Winden zum Arzt gehen. Das kann ein Hausarzt sein, ein Gynäkologe, Urologe oder ein niedergelassener Enddarmspezialist, auch Proktologe genannt.

Bevor die Diagnose "Darmschwäche" als Ursache für eine Stuhlinkontinenz gestellt wird, sollte zunächst sichergestellt sein, dass sich keine andere Erkrankung hinter den Symptomen verbirgt. "Insbesondere bei Neuauftreten von Verstopfung und Durchfall und entsprechend anhaltenden Beschwerden ist es ganz wichtig, eine etwaige Darmkrebserkrankung auszuschließen", sagt Kneist.

Ursachen einer Stuhlinkontinenz

Die Liste möglicher Ursachen ist lang: Schließmuskel und Beckenboden können aufgrund einer altersbedingten Abnahme der Muskelmasse geschwächt sein oder infolge von Geburten, starkem Übergewicht, Darmträgheit und Verstopfung. Außerdem können ausgeprägte Hämorriden, diverse Darmerkrankungen, Voroperationen an den Beckenorganen sowie manche Medikamente eine Stuhlinkontinenz fördern.

Auch Verletzungen und neurologische Erkrankungen (Multiple Sklerose, Querschnittslähmung, Schlaganfall, Bandscheibenvorfall, Überdehnungen bei der vaginalen Entbindung) können das Steuerungssystem der analen Kontinenz schädigen.

Ernährungsumstellung kann Inkontinenz bessern

Liegt eine Stuhlinkontinenz vor, gilt es zum einen, etwaige Grunderkrankungen wie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen zu behandeln. Zudem sollte der Arzt zunächst alle konservativen Behandlungsoptionen ausschöpfen. Dazu gehört bei chronischer Verstopfung oder Durchfall die Stuhlgangsregulierung, das heißt – abhängig vom Problem – eine Eindickung oder Verdünnung des Stuhlgangs.

Dies kann durch geeignete Ernährungsmaßnahmen erreicht werden. Mehr Ballaststoffe zu essen, blähende Speisen und Kaffee wegzulassen sowie große Mengen bei Verstopfung zu trinken können helfen. "Ein Termin beim Ernährungsberater ist ratsam", sagt Kneist. Außerdem ist es sinnvoll, ein Stuhltagebuch zu führen, das bei der Deutschen Kontinenzgesellschaft erhältlich ist. Der Patient kann damit gut nachvollziehen, wie sich eine Ernährungsveränderung auf die Beschwerden auswirkt.

Beckenbodentraining und Biofeedback

Zu den konservativen Therapien gehören weiterhin das Beckenbodentraining, das sowohl für Männer wie auch für Frauen geeignet ist, sowie das Biofeedbackverfahren. Beide Methoden müssen regelmäßig und richtig durchgeführt werden, damit sie effektiv wirken.

In schweren Fällen hilft auch die anale Irrigation (rektale Darmirrigation). Bei dieser spült der Patient den Enddarm mit einer Flüssigkeit aus. "Diese Hilfsmaßnahme wird oft unterschätzt. Dabei ermöglicht sie frühere Freiheiten, denn man bekommt dadurch viele ruhige Stunden", sagt Kneist. Das Verfahren erlaubt es, Sport zu treiben und auf Reisen zu gehen. Wer Probleme hat, eine anale Irrigation durchzuführen, kann sich von einem Stomatherapeuten das richtige Vorgehen zeigen lassen.

Medikamente gegen Stuhlinkontinenz

Manche Medikamente wie Abführmittel, Antidepressiva und Parkinson-Medikamente können eine Stuhlinkontinenz fördern. Daher ist es ratsam, die Packungsbeilage genau zu lesen oder den Arzt oder Apotheker nach möglichen Zusammenhängen zu fragen. Der Arzt kann gegebenenfalls eine Stuhlinkontinenz-unproblematische Alternative verschreiben.

Der allgemein gut verträgliche Wirkstoff Loperamid kann dagegen bei Stuhlinkontinenz helfen. "Bei hoher Stuhlfrequenz kann Loperamid den Stuhl verdicken. Zugleich wirkt es auf den Schließmuskel ein und verstärkt nervale Effekte", erklärt der Mainzer Chirurg Kneist. Die medikamentöse Therapie sollte immer ärztlich verordnet sein und die Wirkung im Verlauf kontrolliert werden.

Operationen gegen Stuhlinkontinenz

Wenn die konservative Therapie nicht zum Erfolg führt, gibt es mehrere chirurgische Möglichkeiten: So kann der Arzt den trichterförmigen muskulären Beckenboden verengen und verstärken, Defekte direkt am Schließmuskel reparieren oder sogar Substanzen in den Schließmuskel injizieren, um dort Polster zu schaffen. Sogar ein Schließmuskelersatz ist möglich. Allerdings lassen sich diese operativ vorgenommenen Veränderungen nicht rückgängig machen.

Eine weitere Option, der Darmschrittmacher (Sakrale Nervenstimulation, SNS), ist dagegen weniger invasiv und jederzeit rückgängig zu machen. Der Schrittmacher stimuliert die intakten Endstrecken der Nerven, die zum Schließmuskel ziehen. "Es liegen bei geeigneten Patienten sehr gute Erfahrungen mit der Sakralen Nervenstimulation vor. Etwa 50 bis 70 Prozent der damit behandelten Patienten haben viel weniger Symptome. Der innere und der äußere Schließmuskel sowie der Dickdarm werden durch den Darmschrittmacher über das Nervensystem stimuliert", beschreibt Kneist. Allerdings sollte der Arzt die Neurostimulation bei einem Patienten zunächst ausprobieren und nur, wenn sie den gewünschten Erfolg bringt, einen Schrittmacher implantieren.

Kein Patient muss sich bei einer Stuhlinkontinenz mit dem Ist-Zustand abfinden. Neben den ärztlichen Behandlungsmethoden kann auch der Austausch mit anderen Betroffenen im Rahmen von Selbsthilfegruppen sehr hilfreich sein – und Betroffenen Mut machen, sich von ihrer Krankheit im Leben nicht zu stark einschränken zu lassen.

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