Wadenkrämpfe: Wann ist der Arzt gefragt?

Solange Krämpfe in der Unterschenkelmuskulatur und in den Füßen nur gelegentlich nachts oder tagsüber auftreten, sind sie meist harmlos. Sie haben häufig keine erkennbare Ursache.

Die Krämpfe können jedoch auch Warnzeichen dafür sein, dass Sie Ihre Muskeln entweder überlastet oder aber zu wenig gefordert haben. Dehnungsübungen, gezieltes Training helfen dann in der Regel.

Auch ein vorübergehendes Ungleichgewicht im Wasser-Salz-Haushalt, weil Sie stark geschwitzt und/oder zu wenig getrunken hatten, lässt sich meist rasch wieder ausgleichen.

Gehen Sie jedoch zum Arzt, wenn die Krämpfe Ihnen vermehrt zu schaffen machen und Dehnen keine Wirkung zeigt. Wenn solche Crampi sich häufiger einstellen, sehr schmerzhaft sind und länger als ein paar Sekunden anhalten, sollten Sie mit Ihrem Hausarzt oder Internisten darüber sprechen.

Das gilt in besonderem Maße, wenn oft Schmerzen im Bein, Taubheitsgefühle oder Kribbeln auftreten. Werden Sie auch aufmerksam, wenn weitere Krankheitszeichen dazukommen, etwa Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Nachtschweiß. Weitere Warnzeichen sind außerdem Muskelkrämpfe in anderen Körperteilen, ein Schwächegefühl in den Muskeln, Gang- oder Bewegungsunsicherheiten, Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Hautveränderungen und Fieber.

Der Arzt wird Muskelkrämpfe zudem immer dann abklären, wenn Sie schon Vorerkrankungen haben, etwa einen zu hohen Blutdruck, Diabetes oder eine Nierenkrankheit.

Wegweisend bei Wadenkrämpfen: Das Arzt-Patient-Gespräch

Der Hausarzt kennt zumeist die Krankengeschichte, eventuelle Grunderkrankungen seines Patienten und die Medikamente, die er einnimmt. Veränderungen hier können für ihn besonders aufschlussreich sein, ebenso eine noch nicht bekannte Schwangerschaft.

Schildern Sie Ihrem Arzt genau, wann und wie oft die Wadenmuskulatur sich verkrampft, welche Muskeln genau sich verhärten, wie die Spasmen sich äußern, wie lange sie anhalten, was Sie dagegen unternehmen.

Der Arzt wird zudem wissen wollen, ob andere Mitglieder Ihrer Herkunftsfamilie häufiger an Muskelkrämpfen leiden oder gelitten haben.

Berichten Sie dem Arzt auch, ob Sie körperlich aktiv sind, und wenn ja, in welcher Form. Ihre Trink- und Ernährungsgewohnheiten sind für ihn von Interesse, ebenso Ihr Alkoholkonsum und ob Sie rauchen.

Sagen Sie es dem Arzt auch, wenn Sie in der letzten Zeit vermehrt geschwitzt haben, häufig Wasser lassen mussten, (Brech-)Durchfälle oder eine Verletzung, etwa an den Beinen oder am Rücken hatten.

In der ersten Analyse der Symptome wird der Arzt die Wadenkrämpfe auch schon von anderen Muskelproblemen abgrenzen, die in den Beinen auftreten können.

Das können zum Beispiel gelegentliche, meist nächtliche Muskelzuckungen oder ein Syndrom der unruhigen Beine (Restless-Legs-Syndrom) sein. Ebenso gilt es, andere Beschwerden abzuklären, die typisch für arterielle Durchblutungsstörungen in den Beinen sind (periphere arterielle Verschlusskrankheit, PAVK, siehe jeweils die Links ganz unten).

