Nerven und Muskeln: Feinst abgestimmtes Zusammenspiel

Alle wesentlichen Vorgänge in unserem Körper laufen über die Aktivitäten von über 100 Milliarden Nervenzellen (fachsprachlich Neuronen). Unser Nervensystem teilt sich in zwei Bereiche: Gehirn und Rückenmark umfassen das Zentralnervensystem. Durch den übrigen Körper verzweigt sich das periphere Nervensystem. Es ist mit dem Zentralnervensystem verbunden und vermittelt den gesamten wechselseitigen Informationsfluss von dort zu allen Körperbereichen und umgekehrt. Dazu kommt das vegetative, unwillkürliche (autonome) Nervensystem, das die Funktionen innerer Organe steuert, etwa Herztätigkeit oder Verdauungsarbeit.

Funktionsstörungen können an unterschiedlichen Stellen in den Nervensystemen auftreten und sich entsprechend auf die Muskelaktivitäten auswirken. Sie entstehen durch Schäden an den feinsten Nervenverzweigungen in Gliedmaßen und Organen oder an den Rückenmarksnerven im Wirbelsäulenkanal. Mediziner sprechen bei Erkrankungen der Nerven von Neuropathien. Polyneuropathie bedeutet, dass mehrere periphere Nerven erkrankt sind. Erkrankungen des Zentralnervensystems betreffen das Gehirn und/oder Teile des Rückenmarks.

Krankheiten wie die amyotrophe Lateralsklerose schädigen  bestimmte Bewegungsnerven im Gehirn und Rückenmark. Schäden an diesen sogenannten  Motoneuronen führen auf Dauer zu Muskelschwäche und Muskellähmungen, wobei anfangs oft Muskelkrämpfe auftreten.

Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Oft auch nächtliche Wadenkrämpfe

Sogenannte Motoneuronerkrankungen wie die amyotrophe Lateralsklerose schädigen bestimmte Bewegungsnerven im Gehirn und Rückenmark. Im Rückenmark geht es vor allem um die Vorderhorn(ganglien)zellen, die mit ihren peripheren Ausläufern jeweils für die Aktivitäten der ihnen zugeordneten Muskelfasergruppen zuständig sind. Auf ihre Reize hin ziehen sich die Muskeln zusammen oder entspannen sich. Schäden an diesen sogenannten Motoneuronen führen häufig zu Muskelversteifungen (Spastik), im weiteren Verlauf zu fortschreitendem Muskelschwund (Muskelatrophie). Das hat zunächst übersteigerte, sodann abgeschwächte Muskelreaktionen zur Folge. Zahlreiche Muskelpartien, mit Ausnahme der Augen, können schließlich gelähmt sein. Die Ursache ist bei den meisten Betroffenen, häufig Männer im Alter zwischen 40 und 65 Jahren, unbekannt. Es gibt einige familiär bedingte Formen, die schon in der Kindheit auftreten können und teilweise gutartig verlaufen.

Symptome: Als Erstsymptome fallen häufig nächtliche, schmerzhafte Wadenkrämpfe, Muskelzuckungen sowie wiederholt Krämpfe in Muskeln auf, die aktiv betätigt werden. Aufmerksam werden die Betroffenen oft erst, wenn sich eine zunehmende Muskelschwäche einstellt. Sie ist zunächst manchmal nur einseitig und auf bestimmte Gliedmaßen beschränkt, zum Beispiel auf die Hände. Später erfasst sie immer mehr Bereiche.

Zu weiteren Symptomen, die im Laufe der Erkrankung auftreten, gehören eine undeutliche Sprache, Zuckungen und Lähmungen der Zunge, Schluckstörungen, Probleme, die Gesichtsmuskulatur zu beherrschen, Atemnot.

Diagnose und Therapie: Die Symptome und weitere Untersuchungen geben Aufschluss, zum Beispiel Bluttests, Elektromyografie und Elektroneurografie sowie gegebenenfalls eine Magnetresonanztomografie (siehe Kapitel "Diagnose"). Auch feingewebliche Untersuchungen von Muskelgewebe oder eine Lumbalpunktion können mitunter angezeigt sein.

