Spezifische Rückenschmerzen – Diagnose

Am Anfang der Diagnostik steht in der Regel das Gespräch mit dem Arzt über die Beschwerden
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Für den Arzt heißt es: Rational vorgehen
Der Patient sollte sich durch die im Einzelfall geplanten Untersuchungen nicht unnötig belastet fühlen. Andererseits muss die Diagnose natürlich auf sicheren Füßen stehen. Nicht immer ist es notwendig, den gesamten Untersuchungskatalog auszuschöpfen. Manchmal ist es jedoch unumgänglich, "alle Register" zu ziehen (mehr im Kapitel "Spezifischer Rückenschmerz: Ursachen abklären und behandeln").
Anamnese und klinische Untersuchung
Zunächst erhebt der Arzt die Krankengeschichte (Anamnese). Er lässt sich den Hergang und die Art der Beschwerden schildern, ihre Lokalisation, Stärke, Ausstrahlung. Den Arzt interessiert auch, ob die Rückenschmerzen zum ersten Mal aufgetreten sind und ob sie durch bestimmte Körperhaltungen beeinflusst werden können. Gibt es Begleitsymptome, etwa Fieber? Wie haben sich Gewicht und Körpergröße in der letzten Zeit entwickelt? Finden sich Besonderheiten in der Familiengeschichte, die eventuell für die aktuellen Beschwerden von Bedeutung sein könnten?
Bei der anschließenden körperlichen Untersuchung richtet der Arzt anfangs sein Augenmerk auf äußerlich sichtbare Veränderungen. Welche Körperhaltung nimmt der Patient ein? Ist seine Wirbelsäule verkrümmt, ist die Lendenwirbelsäule verstärkt nach vorne gekrümmt (Hyperlordose), hat er/sie einen Rundrücken? Stehen Schultern oder Becken schief? Sind Lähmungen vorhanden? Liegt eine Augenentzündung vor, die auf eine entzündliche Skeletterkrankung hinweisen könnte? Zeigt sich in Rückenmitte ein kleine Grube ("Sprungschanzenpänomen": möglicher Hinweis auf ein Wirbelgleiten)? Finden sich tannenbaumartig absinkende Hautfalten am Rücken (kommt bei Osteoporose vor)? Zeigen sich Rötungen oder Schwellungen über der Wirbelsäule, ist sie klopfschmerzhaft?
Mittels spezieller manualmedizinischer Untersuchungstechniken lassen sich funktionelle Störungen wie myofasziale Dysfunktionen oder Blockierungen an der Wirbelsäule aufdecken.
Der Arzt macht sich also ein genaues Bild und untersucht den Patienten, soweit angesichts der Schmerzsituation möglich, auch im Stehen, Sitzen und Liegen. Zum Beispiel das Lasègue-Zeichen, ein Schmerz bei Dehnung der Wurzeln L4/5 und L5/S1 des Ischiasnervs. Dabei hebt der Arzt das gestreckt auf der Unterlage ruhende Bein des Patienten langsam hoch (passive Hüftbeugung). Bei einer Nervenwurzelreizung ist das meist schon in geringer Höhe schmerzhaft.
Auch die Muskelkraft, Muskelsehnenreflexe, das Berührungsempfinden der Haut und die Beweglichkeit der Wirbelsäule werden untersucht. Wie weit kann der Patient sich nach vorne, nach hinten und seitwärts beugen? Ist die Beinlänge in Rückenlage auf einer Liege gleich oder unterschiedlich beim Aufrichten auf der Liege? Der Arzt tastet außerdem die Gefäßpulse ab und prüft die Beweglichkeit des Brustkorbes (Atembreite).

Im Blut finden sich Diagnosen oft bestätigt
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Laborwerte je nach Krankheitsverdacht
Die Laboruntersuchungen richten sich nach der Verdachtsdiagnose. Infrage kommt beispielsweise die Suche nach Veränderungen im Blut, die eine Entzündung oder Stoffwechselerkrankung unter Einbeziehung des Skeletts begleiten können. Mehr dazu wiederum im Kapitel "Spezifischer Rückenschmerz: Ursachen abklären und behandeln".

Röntgen: Gezielter Einsatz guter Diagnosehelfer
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Was Röntgenuntersuchungen zeigen
– Aufnahmen von Wirbelsäule, Becken, selten vom Wirbelkanal
Röntgenuntersuchungen der Wirbelsäule werden, wenn möglich im Stand, und in zwei Ebenen, von vorne und von der Seite, durchgeführt. Manchmal sind ergänzende Zielaufnahmen aufschlussreich. Seitliche Funktionsaufnahmen in Vor- und Rückwärtsbeugung können zusätzliche Informationen geben, etwa im Hinblick auf ein Wirbelgleiten. Rippen, Wirbelkörper, -bögen und -gelenke, Gelenkfortsätze, die Höhe der Zwischenwirbelräume, die Knochenstruktur, Dichte der Wirbelkörperdeckplatten, Krümmung der Wirbelsäule und die Beschaffenheit der Iliosakralgelenke – dies alles ist zum Beispiel in Röntgenbildern sehr gut zu beurteilen.
