Krebs – was nun?
Zähne zusammenbeißen und ertragen? "Bitte nicht!", sagt Petra Feyer vom Vivantes-Klinikum in Berlin. "Sprechen Sie darüber, was Sie gerade quält." Im Auftrag der Deutschen Krebsgesellschaft engagiert sich die Professorin im Arbeitskreis Supportive Maßnahmen in der Onkologie für die Lebensqualität krebskranker Menschen. Was Patienten wissen sollten: Nicht jeder entwickelt alle denkbaren Beschwerden und leidet gleich stark. Dank moderner Medizin kann das onkologische Behandlungsteam den meisten Problemen gezielt vorbeugen oder sie lindern. Auch Sie selbst können viel dazu beitragen.
Gereizte Haut
Was sind die Beschwerden? Die Haut reagiert manchmal auf die Krebsmedikamente: Sie juckt, rötet sich, ist trockener oder lichtempfindlicher als früher. Ein akneähnlicher Ausschlag ist möglich. Nach Bestrahlungen kann die Haut anschwellen, ähnlich wie bei einem Sonnenbrand. Langfristige Folgen sind heute selten, aber die Haut bleibt oft insgesamt empfindlicher.
Was macht der Arzt? Er bespricht die individuelle Hautpflege und verordnet Cremes und Tabletten, die den jeweiligen Hautirritationen vorbeugen oder sie mildern.
Was kann ich tun? Nur mit lauwarmem Wasser waschen. Seifenfreie und rückfettende Pflegeprodukte verwenden, keine alkoholischen Hygienemittel und Parfüms. Die Haut sanft mit weichem Handtuch trocken tupfen. Danach regelmäßig großzügig eincremen. Luftige Kleidung aus Naturstoffen (Baumwolle, Seide) tragen. Starke Sonneneinstrahlung meiden. Beim Arbeiten im Haushalt Handschuhe nutzen. Naturheilkundliche Mittel wie Quarkwickel oder Leinsamenbäder erst mit dem Arzt besprechen.
Haarausfall
Was sind die Beschwerden? Die Haare können, je nach Therapie, nach und nach ausfallen. Betroffen sind die Kopfhaare, aber auch Augenbrauen, Wimpern, Haare im Schambereich und in den Achselhöhlen. Nach Therapieende wachsen sie wieder.
Was macht der Arzt? Mit Medikamenten kann man dem Haarausfall nicht vorbeugen. Der Onkologe kann eine Perücke verordnen. Bei Frauen erstattet die Krankenkasse meist einen gewissen Betrag. Eine Kühlkappe kann den Haarausfall lindern, doch nicht jeder Onkologe bietet sie an. Die Kasse trägt meist nicht die Kosten. Einige empfinden die Kappe als unangenehm, fraglich ist, ob sie sich ungünstig auf den Therapieerfolg auswirkt.
Was kann ich tun? Bei der Krankenkasse wegen der Perücke fragen. Mit einem tollen Make-up gefällt sich manche Patientin besser. Es gibt extra Schminkkurse für Krebskranke. Auch im Internet finden Sie gute Tipps. Manchen hilft es, sich vor dem Verlust der Haare selbst die Haare zu rasieren.
Hand-Fuß-Syndrom
Was sind die Beschwerden? Im Verlauf einer Chemotherapie kann die Haut so reagieren, dass Fußsohlen und Handinnenflächen schmerzhaft anschwellen, sich röten, taub anfühlen und Blasen werfen. Mit dem Absetzen der Therapie verschwinden die Beschwerden in der Regel wieder.
Was macht der Arzt? Er berät Sie, wie Sie mit der richtigen Hautpflege vorbeugen. Bei Bedarf verschreibt er eine harnstoffhaltige Creme und Schmerzmittel.
Was kann ich tun? Pflegen Sie die betroffenen Hautpartien mehrmals täglich mit
der verschriebenen Creme. Bei stärkeren Beschwerden verschaffen Kühlelemente Linderung (vorher den Arzt fragen und nicht direkt auf der Haut anwenden!). Tragen Sie bequeme, nicht zu enge Schuhe. Die Hände sollten nicht in Kontakt mit heißem Wasser kommen. Beim Spülen oder Putzen Baumwollhandschuhe und wasserfeste Handschuhe darüberziehen.
Übelkeit
Was sind die Beschwerden? Bauchgrimmen, Übelkeit und Erbrechen.
Was macht der Arzt? Vor Beginn der Therapie gibt er Arzneimittel gegen Magen-
Darm-Probleme. Speziell vor Übelkeit haben viele Patienten Angst. Dagegen gibt es heute aber gute Medikamente. Auch eine Ernährungsberatung kann helfen.
Was kann ich tun? Nehmen Sie die Arznei, die Sie vorbeugend erhalten haben. Probieren Sie aus, was Ihre Übelkeit lindert. Essen Sie mehrere kleine Portionen und nur das, worauf Sie Lust haben. Leichte Kost ist generell ratsam. Meiden Sie unangenehme Gerüche wie Zigarettenqualm. Besprechen Sie mit dem Onkologen, ob Sie Mahlzeiten direkt vor und nach einer Behandlung einnehmen dürfen. Gute Erfahrungen haben einige mit Akupressur am Handgelenk gemacht, spezielle Druckarmbänder gegen Übelkeit gibt es in der Apotheke. Ebenfalls hilfreich: Ingwertee,
frische Luft, Entspannungsübungen.
Gereizte Mundschleimhaut
Was sind die Beschwerden? Nach einer Chemotherapie oder Bestrahlung in der Mundhöhle kann sich dort die Schleimhaut entzünden. Sie ist gerötet, geschwollen und schmerzt, es können sich Blasen oder Geschwüre bilden.