Es ist bis jetzt nicht möglich, die Krankheit zu heilen. Die Behandlung sollte in einer Spezialklinik erfolgen, in die sich der Erkrankte immer wieder begibt. Eine wichtige Rolle spielen erleichternde Maßnahmen wie Krankengymnastik, Ergotherapie und Atemhilfen (verschiedene Formen der Beatmung). Häufig setzen Neurologen Riluzol ein, ein Medikament, das eine nervenschützende Wirkung hat und den Krankheitsverlauf hinauszögern soll. In seltenen Fällen sind Spontanheilungen möglich.

Ausführlich informiert der Ratgeber "Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)":

Patientengespräch

Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)

Bei der Amyotrophen Lateralsklerose gehen Nervenzellen zugrunde, welche die Muskeln steuern. Folgen sind Muskelschwäche und Lähmungen

Polyneuropathien als Ursache für Wadenkrämpfe

Unterschiedliche Faktoren können den Stoffwechsel innerhalb peripherer Nervenzellen und ihrer Fortsätze (Axone) stören. Die Nerven büßen dann ihre Funktionsfähigkeit ein und gehen zugrunde. Die Schädigung hat Folgen für die Funktion der Muskelfasern: Motorische Abläufe finden nicht mehr geordnet oder schließlich gar nicht mehr statt.

Zu Polyneuropathien kann es bei Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes oder durch Alkoholschäden kommen. Weitere mögliche Ursachen stellen Mangelernährung, etwa ein Mangel an B-Vitaminen und Eiweißstoffen, und Vergiftungen dar. Auch entzündliche Erkrankungen, eine Borreliose (fortgeschrittenes Stadium) oder Autoimmunreaktionen wie Bindegewebserkrankungen (Kollagenosen) führen manchmal zu Nervenschäden. Diese können auch unter der Therapie bestimmter Medikamente auftreten. Es gibt zudem erblich bedingte Schädigungen.

Häufig äußern sich Polyneuropathien zunächst in den äußersten Gliedmaßen, vor allem in den Füßen und Beinen. Wadenkrämpfe fallen neben den jeweils kennzeichnenden Symptomen am ehesten bei der sogenannten sensomotorischen diabetischen Neuropathie oder bei Schädigungen durch Alkoholismus auf.

Symptome: Anfangszeichen sind häufig Kribbeln, Taubheitsgefühle sowie brennende Missempfindungen in Füßen und Beinen ("burning feet"), manchmal anfallsartig – zum Beispiel nachts oder bei Kälte. Dazu stellen sich Muskelschwäche oder -überaktivitäten, schmerzvolle Muskelkrämpfe, vor allem in den Unterschenkeln und Füßen, ein. Die Missempfindungen können auch Hände und Arme erfassen.

Mit fortschreitender Nervenschädigung treten weitere Symptome auf, wie nachlassendes Schmerz- und Temperaturempfinden, Muskelschwund, verminderte Schweißbildung, trockene Haut, Geschwüre an den Füßen.

Diagnose und Therapie: Die Untersuchungen umfassen Blutanalysen und Urintests, Prüfungen der Nervenleitgeschwindigkeit (Elektroneurografie) sowie der Muskelaktivitäten (Elektromyografie). Gegebenenfalls sind zudem Röntgenaufnahmen, feingewebliche Untersuchungen von Muskelwebe und bestimmten Nerven sowie gegebenenfalls eine Untersuchung des Nervenwassers (Lumbalpunktion, Liquorpunktion) angezeigt. Je nach Verdacht erwägen die Fachärzte, in der Regel Neurologen, weitere Spezialuntersuchungen (siehe auch Kapitel "Diagnose").

