Nachtschweiß: Autoimmunerkrankungen als Ursache

Bei einer rheumatoiden Arthritis schmerzen die Fingergelenke oft, wenn sie bewegt oder gedrückt werden
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Das körpereigene Abwehrsystem, das Immunsystem, bekämpft normalerweise nur körperfremde Partikel, wie Krankheitserreger, Gifte, Schadstoffe. Eigene Körperzellen spart es aus. Bei einer Autoimmunerkrankung agiert dieses hochkomplexe System in Teilen unkontrolliert und greift eigene Körperzellen an. Die Folge sind Entzündungen in den betroffenen Bereichen, die sich dadurch mit der Zeit krankhaft verändern. Die genauen Auslöser solcher Selbstattacken sind noch weitgehend unbekannt. Erbliche Veranlagungen sowie Bakterien, Viren und Pilze können eine ursächliche Rolle spielen.
Die Überreaktionen des Immunsystems führen bei einigen Krankheitsbildern auch zu allgemeinen Krankheitsgefühlen, die mit nächtlichem Schwitzen verbunden sein können. Dazu gehören die Rheumatoide Arthritis (chronische Polyarthritis) und Entzündungen der Gefäße wie die sogenannte Granulomatose mit Polyangiitis (früher Wegener-Granulomatose genannt), die Riesenzellarteriitis (auch Arteriitis cranialis, früher Arteriitis temporalis oder Temporalarteriitis) und die Polymyalgia rheumatica.

Beweglich bleiben trotz Rheuma: Dabei helfen auch die richtigen Übungen
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Rheumatoide Arthritis, chronische Polyarthritis: Erst nächtliches Schwitzen, später Gelenkschmerzen
Bei dieser chronisch-entzündlichen Erkrankung sind zunächst die Gelenke betroffen. Die fehlgeleitete Abwehraktivität zielt auf die Gelenkinnenhaut. Die entzündlichen Prozesse können die Gelenke dauerhaft schädigen und auch innere Organe wie Lunge, Leber oder das Herz angreifen. Häufig erkranken anfangs die kleinen Gelenke an Fingern und Händen, später die großen wie Knie, Schultern, seltener die Halswirbelsäule. Mit einer rechtzeitigen Behandlung lässt sich eine fortschreitende Schädigung und Versteifung aufhalten beziehungsweise verzögern.
Symptome: Allgemeinbeschwerden wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Nachtschweiß, leicht erhöhte Temperatur, Appetitlosigkeit, können den charakteristischen Krankheitszeichen schon längere Zeit vorausgehen. Typischerweise folgen dann Gelenkschmerzen, vor allem an den Fingergelenken. Finger und Hände schmerzen besonders deutlich, wenn sie bewegt oder gedrückt werden. Auch die Zehengelenke können betroffen sein. Die Gelenke sind prall und weich geschwollen, fühlen sich heiß an, und das auf beiden Seiten und über sechs Monate anhaltend.
Ein wichtiges Kennzeichen ist eine morgendliche Gelenksteife, die bis zu einer Stunde dauern kann. Manchmal entwickeln sich auch kleine, nicht schmerzende Knoten unter der Haut, vor allem nahe dem Ellbogen oder der Ferse (Rheumaknoten).
Eingehend über das Krankheitsbild sowie über Diagnose und Therapien informiert Sie der Ratgeber "Rheumatoide Arthritis".
! Tipp: Wichtig im Alltag sind regelmäßige Bewegungsübungen (Physiotherapie), praktische Bewegungsanleitungen (Ergotherapie) und psychologische Unterstützung.
Gefäßentzündungen: Nachtschweiß oft in späteren Krankheitsphasen
Fehlgeleitete Immunreaktionen können auch auf das Gefäßsystem abzielen und dort Entzündungen auslösen. Je nachdem, welche Blutgefäße betroffen sind, erkranken die damit verbundenen Organe. Gefäßentzündungen (Vaskulitiden) treten entweder sekundär auf, das heißt im Rahmen einer anderen Erkrankung wie einer rheumatischen Arthritis, oder primär, also ohne erkennbare Vorerkrankung.
Granulomatose mit Polyangiitis
Insgesamt sind primäre Gefäßentzündungen wie dieses Krankheitsbild eher selten. Früher hieß es Wegener Granulomatose. Die Erkrankung der kleinen und mittleren Blutgefäße (darauf zielt die Bezeichnung Polyangiitis) zeigt sich gehäuft zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr und verläuft in zwei Hauptstadien. Zuerst sind die entzündlichen Vorgänge auf die Atemwege, den Nasen-Rachenraum, die Ohren sowie Bronchien und Lunge beschränkt. Als Entzündungsfolge bilden sich knötchenartige Veränderungen in den Geweben (Granulome, daher die Bezeichnung Granulomatose). Später werden weitere Organe, vor allem die Nieren, und die Gelenke in Mitleidenschaft gezogen. Die Ursachen für die Erkrankung sind nicht geklärt, eine Infektion mit Staphylokokken-Bakterien könnte eine auslösende Rolle spielen.
Symptome: Die erste Krankheitsphase äußert sich häufig in chronischem Schnupfen und Nasennebenhöhlenentzündungen, die auch auf das Ohr übergreifen. Ein allgemeines Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen, Mittelohrentzündungen, Schwerhörigkeit können folgen. Oft bilden sich Geschwüre im Mund- und Rachenraum. Sprech- und Atembeschwerden sowie Husten zeigen Verengungen im Bereich der Stimmbänder und der Bronchien sowie krankhafte Einlagerungen in der Lunge an.