! Tipp: Heben Sie trotz der modernen Möglichkeiten der elektronischen Datenspeicherung Kopien Ihrer Aufnahmen stets sorgfältig auf und bringen Sie diese zum Arztbesuch mit. Dadurch ersparen Sie sich womöglich unnötige Wiederholungen und Strahlenbelastung. Wenn eine neue Aufnahme notwendig ist, kann der Arzt sie sofort mit der älteren vergleichen und mögliche Veränderungen sehen.
Rückenmark und Bandscheiben, in Standard-Röntgenbildern unsichtbar, lassen sich mit dem Trick der Kontrastmittelverstärkung sichtbar machen, auch wenn heute die Magnetresonanztomografie diese Untersuchungen weitgehend ersetzt.
Eine Myelografie wird zum Beispiel vor Operation eines verengten Wirbelkanals (siehe Abschnitt "Spinalkanalstenose", Kapitel "Spezifischer Rückenschmerz: Ursachen abklären und behandeln") durchgeführt, aber nur in den äußerst seltenen Fällen, in denen eine Magnetresonanztomografie (MRT) oder eine Computertomografie (CT, siehe jeweils unten) nicht genügend Informationen zur Vorbereitung der Operation liefern. Das Kontrastmittel spritzt der (Neuro-)Radiologe in den Wirbelkanal. Durch Lagewechsel des Patienten auf dem Röntgen-Kipptisch verteilt es sich weiter im Wirbelkanal. Röntgenbilder dokumentieren die Verhältnisse und die Dynamik, etwa Verengungen, die beim Vornüberbeugen auftreten. Im Anschluss wird in der Regel eine computertomografische Aufnahme angefertigt, das sogenannte Myelo-CT.
Ultraschall: Nicht belastend, sofort einsetzbar
Vor allem die Gelenkweichteile – Muskeln, Bänder, Sehnen –, Gelenkergüsse und flüssigkeitsgefüllte Hohlräume wie Zysten können sehr gut mit Ultraschall sichtbar gemacht werden. An der Wirbelsäule sind eigentlich nur die nach rückwärts gerichteten Anteile der kleinen Wirbelgelenke darstellbar. Manche Therapeuten nutzen dies, um bei schmerzstillenden wirbelgelenknahem Injektionen den Ablauf unter Sicht zu kontrollieren. Häufig wird dazu aber ein Durchleuchtungs- oder Computertomografie-Gerät (CT) herangezogen. Dabei ist aber die Strahlenbelastung zu berücksichtigen.
Magnetresonanztomografie (MRT, Kernspin)
Bilder, die mittels Magnetresonanz- oder Kernspintomografie erzeugt werden, heißen Magnetresonanztomogramme. Der Patient liegt in einer scheinbar "regellos" und laut klopfenden Röhre (häufig ist bei der MRT jedenfalls noch ein Gehörschutz notwendig). Die digital erzeugte Bildgebung beruht auf einem starken, den Patienten umgebenden Magnetfeld (also nicht Röntgenstrahlen) sowie hochfrequenten Wechselfeldern.
MRT-Bilder von Bandscheiben, Nervenwurzeln, Muskeln, Bändern und Gelenkkapseln beispielsweise sind derzeit in ihrer Wiedergabequalität unübertroffen. Die Entwicklung der Grundlagen für die MRT in der Medizin war bahnbrechend und wurde im Jahre 2003 mit dem Nobelpreis belohnt. Die Technik schreitet rasant fort. Unter anderem geht der Trend zu leiseren Geräten.
Computertomografie (CT): Leider mit Strahlenbelastung
So präzise, anschaulich und schnell dieses Röntgenverfahren beispielsweise das Skelettsystem abbildet, so nachteilig ist die damit einhergehende Strahlenbelastung: Sie übersteigt diejenige einer herkömmlichen Röntgenaufnahme um ein Vielfaches. Jedoch ist das CT etwas günstiger zu haben als die teure MRT.
Prinzip der Computertomografie ist, dass von dem fokussierten Organ ein Satz zweidimensionaler Schnittbilder aus verschiedenen Richtungen erstellt wird. Ein Computer baut daraus dreidimensionale Bilder auf. Dank technischer Weiterentwicklungen mit dem Ziel der Leistungssteigerung (Stichwort "Spiral-CT") ist es beispielsweise möglich, das Herz und seine Kranzgefäße anatomisch genau abzubilden.