Die Therapie erfolgt je nach Ursache. Für Diabetiker ist eine gute Blutzuckereinstellung grundlegend, um Nervenschäden und deren Fortschreiten möglichst zu vermeiden. Auch Alkoholverzicht sowie Rauchstopp sind absolut notwendig. Eventuell können bestimmte durchblutungsfördernde Salben und Medikamente, wie etwa Antiepileptika, bei starken Beschwerden in den Beinen hilfreich sein.

Lesen Sie mehr dazu im Ratgeber "Polyneuropathie – Ursachen und Therapien":

Bandscheibenvorfall

Bandscheibenvorfall

Wadenkrämpfe bei Verengungen im Wirbelsäulenkanal, Bandscheibenschäden

Geschützt durch die Knochen der Wirbelsäule verläuft das Rückenmark mit seinen unterschiedlichen Nerven im Rückenmarkkanal. Hier leiten die vom Gehirn kommenden motorischen Nervenfasern die Impulse an ihre Ausläufer im peripheren Nervensystem und damit an die jeweiligen Muskeln weiter.

Die peripheren Nervenstränge treten aus ihren Wurzeln (lat. radix) im Rückenmark durch seitliche Zwischenwirbellöcher aus. Veränderungen, Erkrankungen und Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule und des Rückenmarkkanals können die Nervenwurzeln reizen oder nachhaltig schädigen.

Neurologen sprechen dann von spinalen radikulären Syndromen oder Radikulopathien.

Eine häufige Ursache sind Bandscheibenerkrankungen. Wenn sich eine Bandscheibe, die vor dem Rückenmarkkanal und den jeweiligen Zwischenwirbellöchern liegt, aus unterschiedlichen Gründen verschiebt, kann sie die Nervenwurzel beziehungsweise den austretenden Nerv einklemmen (siehe Bild).

Auch Teile des Rückenmarks können in Bedrängnis geraten. Mitunter beengen oder irritieren auch Tumore bestimmte Nerven. Darüber hinaus gehören entzündliche Prozesse oder degenerative Veränderungen am Wirbelkanal, zum Beispiel bei einer Spinalkanalstenose, zu den möglichen Ursachen.

Manchmal entwickelt sich eine Radikulopathie bei einigen Infektionen. Je nachdem, wo die Engstelle entsteht und welche Nervenfasern betroffen sind, kommt es zu Ausfallerscheinungen im Bereich der Gefühlswahrnehmung (Sensibiliät) und/oder der Aktivität unterschiedlichen Muskelgruppen (Motorik).

Symptome: Sind Nerven geschädigt, die die Beinmuskeln versorgen, etwa bei einem Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule, kommt es meist zu Rückenschmerzen. Die Schmerzen strahlen bis in ein Bein und/oder einen Fuß aus und werden bei Husten oder Niesen stärker. Sie sind oft verbunden mit Kribbeln, Taubheitsgefühlen und manchmal mit Lähmungserscheinungen. Dazu können auch Wadenkrämpfe kommen.

Eingehende Informationen zu Symptomen, Ursachen, Diagnose und Therapie von Bandscheibenvorfällen erhalten Sie im Ratgeber "Bandscheibenvorfall". Wissenswertes dazu und zu weiteren Wirbelsäulenproblemen finden Sie in den Ratgebern "Rückenschmerzen" und "Hexenschuss – Symptome, Therapie & Tipps":

Rückenschmerzen

Bandscheibenvorfall: Symptome, Diagnose, Therapie

Rückenschmerzen, die ins Bein oder in den Arm ausstrahlen, können auf einen Bandscheibenvorfall hinweisen. Welche Symptome noch dafür sprechen, was die Begriffe LWS und HWS bedeuten, wie die Behandlung aussieht

Schmerzhafte Krämpfe in den Waden: Crampus-Faszikulationssyndrom

Faszikulationen sind unwillkürliche Zuckungen in einem Muskel, genauer: einzelner Muskelfasergruppen. Sie sind mit bloßem Auge unter der Haut sichtbar. Eigentlich sind Faszikulationen nicht krankhaft. Bei stärkerer Ausprägung, etwa auch mit schmerzhaften Muskelkrämpfen, können sie aber auf eine Störung wie zum Beispiel eine Übererregbarkeit von muskelversorgenden Nerven hinweisen. Allerdings bleiben die ärztlichen Untersuchungen beim Crampus-Faszikulationssyndrom häufig unauffällig. Eine fortschreitende Krankheitsentwicklung ist selten. Der Arzt wird dann die Diagnose überprüfen. Dennoch: Einige Betroffene können oft jahrelang unter den Symptomen leiden. 