Oben im Bild: Rückenmarksquerschnitt mit grauer Substanz (kleine schmetterlingsförmige Figur), dazu Wirbel, Bandscheiben, Spinalnerven

Oben im Bild: Rückenmarksquerschnitt mit grauer Substanz (kleine schmetterlingsförmige Figur), dazu Wirbel, Bandscheiben, Spinalnerven

Kleines Lexikon

  • Myopathie: Oberbegriff für Muskelerkrankungen. Erbliche Formen sind beispielsweise Muskeldystrophien, stoffwechselbedingte Myopathien und Myotonien wie zum Beispiel sogenannte Ionenkanalerkrankungen. Zu den erworbenen Formen gehören Muskelentzündungen und andere Myopathien. Auslöser hier: Infektionserreger, Hormone, Medikamente, Drogen, Immunstörungen, schwere, Intensivmedizin-pflichtige Erkrankungen.
    Richtungweisende Symptome, je nach Krankheitsbild:
    Schmerzen in der Tiefe der Muskeln, besonders unter Belastung, Muskelkrämpfe, Muskelschwäche, Muskelschwund.

  • Muskeldystrophien: Erbkrankheiten (siehe oben) mit Substanz- und Funktionsverlusten von Muskeln
  • Myotonien: Muskelerkrankungen mit gestörter Muskelentspannung. Es gibt Formen mit und ohne Dystrophie
  • Dystonien: Neurologische Krankheitsbilder mit unkontrollierbaren Muskelanspannungen und Bewegungen. Willkürliche Körpergesten können die Abläufe unterbrechen.

  • Faszikulationen: Unwillkürliche, unter der Haut sichtbare Muskelzuckungen. Durch Beklopfen oder Kneifen auslösbar. Als alleiniges Phänomen nicht krankhaft.
  • Motoneuron: Signalgeber für die Skelettmuskeln. In der grauen Substanz im Rückenmark (siehe Bild oben) liegen motorische Nervenzellkörper (Vorderhornzellen, zweites Motoneuron). Ihre Fortsätze erreichen über die Rückenmarksnerven zugehörige Muskelfasern und übertragen Spannungsimpulse. Das zweite Motoneuron wird vom ersten Motoneuron im Gehirn gesteuert.

Häufige körperliche Untersuchungen und Laboranalysen in der Diagnose von Wadenkrämpfen

Der Arzt wird sich Beine und Füße, den Rücken, Arme und Hände sowie den Kopfbereich genau ansehen. Er kontrolliert die Gefäßpulse und misst den Blutdruck. Mit bestimmten Tests prüft er Nervenreaktionen, indem er zu Beispiel das Zusammenziehen der Muskeln durch Beklopfen provoziert. Weitere eingehende Nervenprüfungen nimmt in der Regel ein Nervenarzt (Neurologe) vor.

Blutuntersuchungen geben Aufschluss über den Elektrolythaushalt, die Blutzuckerwerte, über Nieren- und Leberfunktion. Ebenso lässt der Arzt die Schilddrüsenhormone, zunächst das TSH, und eventuell noch weitere Hormonwerte bestimmen, Muskelenzyme (Kreatinkinase, CK) im Blut messen sowie gegebenenfalls einen Schwangerschaftstest durchführen. Darüber hinaus gehören Urinanalysen oft zum Untersuchungsprogramm dazu. Auch die Bestimmung des Kupferspiegels kann im Einzelfall hilfreich sein (Ausschluss einer Kupferspeicherkrankheit, Morbus Wilson)

Zu den Fachärzten, an die der Hausarzt je nach Verdacht seinen Patienten überweist, gehören in erster Linie ein Internist, ein Neurologe (gegebenenfalls auch mit dem Schwerpunkt neuromuskuläre Erkrankungen) oder ein Orthopäde. Bei Hinweisen auf eine genetische Erkrankung ist ein Facharzt für Humangenetik der richtige Ansprechpartner.

Mögliche apparative Verfahren und weiterführende Tests bei Wadenkrämpfen

Eine weiterführende Untersuchung stellt die sogenannte Elektromyografie (EMG) dar. Sie erlaubt es, zu unterscheiden, ob eine Störung auf der Muskel- oder Nervenebene vorliegt. Das geschieht mit Hilfe feinster Nadelelektroden, die in den Muskel selbst gestochen werden und die elektrischen Aktivitäten des jeweils entspannten und angespannten Muskels ableiten.