Szintigrafie und Positronen-Emissions-Tomografie
Um zum Beispiel einen Entzündungsherd im Skelett festzustellen, kann ergänzend zur CT oder MRT auch ein Szintigramm angefertigt werden. Die Strahlenbelastung hängt vom Typ der Szintigrafie ab, ist aber meistens niedriger als bei der CT. Dem Patient wird ein schwach radioaktiver Stoff, also ein Radiopharmakon wie zum Beispiel Technetium-99m-Pertechnetat, in die Blutbahn gespritzt. Einige Radiopharmaka können auch inhaliert werden. Der Stoff reichert sich im Zielgewebe an, nimmt dort am Stoffwechsel teil und sendet dabei radioaktive Gamma-Strahlen aus. Die Strahlung wird mit einer Spezialkamera aufgefangen und rechnergestützt zu einer zweidimensionalen Grafik aus zahlreichen Bildpunkten verarbeitet. Sie bildet ein Aktivitätsmuster des untersuchten Organs oder Organsystems ab.
Ein Szintigramm hilft bei der Ortung und Funktionsprüfung krankhafter Veränderungen im Körper. So lässt sich zum Beispiel bei bestimmten Erkrankungen das Ausmaß von Skelettveränderungen ermitteln (Ganzkörperszintigramm).
– Eine spezielle Variante der Szintigrafie ist die Positronen-Emissions-Tomografie (PET), bei der Radiopharmaka genutzt werden, die Beta+-Strahlung aussenden. Diese Strahlung zu registrieren ist technisch aufwendiger; es werden dafür ringförmig um den Patienten angeordnete Detektoren benötigt. Schlussendlich entstehen Schnittbilder mit Zonen unterschiedlicher "Aktivität". PET wird heute meistens mit einer Computertomografie kombiniert (PET-CT), was eine bessere anatomische Zuordnung der Ergebnisse und genauere Detailerkennung erlaubt. Die Untersuchung ist hauptsächlich an spezialisierten Zentren möglich.
Elektroneurografie und Elektromyografie
Wann diese Untersuchungen sinnvoll sein können, zeigt das folgende Beispiel: Bei einem vermuteten Bandscheibenvorfall oder mutmaßlicher Spinalkanalstenose (siehe jeweils Kapitel "Spezifischer Rückenschmerz: Ursachen abklären und behandeln"), jedoch einem vieldeutigen Schmerzbild – etwa Schmerzen, die von der Schulter bis zur Hand oder umgekehrt reichen, dazu eine gestörte Feinmotorik an der Hand –, kann die Aufzeichnung der elektrischen Muskel- und Nervenaktivität weiterhelfen. Dabei und anhand weiterer differenzierter Untersuchungen könnte sich bestätigen, dass hinter den Beschwerden ein Karpaltunnelsyndrom steckt: Es wird durch Druck auf den Mittelnerv der Hand (Medianusnerv) beim Eintritt in das Handgewölbe verursacht, hat also nichts mit Problemen auf der Ebene der Wurzeln des Medinausnervs an der Halswirbelsäule zu tun. Die Unterscheidung ist wichtig im Hinblick auf eine eventuelle Operation.
- Bei der Elektroneurografie (ENG; Nadelmyografie) wird die Nervenleitgeschwindigkeit gemessen. Dazu reizt der untersuchende Neurologe einen Gliedmaßen-(stamm-)Nerv mindestens an zwei Stellen elektrisch und leitet die Reaktion über dem zugehörigen Muskel oder der Haut mit oberflächlich angelegten Elektroden ab. Eine verlangsamte oder aufgehobene Nervenleitung zeigt eine Schädigung des Nervs (Neuropathie) an. Diese kann verschiedene Ursachen haben – von Gehirn- oder Rückenmarkerkrankungen bis zu Schädigungen des Nervs selbst, zum Beispiel durch Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes oder durch einen Engpass.
Die Untersuchung hilft also Störungen näher einzugrenzen. Die Leitgeschwindigkeit wird aus den Zeitunterschieden zwischen Reiz und Antwort und der Entfernung zwischen den Messpunkten berechnet. Für Neurologen hat diese Unterschung heute nicht mehr so große Bedeutung wie früher, da moderne bildgebende Verfahren krankhafte Veränderungen unmittelbar optisch darstellen können.
- Nerven steuern Muskeln. Nervenschädigungen verändern die Muskelarbeit, inaktive Muskeln verkümmern. Um gezielt die elektrische Aktivität eines Muskels (Elektromyogramm, EMG) zu untersuchen, muss eine feine Nadelelektrode in diesen eingestochen werden. Das ist ein bisschen unangenehm. Mithilfe bestimmter Manöver – Entspannung und Anspannung des Muskels – kann nun herausgefunden werden, ob der Muskel ausreichend von "seinem" Nerven angetrieben wird (ist dies nicht der Fall, ist der Nerv geschädigt), oder ob das Signalmuster eher für eine Erkrankung des Muskels selbst spricht.