Symptome: Kennzeichnend sind Muskelkrämpfe und Muskelzuckungen, etwa in den Waden. Sie sind verbunden mit ziehenden, brennenden Schmerzen in den Beinen, mitunter auch in den Armen sowie im Schulter- und Beckenbereich. Kribbeln und Taubheitsgefühle können dazukommen. Die Symptome können zunehmen, wenn die Betroffenen körperlich aktiv sind, und gehen zurück, wenn sie sich entspannen.

Diagnose und Therapie: Der Neurologe kann die Faszikulationen eventuell durch Beklopfen auslösen. Die üblichen neurologischen Untersuchungen einschließlich Elektromyogramm sind aber normal. Gegebenenfalls wird der Arzt im weiteren Verlauf eine Kontrolluntersuchung empfohlen. Gezielte Dehnübungen und entspannende Wärme können hilfreich sein.

Übererregbarkeit von Nerven: Neuromyotonie 

Bei der seltenen Neuromyotonie (Isaacs-Mertens-Syndrom) liegt eine Erkrankung vor, die mit einer Übererregbarkeit von muskelanregenden Nerven (Fachbegriff: neuronale Hyperexzitabilität) einhergeht. Für das in der Fachliteratur uneinheitlich dargestellte Krankheitsbild sind verschiedene Ausprägungen beschrieben.

Dabei kommen seltene, familiär-erbliche Genveränderungen (idiopathische Formen) und erworbene Konstellationen wie fehlgeleitete Immunreaktionen zum Tragen. Die Krankheit kann zum Beispiel einer Myasthenia gravis (Myasthenie) ähneln und beruht dann möglicherweise auf einem Tumor der Thymusdrüse (Thymom) oder einer bestimmten Art von Lungenkrebs (kleinzelliges Lungenkarzinom). Der Arzt spricht hier von paraneoplastischen neuromyotonen Symptomen. Aber auch andere Formen der Myasthenia gravis oder eine rheumatoide Arthritis können vorliegen. Antikörper, die Ionenkanäle (Kaliumkanäle) in den Nervenendigungen angreifen, welche die Muskelzellen ansprechen, gehören zu den möglichen krankhaften Immunphänomenen.
Symptome: Das Krankheitsbild kann in jedem Lebensalter auftreten. Steifigkeit der Muskulatur ("Die Muskeln machen von Anfang an dicht"), zunächst vor allem der Hände, ständiges Muskelwogen (sogenannte Myokymien oder Rippling) und Muskelkrämpfe sind kennzeichnend. Dazu kommen vermehrtes Schwitzen und anhaltende Muskelaktivität im Schlaf und in Narkose. Die Symptome können, je nach Ausprägung der Krankheit, schubartig auftreten, aber auch wieder verschwinden.
Bei schwereren Formen kann es zu anhaltenden Verkrampfungen aller Skelettmuskeln mit Fehlstellungen, auch der Gesichtsmuskulatur, Atem- und Schluckmuskeln und entsprechend bedrohlichen Situationen kommen.

Diagnose: Im Elektromyogramm zeigt sich eine Daueraktivität (das heißt: auch "in Ruhe", soweit diese möglich ist), Faszikulationen und Entladungsserien sind weitere Merkmale. Die Muskelbiopsie ergibt keine Auffälligkeiten. Andere Krankheiten, insbesondere die genannten Autoimmun- und Tumorkrankheiten sowie Störungen der Bluteiweißbildung (Paraproteinämien), sind auszuschließen. Ein Antikörpernachweis gegen Kaliumkanäle ist teilweise möglich.