Was macht der Arzt? Er inspiziert regelmäßig Mund- und Rachenraum. Bei Bedarf verschreibt er Schmerzmittel und spezielle Mundspüllösungen und verordnet hochkalorische Trinknahrung aus der Apotheke sowie eine Ernährungsberatung. Bei Diabetikern achtet er auf gute Blutzuckerwerte.
Was kann ich tun? Vor Beginn der Therapie zur Kontrolle beim Zahnarzt. Zahnersatz muss gut sitzen und gepflegt sein. Oberstes Gebot ist sorgfältige Mundhygiene: nach jeder Mahlzeit die Zähne mit einer weichen Bürste putzen. Behandeln Sie mehrmals am Tag den Mund mit der verordneten Spüllösung oder mit rezeptfreien Lösungen aus der Apotheke. Bitte keine Mahlzeiten auslassen! Wohltuend ist oft das Lutschen von Bonbons, abgerundeten Eiswürfeln oder Würfeln aus gefrorenen Cola-Getränken. Auch Gurgeln mit Hanföl kann helfen. Scharf gewürzte und sehr heiße Speisen meiden, auch sehr süße oder saure Lebensmittel reizen die Schleimhäute. Nikotin und Alkohol weglassen. Benutzen Sie
zum Trinken einen Strohhalm, Zahnersatz eventuell aus dem Mund nehmen.
Nervenschäden
Was sind die Beschwerden? Hände und Füße kribbeln, fühlen sich taub an und schmerzen. Handgriffe, die Feinmotorik erfordern, wie eine Bluse zuknöpfen, fallen schwer. Doch nicht jeden trifft es – und nicht jeden gleich stark.
Was macht der Arzt? Er verschreibt im Vorfeld Physiotherapie, etwa Vibrationstraining, Übungen mit dem Igelball oder Wechselbäder. Mittel, die auch Diabetiker gegen Nervenschäden erhalten, lindern die Beschwerden.
Was kann ich tun? Sagen Sie Ihrem Arzt, wenn sich Ihre Hände oder Füße komisch anfühlen oder schmerzen. Finger- und Abrollübungen mit Wasserflaschen halten Hände und Füße beweglich. Keine drückenden Schuhe anziehen. Können Sie sich zunehmend schlechter selbstständig im Alltag versorgen, die Krankenkasse nach Unterstützung fragen.
Osteoporose
Was sind die Beschwerden? Das Risiko von Brüchen steigt.
Was macht der Arzt? Er prüft Knochendichte und Blutwerte, verschreibt bei Bedarf Ernährungsberatung und Wirkstoffe gegen den Knochenabbau.
Was kann ich tun? Bewegen Sie sich regelmäßig an frischer Luft. Trainieren Sie Kraft und Ausdauer. Meiden Sie Alkohol und Rauchen. Ob fetter Fisch, grünes Gemüse oder Joghurt: Lassen Sie sich von Experten beraten, welches Essen die Knochen stärkt. Keine Nahrungsergänzungsmittel in Eigenregie einnehmen!
Dauermüdigkeit
Was sind die Beschwerden? Man fühlt sich ständig erschöpft. Nach der Therapie ist diese Fatigue meist vorbei, sie kann sich aber auch Jahre später bemerkbar machen und chronisch werden.
Was macht der Arzt? Er schließt zunächst andere organische Ursachen aus. Das beste Mittel gegen Fatigue ist Bewegung. Der Arzt kann Bewegungstraining (etwa Rehasport) verschreiben. Auch Psychotherapie hilft mitunter.
Was kann ich tun? Bewegen Sie sich so oft wie möglich. Fragen Sie Ihr Behandlerteam nach Sportmöglichkeiten in Ihrer Nähe. Achten Sie auf gesunde Ernährung. Sprechen Sie mit Ihren Angehörigen über Ihre Erschöpfung.
Blutarmut
Was sind die Beschwerden? Der Mangel an roten Blutkörperchen macht schlapp. Manche leiden zudem unter Luftnot, Schwindel und Konzentrationsstörungen.
Was macht der Arzt? Er kontrolliert regelmäßig die Blutwerte. Je nach Ausmaß der Blutarmut und der Beschwerden verordnet er Eisen oder andere Medikamente. Im Einzelfall kommt eine Bluttransfusion infrage.
Was kann ich tun? Melden Sie dem Arzt sofort, wenn Sie unter Luftnot oder plötzlichem Leistungsknick leiden. Nur die vom Arzt verordneten Eisenpräparate einnehmen. Achten Sie auf ausgewogene Ernährung, lassen Sie sich dazu auch vom Apotheker beraten. Einige Nahrungsmittel fördern, andere hemmen die Eisenaufnahme.
Seelische Not
Was sind die Beschwerden? Die Diagnose Krebs belastet fast jeden Patienten. Ängste, Depressionen oder eine Suchterkrankung sind mögliche Folgen.
Was macht der Arzt? Das Behandlerteam bespricht mit Ihnen, was Ihre seelische
Not lindern kann. Es nennt Ansprechpartner und Adressen für psychoonkologische Gespräche, Entspannungsverfahren, psychosoziale Beratung oder Psychotherapie.
Was kann ich tun? Sprechen Sie Ihre seelische Not frühzeitig und offen bei Ihren Therapeuten und Angehörigen an. Zögern Sie nicht, Hilfe in Anspruch zu nehmen! Durch vielfältige lokale und bundesweite Angebote leisten Selbsthilfeorganisationen Unterstützung. Ebenso helfen Ihnen psychosoziale Krebsberatungsstellen (etwa Landeskrebsgesellschaften) weiter. Regelmäßige Bewegung nimmt Druck von der Seele.