Gewichtsverlust kann Krebspatienten sehr zusetzen. Die Gründe sind vielfältig. So kann die Aufnahme und Verwertung von Nahrungsmitteln bei einer Krebserkrankung durch die Therapie beeinträchtigt sein: Manche Patienten leiden bei einer Chemotherapie an Übelkeit, was den Appetit verdirbt. Schleimhautschäden der Speiseröhre nach einer Bestrahlung machen womöglich das Essen zur Qual. Sind große Teile des Magens oder Darms entfernt worden, kann die Nährstoffaufnahme behindert sein. Häufig lässt sich eine solche Gewichtsabnahme bei Tumorpatienten korrigieren, was aber meist eine sehr spezielle Ernährungsberatung voraussetzt. In Krebskliniken sollte es ein entsprechendes Angebot geben. Was im individuellen Fall hilfreich und sinnvoll erscheint, besprechen Patienten am besten mit ihrem Arzt.

Doch führt auch der Krebs selbst häufig zu Gewichtsverlust, was mitunter als erstes Symptom auffällt. Eine unklare Gewichtsabnahme sollte daher immer ein Arzt abklären. Bei einem Teil der Krebspatienten kommt es zu einer starken Auszehrung, der Tumorkachexie. Die Augen sinken ein, die Haut erschlafft, die Knochen treten hervor. Betroffene sind nicht nur geschwächt und werden stigmatisiert, die Kachexie ist auch ein bedrohlicher Zustand. Denn dem massiven Verlust an Fett- und Muskelmasse lässt sich nur schwer etwas entgegensetzen, solange der Tumor weiter wuchert, wodurch die Kräfte Betroffener schwinden.

Wem droht Kachexie?

Etwa 15 Prozent aller Krebspatienten erleiden bereits frühzeitig einen schweren Gewichtsverlust, das heißt sie nehmen über zehn Prozent ihres vormaligen Körpergewichts ab. Besonders häufig betroffen sind Patienten mit Tumoren der Bauchspeicheldrüse und des Magens: Bei ihnen besteht Kachexie in 85 Prozent der Fälle bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung. Auch bei Lungen-, Speiseröhren- oder Darmkrebs tritt das Problem oft auf.

Was genau passiert im Körper bei Kachexie?

"Durch eine Krebserkrankung kann es zur massiven Störung verschiedener Stoffwechselwege kommen", benennt Dr. Jann Arends, Oberarzt für Palliativmedizin in der Klinik für Innere Medizin I am Universitätsklinikum Freiburg, die im Detail noch nicht vollends verstandenen Ursachen des Problems.

Tumorzellen verschwenden Energie, da ihr Stoffwechsel überwiegend anaerob, also ohne Sauerstoff, abläuft. Ihr Zuckerverbrauch liegt dadurch bis zu 40-mal höher als der von normalen Gewebezellen. Dieser Umstand allein reicht aber nicht aus, um den massiven Gewichtsverlust zu erklären. Oft ist der Energieumsatz von Krebspatienten auch völlig normal.

Doch es kommt zu Störungen mehrerer Stoffwechselwege im erkrankten Organismus, bedingt durch verschiedene Entzündungs- und Botenstoffe, die vom Tumor, aber auch vom Immunsystem des Kranken abgegeben werden. Das führt typischerweise zu massivem Abbau von Fetten aber auch von Proteinen und damit – anders als etwa im Hungerzustand – relativ schnell zu Muskelschwund. Auch der Blutzucker ist häufig erhöht. Die genauen biochemischen Mechanismen sind hochkomplex und im Detail noch nicht vollständig aufgeklärt.

Was hilft bei Gewichtsverlust?

Appetitlosigkeit und Übelkeit können häufig mit Medikamenten gelindert werden, insbesondere wenn es sich um Folgen der Chemotherapie handelt. Auch sollte der Patient bei kritisch niedrigem Körpergewicht eine kalorienreiche Kost einnehmen und die Speisen anreichern, zum Beispiel mit Sahne, Schmand, Fetten und Ölen, gegebenenfalls mit dem Angebot zusätzlicher energiereicher Trinknahrungen. Eiweißreiche Speisen wie Käse, Quark und andere Milchprodukte, aber auch Fisch und Fleisch unterstützen den Erhalt der Körperzell- und Muskelmasse. Bewährt hat sich in manchen Fällen die Gabe von Omega-3-Fettsäuren und von Eiweißpräparaten, die sich Speisen und Getränken zumischen lassen. Das Vorgehen sollte aber immer in Absprache mit dem Arzt oder Ernährungsberater erfolgen.

Gegebenenfalls müssen Nährstoffe per Infusion verabreicht werden. Effektiv ist diese Maßnahme vor allem dann, wenn die normale Nahrungsaufnahme therapiebedingt erschwert ist, etwa nach Bestrahlung oder einer Operation des Magen-Darmtraktes.

Neue Ansätze, um eine Kachexie zu behandeln

Die Zufuhr von Kalorien allein wirkt dem starken Gewichtsverlust zwar entgegen, verändert aber nicht die gestörte Stoffwechselsituation bei der Kachexie. Das betrifft vor allem den Abbau von Körpereiweiß, der sich durch reines "Mästen" nicht beheben lässt. Außerdem führen sehr unterschiedliche Einflüsse zur Mangelernährung, die sich durch Einzelmaßnahmen daher kaum bessert. Die einzig wirklich wirksame Behandlung der Kachexie besteht bislang in einer erfolgreichen Krebstherapie.

Mediziner versuchen, den Stoffwechsel direkt zu beeinflussen. So gibt es Ansätze, verschiedene Entzündungsbotenstoffe mit Medikamenten wie Antirheumatika (zum Beispiel Ibuprofen), Kortikosteroiden oder auch Zytokinantagonisten zu hemmen. Das gelingt zeitweise ganz gut, allerdings können manche dieser Substanzen ihrerseits starke Nebenwirkungen hervorrufen. In jedem Fall gehört so eine Behandlung in die Hände von Experten. Mögliche Vor- und Nachteile sollten abgewogen werden.

Neue Therapieprinzipien bestehen darin, körpereigene Hormone zu unterstützen, die Appetit und Muskelaufbau fördern. "Das allein wird das Grundproblem auch nicht lösen," meint Professor Stephan Herzig, Direktor des Instituts für Diabetes und Krebs am Helmholtz-Zentrum München. "Aber solche Medikamente eröffnen die Möglichkeit, von verschiedenen Seiten anzugreifen."

Ganz entscheidend: Neben Nährstoffzufuhr und Entzündungshemmung spielt außerdem Muskelaufbau eine wichtige Rolle. Moderates Training – in Absprache mit dem Arzt – wirkt einerseits dem Muskelschwund entgegen und bringt andererseits den Stoffwechsel dazu, weniger Ressourcen abzubauen.

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