Therapie: Eine spezielle Therapie ist nicht immer notwendig, eine Physiotherapie allerdings sinnvoll. Gegen Epilepsien wirksame Medikamente (sogenannte muskelentspannende Antimyotonika, auch als Mittel gegen Krampfleiden bekannt) wie Carbamazepin, Phenytoin oder Lamotrigin können eine Muskelsteife günstig beeinflussen. Autoimmunkrankheiten lassen sich durch immununterdrückende Medikamente beherrschen.

Störungen der Bluteiweißbildung (Paraproteinämien) werden im Rahmen der zugrunde liegenden Erkrankung behandelt. Ein Thymom wird nach Möglichkeit operativ entfernt, gegebenenfalls zunächst speziell vorbehandelt. Auch Lungentumoren therapieren die Spezialisten nach den jeweiligen Therapieprotokollen. Andere erworbene Formen der Neuromyotonie bessern sich mitunter spontan.

Mehr zu Myotonien im Kapitel "Muskelerkrankungen" in diesem Beitrag.

Stiff-Man-(Stiff-Person-)Syndrom

Dieses Erkrankungsbild  kann mitunter nur auf  die Beine beschränkt sein (Stiff-Leg-Syndrom).  Zugrunde liegen  autoimmun-entzündliche Veränderungen im Zentralnervensystem, die auf hemmende Nervenimpulse zielen. Der Zweitname berücksichtigt schon eher die Tatsache, dass zwei Drittel der Betroffenen Frauen sind.

Symptome: Beim Stiff-Man-Syndrom versteifen und verkrampfen  sich die Muskeln in unterschiedlichen Körperbereichen in extremer und  schmerzhafter Weise, zum Beispiel im Rücken, im Gesicht, aber auch in  den Beinen und Füßen. Die Beschwerden nehmen zu, wenn der Betroffene  sich bewegt, sich erschreckt oder starken Gefühlen ausgesetzt ist. Bei  Ruhe gehen die Symptome zurück, etwa wenn der Kranke schläft. Dazu kommen Angststörungen,  zum Beispiel die Angst, über einen freien Platz zu gehen (Agoraphobie-artige Symptome, aber eher wegen der meist auftretenden Gangstörungen, keine typische Platz-Angst).  Die Heftigkeit der anfallsartigen Muskelverhärtungen kann sogar Muskel-  und Gelenkschäden hervorrufen. Je nach Ausprägung der Krankheit können weitere neurologische Symptome auftreten, etwa Krampfanfälle infolge entzündlicher Gerhinveränderungen. Auch vermehrtes Schwitzen und Störungen der Herz-Kreislauffunktionen durch Fehlsteuerung der entsprechenden Nerven (des sogenannten autonomen Nervensystems) sind möglich.

Diagnose und Therapie: Aufschlussreich kann nach den grundlegenden Untersuchungen wie Bluttests und Elektromyografie eine Analyse des Nervenwassers sein. Es wird bei einer Rückenmarkspunktion (Lumbalpunktion) entnommen. Der Neurologe wird die Erkrankung gegen andere neurologische Bewegungsstörungen, gegen Tetanus (Wundstarrkrampf) und die Folgen einer Vergiftung (etwa Strychnin oder Blei) abgrenzen. Zudem schließt er durch geeignete Untersuchungen einen Tumor oder bestimmte Stoffwechselerkrankungen als mögliche Ursache aus.

Zur Behandlung setzen die Ärzte zum Beispiel Medikamente aus der Gruppe der Benzodiazepine oder gegen Epilepsien ein. Die Einnahme sollte regelmäßig kontrolliert werden. Auch können Kortisonpräparate und verschiedene, auf das Immunsystem zielende Mittel und Maßnahmen hilfreich sein. Bei diesen komplexeren Therapien wird der Arzt insbesondere auch auf mögliche Nebenwirkungen achten. Eine schwere spastische Krise ist nur durch intensivmedizinische Maßnahmen in den Griff zu bekommen.