Die Nase kann sich im Verlauf der Erkrankung in charakteristischer Weise verformen, der Nasenrücken knickt ein (Sattelnase). Kennzeichnend für die zweite Phase der Erkrankung sind dann verstärkt Nachtschweiß, Fieber, Gewichtsverlust. Dazu kommen blutiger Husten, Gelenk- und Muskelschmerzen, entzündliche Schwellungen, Herzbeschwerden, Hautgeschwüre, Bindehautentzündungen. Blut im Urin kann auf eine Nierenentzündung hinweisen.
Weitere Informationen, auch zur Therapie, im Ratgeber "Granulomatose mit Polyangiitis (Wegener Granulomatose)".
Riesenzellarteriitis und Polymyalgia rheumatica
Unspezifische Beschwerden wie nächtliches Schwitzen können zudem auf andere entzündliche Gefäßerkrankungen hinweisen. Dazu gehören insbesondere die Riesenzellarteriitis und die Polymyalgia rheumatica. Bei beiden kommt es zu Entzündungen großer Gefäße. Dadurch können sich Granolume mit sogenannten Riesenzellen bilden. Der weitere Krankheitsname Arteriitis cranialis trägt dem Umstand Rechnung, dass es hier vor allem um Gefäßentzündungen im Kopfbereich geht.
Zugleich sind bei bis zu 40 Prozent der Patienten auch die Hauptschlagader (Aorta) und ihre Nebenäste betroffen, häufig im Schläfen- und Augenbereich (der frühere Name Arteriitis temporalis Horton nimmt Bezug auf die Schläfenarterie). Außerdem entzünden sich bei der Riesenzellarteriitis manchmal auch Gliedmaßengefäße.
Bei der Polymyalgia rheumatica entstehen die Entzündungen im Aortenbogen und in rumpfnahen größeren Gliedmaßenarterien. Hier kommen zu der Gefäßentzündung noch Gelenkinnenhaut- und Schleimbeutelentzündungen dazu. Bei einem Teil der an Polymyalgia rheumatica Erkrankten entwickelt sich im weiteren Verlauf eine Arteriitis cranialis, also eine Riesenzellarteriitis im Kopfbereich.
Diese geht – unbehandelt – aufgrund einer Durchblutungsstörung des Sehnervs mit der Gefahr der Erblindung einher. Sie kann außerdem zu Zirkulationsstörungen im Gehirn und damit auch zu einem Hirninfarkt (Schlaganfall), zu einem Herzinfarkt sowie zu einer Schädigung der Körperschlagader (Aortenaneurysma) führen. Menschen über 50, überwiegend ältere Frauen, erkranken häufiger.
Symptome: Kennzeichnend für eine Riesenzellarteriitis beziehungsweise Arteriitis cranialis sind pochende Kopfschmerzen, vor allem an den Schläfen, Schmerzen beim Kauen, Augenschmerzen, Sehstörungen bis hin zu nachlassendem Sehvermögen auf einer Seite. Die Schläfenarterie ist oft verhärtet und druckempfindlich, pulsiert aber nicht.
Typisch für eine Polymyalgia rheumatica sind beidseitige, akut einsetzende starke Schmerzen in der Schulter und/oder im Beckengürtel. Die Muskeln schmerzen bei Druck. Morgensteifigkeit und Muskelschwäche können dazukommen.
Beide Erkrankungen gehen häufig mit Abgeschlagenheit, Fieber, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Nachtschweiß, depressiven Verstimmungen einher.
Wichtiges zu Diagnose und Therapie:
Die Symptome und eine eingehende körperliche Untersuchung geben dem Arzt oft schon entscheidende Hinweise auf beide Krankheitsbilder. Es folgen Bluttests im Labor. Bei Verdacht auf eine Arteriitis cranialis schließt sich eine Ultraschalluntersuchung der Schläfenarterien an. Um die Diagnose zu bestätigen, lässt der Arzt auch eine ausreichend große Gewebeprobe der Schläfenarterie analysieren (Biopsie). Bei krankheitsverdächtigen Augensymptomen wird, abgesehen von der augenärztlichen Untersuchung, dieser Schritt möglichst schnell erfolgen, sofern keine Gegenanzeige besteht (etwa ein bestehender Umweg des Blutes wegen verengter innerer Halsschlagader).
Gleichzeitig leitet der Arzt meist umgehend die Therapie mit einem Kortison-Präparat ein, anfangs hochdosiert. Um der Gefahr einer Erblindung bei einer Arteriitis cranialis vorzubeugen, wird der Arzt bei deutlichen klinischen Anhaltspunkten noch vor dem Biopsieergebnis damit beginnen.
Besteht der Verdacht auf eine Polymyalgia rheumatica, bringt eine Kortisonbehandlung in niedrigerer Dosis, auf die diese Krankheit in der Regel sofort anspricht, Klarheit.
Zudem können mitunter Immunsuppressiva, Medikamente, die die Aktivität des Immunsystems beeinflussen, angezeigt sein. Dadurch lässt sich Kortison reduzieren.
Über das Krankheitsbild informiert Sie auch der Ratgeber "Riesenzellarteriitis".