Tropenviren am Gardasee

Krank durch einen Mückenstich: Tigermücken sind die Hauptüberträger des Dengue-Virus
© W&B/Christina Angele
Die Ausbrüche rücken näher: In der Nähe des italienischen Gardasees haben sich zuletzt mehrere Menschen infiziert. Auch in der Provinz Latium, die Gegend um Rom, hat sich eine Person vor Ort angesteckt. Frankreich meldet ebenfalls fast jeden Sommer neue Fälle. Die Rede ist von einer Infektionskrankheit, deren Name vor einigen Jahren fast nur Fernreisenden geläufig war: das Dengue-Fieber, wegen seiner schmerzhaften Symptome auch als Knochenbrecher-Fieber bezeichnet. „Dengue nimmt massiv zu“, bestätigt Prof. Dr. Tomas Jelinek, wissenschaftlicher Leiter des Centrums für Reisemedizin (CRM) Düsseldorf . Doch gibt es auch eine gute Nachricht: Seit März 2023 ist eine neue Impfung gegen den Erreger verfügbar.
Ohne ständig die Schlagzeilen zu füllen, hat sich das Dengue-Fieber in den vergangenen 20 Jahren zu einer bedrohlichen Pandemie entwickelt. Anfang September hat Guatemala wegen des Dengue-Fiebers den Gesundheitsnotstand ausgerufen. In Bangladesch wütet derzeit der schlimmste Ausbruch, den es in dem Land je gab. Brasilien zählt in diesem Jahr bereits mehr als 2,5 Millionen Fälle. Auch in Europa nehmen die lokalen Ausbrüche, bei denen das Virus vor Ort übertragen wird, zu. So kommt es in Frankreich seit 2013 fast jedes Jahr zu neuen Fällen, oft an der Côte d’Azur. Auch in Spanien und Kroatien gab es schon Ansteckungen.

Prof. Dr. Tomas Jelinek ist Experte für Reisemedizin
© Jörg Klatt
Gibt es Dengue-Fieber bald in Deutschland?
Die Hauptursache, dass sich Dengue über den Globus verbreitet, ist wenige Millimeter groß: Überträger der Krankheit ist die Tigermücke. „Die Tiere sind typische Kulturfolger“, sagt Jelinek. Eine kleine Pfütze in einem alten Autoreifen, ein Blumenuntersetzer voll Wasser reichen aus, damit sich die Larven entwickeln können. Auch das zunehmend wärmere Klima behagt den Blutsaugern. Mit Autos, Schiffen, vor allem aber mit Warentransporten gelangen die Mücken von einem Land ins andere. Die Dengue-Erreger werden dann in der Regel durch Reisende eingeflogen. Sind die Mücken vor Ort, können sie bei ihrem Stich Viren aufnehmen und die Krankheit verbreiten.
Dass es in naher Zukunft auch in Deutschland zu Ausbrüchen wie am Gardasee kommt, hält Jelinek für wahrscheinlich. Anders als in tropischen Ländern werden sich aber sicher keine Epidemien mit mehreren Millionen Fällen entwickeln. „Die Infektionsketten werden im Winter immer wieder durchbrochen“, erklärt der Reisemediziner. Zwar gibt es hierzulande bereits feste Populationen der Tigermücke, denen es auch gelingt zu überwintern. Dennoch sterben in der kalten Jahreszeit die Mücken ab. „Die Tiere, die im Frühjahr neu schlüpfen, sind dann nicht infiziert“, sagt Jelinek. Der Dengue-Erreger muss für einen erneuten Ausbruch also erst wieder eingeschleppt werden.
Welche Beschwerden verursacht die Erkrankung?
Da die Infektionszahlen weltweit sehr hoch liegen, geschieht das aber regelmäßig. Nicht alle Infizierten bemerken dabei, dass sie den Erreger in sich tragen. „In der Hälfte der Fälle verläuft Dengue ohne Symptome“, sagt Jelinek. Doch kann es auch zu heftigen Beschwerden führen. Typisch sind neben Fieber bis zu 40 Grad starke Schmerzen. „Wenn sich die Erkrankten bewegen, haben sie Schmerzen, als würden ihnen die Knochen brechen“, beschreibt Jelinek. Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Husten und Lymphknotenschwellungen können hinzukommen.
Zu Beginn färbt sich die Haut oft rötlich, später kommt ein juckender Ausschlag hinzu. Ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben unter anderem Kinder, Menschen mit starkem Übergewicht sowie Vorerkrankungen. Doch klingen die Beschwerden meist innerhalb von einer Woche ab. In manchen Fällen kommt es allerdings längerfristig zu chronischer Erschöpfung, dem sogenannten Fatigue-Syndrom.