Eine Elektroneurografie (ENG) ergänzt gegebenenfalls diese Messung. Sie erfasst über auf der Haut angebrachte Elektroden die Nervenleitgeschwindigkeit. Diese zeigt an, wie schnell die Nervenfasern elektrische Reize, also bestimmte Kommandos an die Muskelfasern, weitergeben.

Spezielle Blutuntersuchungen, zum Beispiel der Laktat-Ischämie- beziehungsweise ischämische Laktat-Ammoniak-Test unter Belastung von Unterarmmuskeln, können auf krankhafte Veränderungen im Stoffwechsel der Muskeln hinweisen.

Zudem sind bei eingegrenztem Myopathieverdacht feingewebliche Untersuchungen einer Muskelgewebeprobe (Biopsie) angezeigt (siehe auch Kapitel "Ursachen: Muskelerkrankungen").

Weitere spezielle Labortests bis hin zu genetischen Untersuchungen können die Diagnose bestimmter Myopathien sichern.[]

Computertomografie und Magnetresonanztomografie können die Ärzte heranziehen, um sich ein Bild von der Wirbelsäule, den Bandscheiben und dem Wirbelsäulenkanal zu verschaffen.

Neurologen setzen zudem neben der Sonografie (Untersuchung mit Ultraschall) die Magnetresonanztomografie (beziehungsweise Kernspintomografie) ein, um mögliche Muskelerkrankungen genauer zu bestimmen. Wichtig ist auch die Kontrolle der Herztätigkeit.

Ultraschalluntersuchungen der Blutgefäße – Venen und Arterien – geben Aufschluss über den Zustand der Durchblutung in den Beinen: Eine Farbdoppler-Sonografie lässt erkennen, ob die Blutzirkulation gestört ist und ob Venenklappen nicht richtig schließen. Auch diese Untersuchungen setzt der Arzt natürlich bedarfsgerecht ein.

Ultraschall der Halsschlagader

Duplexsonografie (und Dopplersonografie)

Die Duplexsonografie kombiniert Ultraschallbilder des Gewebes mit einer farbigen Darstellung des Blutflusses in den Gefäßen. Sie misst auch die Fließgeschwindigkeit des Blutes

Vermutet der Arzt aufgrund der klinischen Untersuchungsergebnisse, der Krankengeschichte und der Beschwerden des Patienten eine arterielle Verschlusskrankheit in den Beinen, sind spezielle Gefäßuntersuchungen sinnvoll.

Dazu gehören bestimmte Gehtests sowie Messungen des Blutdrucks mit Manschetten an Armen und Fußknöcheln, an den Füßen unter Zuhilfenahme auch eines Ultraschallgeräts (Dopplerdruckmessung, Knöchel-Arm-Index).

Der Arzt überprüft zudem den Blutfluss in den Schlagadern. Die Doppleruntersuchung kann auch mögliche Engstellen aufzeigen. Ausführliche Informationen dazu finden Sie im Ratgeber "Durchblutungsstörungen in den Extremitäten (PAVK)" (siehe Link unten).

Ultraschalluntersuchungen, zusätzlich auch die Farbdoppler-Sonografie, ziehen Internisten zudem zur Diagnose von Nieren- und Lebererkrankungen heran. Blut- und zusätzliche Urintests stützen auch hier die Diagnose.

Liegt eine krankhafte Ursache vor, wird der Arzt entsprechende Behandlungsmaßnahmen einleiten. Einige der Krankheitsbilder, die unter anderen Symptomen auch Wadenkrämpfe auslösen können, sind in den folgenden Ursachenkapiteln aufgeführt.

Schaufensterkrankheit

Durchblutungsstörungen der Beine (PAVK)

Wenn Schmerzen in den Beinen zum Stehenbleiben zwingen, ist oft die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK, Schaufensterkrankheit) schuld. Mehr zu Symptomen, Diagnose und Therapie