Symbolbild Angst

Angst und Angststörungen

Ängste gehören zum Leben. Doch sie können außer Kontrolle geraten und krankhaft werden. Hier finden Sie Informationen über Ursachen und Therapien von Angsterkrankungen

Dystonien als mögliche Ursache von Wadenkrämpfen

Unter dem Fachbegriff Dystonie fassen Mediziner Krankheits- oder Beschwerdebilder zusammen, bei denen normale Bewegungsabläufe und die Muskelspannung gestört sind. Bestimmte Muskeln ziehen sich dann anfallsartig, oft gegenläufig zusammen, die Spannung ist erhöht. Das führt mitunter zu abrupten, nicht kontrollierbaren Bewegungen, die unterschiedliche Körperpartien erfassen können, etwa das Gesicht, die Augenumgebung, Kopf, Rumpf sowie auch die Gliedmaße. Muskelzittern ist ein häufiges Begleitsymptom. Auch Muskelkrämpfe können auftreten. Typisch ist die Besserung durch willkürliche Bewegungen.

Je nach Verteilungsmuster sprechen Neurologen zum Beispiel von fokalen, segmentalen oder multifokalen Dystonien. Bei Letzteren ist das Muskelspiel in mehreren, nicht benachbarten Körperbereichen gestört, während segmentale Formen zwei benachbarte Bereiche umfassen.

Fokale Dystonien betreffen nur Muskeln in einer Körpergegend, vor allem an Beinen, Füßen oder Schultern. Beim Gehen oder mitten in einer Tätigkeit ziehen sich die Muskeln zusammen und behindern die Aktivität. Das passiert auch beim sogenannten Schreibkrampf, der an der schreibenden Hand, aber während des Schreibens auch an beiden Armen auftreten kann. Speziell Musiker erleiden mitunter fokale Dystonien.

Daneben können Dystonien aber auch an einer Körperhälfte (Hemidystonie) auftreten und als generalsierte Form mehrere, nicht benachbarte Körpergegenden mitsamt dem Rumpf betreffen.

Dystonien sind nicht mit psychisch bedingten Tics zu verwechseln. Sie können primär als eigene Störungen auftreten, denen genetische Anlagen und Nervenschäden im Gehirn zugrunde liegen. Sie entwickeln sich aber auch sekundär im Rahmen anderer neurologischer Krankheiten, so zum Beispiel bei zahlreichen Erbkrankheiten, die durch den Untergang bestimmter Gehirnnerven gekennzeichnet sind.

Zu dystonen Symptomen kommt es zudem unter anderen auch bei der Parkinson-Krankheit oder bei der Multiplen Sklerose. Manchmal stellen sich krampfartige Beschwerden nach Hirn- und Rückenmarksverletzungen sowie nach Gehirnblutungen und -entzündungen ein.

Wichtig: Auch bestimmte Medikamente gehören zu den möglichen Auslösern, etwa Parkinson-Medikamente, Antiepileptika oder Mittel gegen Psychosen (Neuroleptika).

Diagnose und Therapie: Das Beschwerdebild liefert erste Hinweise. Mit umfassenden Untersuchungen (siehe dazu auch Kapitel "Diagnose") sichert der Neurologe die Diagnose.

Die Therapie richtet sich nach der Ursache. Bei primären fokalen und segmentalen Dystonien spritzen die Ärzte bevorzugt Botulinumtoxin in die erkrankten Muskelpartien. Den Einsatz von Medikamenten zum Einnehmen wägt der Arzt individuell ab. Besteht der Verdacht auf eine Medikamentennebenwirkung, wird der Arzt den Medikamentenplan sorgfältig überprüfen und die Therapie anpassen. Bei schweren Krankheitsbildern, die nicht auf unterschiedliche Therapieversuche ansprechen, ziehen Spezialisten manchmal auch eine Tiefenhirnstimulation in Betracht.