Warum ist eine zweite Infektion so gefährlich?
Doch Dengue ist noch auf andere Weise tückisch: Insgesamt existieren vier verschiedene Virus-Typen. Wer sich mit einem davon infiziert, ist danach in der Regel gegen diesen immun – aber nicht gegen die anderen. Bei einer erneuten Infektion verläuft die Erkrankung teils sogar deutlich schwerer als beim ersten Mal. Die Viren verbinden sich mit den Antikörpern, die sich gegen den anderen Subtyp gebildet haben, was ihnen das Eindringen in Zellen überraschenderweise erleichtert. Die Viren können sich also besser vermehren. „Der Körper reagiert mit einer überschießenden Abwehrreaktion“, erklärt Jelinek. Es kann dann zu einem sogenannten hämorrhagischen Fieber kommen.
Typisch sind Blutungen in der Haut, auch in Magen, Darm und inneren Organen. Ohne Therapie droht ein lebensgefährlicher Schock mit Kreislaufversagen. „Mit Hilfe intensivmedizinischer Versorgung, kann man die meisten Menschen stabilisieren“, sagt Jelinek. Nach ein paar Tagen gehen die Beschwerden in der Regel zurück. In den Ländern, in denen der Dengue-Erreger stark verbreitet ist, ist eine solche Versorgung teils allerdings nicht möglich. Es kommt daher nicht selten zu Todesfällen.
Wer sollte sich impfen lassen?
Doch inzwischen gibt es mehr Möglicheiten, sich vor Dengue zu schützen: Seit März 2023 ist eine Impfung gegen Dengue-Fieber verfügbar, die bereits ab dem Alter von vier Jahren verabreicht werden kann. „Die Impfung ist ein wirklicher Durchbruch“, sagt Jelinek. Derzeit überprüft eine Arbeitsgemeinschaft der Stiko und der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e.V. die bisher vorliegenden Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoff, um anschließend über eine Empfehlung für Reisende in Dengue-Gebiete zu entscheiden.
Doch rät der Reisemediziner Jelinek seinen Kunden bei einer längeren Reise in ein Risikogebiet schon jetzt zum Impfschutz. Unbedingt impfen lassen sollte sich Reisende, die schon einmal infiziert waren, so Jelinek. Doch auch wer noch keine Infektion durchgemacht hat, kann nun vor einem Besuch in einem Land, in dem es viele Ansteckungen gibt, abwägen, ob er sich impfen lassen möchte. „Dazu zählen inzwischen schon sehr viele Reiseziele“, sagt Jelinek. Der Gardasee gehört allerdings noch nicht dazu. Die Wahrscheinlichkeit, sich dort anzustecken, ist noch zu gering.
Die Impfung bietet einen etwa 80-prozentigen Schutz gegen fieberhafte Verläufe. Schwere Erkankungen sind danach extrem selten. Die einzige Alternative, um sich zu schützen, ist konsequenter Mückenschutz. Doch können in der Regel weder Repellents noch Mückennetze verhindern, dass man vereinzelt doch gestochen wird.
Wird die Impfung gut vertragen?
Der Impfstoff gilt indes als sehr sicher und wird nach Jelineks Erfahrung zudem in der Regel gut vertragen. „Die meisten merken kaum etwas davon.“ In einigen Fällen kommt es allerdings zu leichten grippeartigen Beschwerden und einem Hautausschlag, der nach ein paar Tagen wieder verschwindet.
Da es sich um einen Lebendimpfstoff handelt, dürfen bestimmte Menschen nicht geimpft werden, etwa Schwangere und Stillende sowie Menschen, deren Immunsystem geschwächt ist, etwa durch eine Krankheit oder Medikamente. Wer sich impfen lassen möchte, sollte zunächst mit seinem Arzt oder der Ärztin sprechen, ob eine Impfung in seinem Fall sinnvoll ist. Anschließend kann man mit der Krankenkasse abklären, ob diese die Kosten übernimmt oder die Kosten dafür selbst getragen werden müssen. Einige Kassen erstatten freiwillig auch Reiseimpfungen.
Für einen vollständigen Impfschutz sind zwei Dosen im Abstand von drei Monaten nötig. Doch ist man auch nach der ersten Impfung laut Jelinek schon gut geschützt. „Die zweite dient eher dem Langzeitschutz“, sagt der Reisemediziner. Ein Beratung zur Dengue-Impfung kann sich also auch kurz vor einer Reise lohnen.